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Hochpathogene feline Caliciviren

Hochpathogene feline Caliciviren

Katzenschnupfen

In den letzten Jahren traten sowohl in den USA als mittlerweile auch in Deutschland und anderen europäischen Ländern (England, Frankreich) Fälle von hoch virulentenfelinen Caliciviren-Infektionen auf, die zu schweren systemischen Symptomen mit oft letalem Ausgang führten. Dr. Bianka Schulz und Dr. Stefan Unterer geben eine Übersicht über Ätiologie und Pathogenese, klinische Symptomatik, Diagnostikmöglichkeiten, Prophylaxe und Hygienemanagement bei Infektionen mit diesem hochpathogenen Erreger.

Der klassische Katzenschnupfenkomplex stellt eine hochinfektiöse Krankheit dar, die aber bei adulten immunkompetenten Tieren normalerweise nur mit einer sehr geringen Letalität einhergeht. Feline Herpesviren (FHV) und feline Caliciviren (FCV) bilden die viralen Hauptver ursacher des Katzenschnupfenkomplexes; hinzu kommen meist Infektionen mit bakteriellen Sekundärerregern. Die Prävalenz dieser beiden Viren in Katzenpopulationen ist abhängig von Faktoren wie Populationsgröße und Hygienestatus und hat bei Untersuchungen in deutschen Katzenpopulationen bis zu 50 % betragen.

Ätiologie und Pathogenese

Das FCV ist ein kleines RNA-Virus, das sich durch eine hohe Mutationsrate und daraus folgend starker antigenetischer Variabilität auszeichnet. So erklärt man sich, wie es innerhalb einer Katzenpopulation und sogar innerhalb eines Tieres in kurzer Zeit zur Entstehung von neuen Virusstämmen mit neuen antigenetischen Eigenschaften kommen kann. Da das FCV in Katzenpopulationen in Dauerausscheidern und Carriertieren, die sowohl symptomatisch als auch klinisch asymptomatisch sein können, sehr gut fortbestehen kann, können immer neue genetische Varianten entstehen, die – wenn sie auf eine neue ungeschützte Katzenpopulation treffen – völlig neue klinische Charakteristika hervorrufen.

Verbreitung in Katzenpopulationen

Diese besonders schwer verlaufende Form der FCV-Infektion wurde 1998 erstmals bei Katzen von Mitarbeitern einer Tierklinik in Kalifornien (USA) beobachtet und ursprünglich als „hämorrhagisches Fieber“ bezeichnet. In den nächsten Jahren folgten weitere Ausbrüche der im Folgenden als virulentes systemisches FCV (vs-FCV) benannten Form des Erregers in Mehrkatzenhaushalten, Tierheimen und Tierkliniken in verschiedenen Bundesstaaten der USA. Dabei war auffällig, dass besonders häufig immunkompetente, ausgewachsene und geimpfte Katzen betroffen waren und mehr als 50 % der erkrankten Tiere verstarben oder eingeschläfert werden mussten. In den letzten Jahren wurden dann auch Ausbrüche in Europa beschrieben: Infektionen mit vs-FCV traten sowohl in Katzenpopulationen in England als auch in Frankreich auf. Auch in Deutschland wurden mittlerweile Fälle von Infektionen mit vs-FCV nachgewiesen, die mit einer hohen Mortalität einhergingen.

Klinische Symptome und labordiagnostische Veränderungen

Außer den bekannten Katzenschnupfensymptomen wie Niesen, Nasenausfluss, Anorexie und Ulzerationen von Zunge und Gaumen werden bei Infektionen mit den neuen FCV-Varianten in vielen Fällen hohes Fieber, Ulzerationen der Haut in Gesicht und an den Ballen, Ödeme an Kopf und Pfoten (Abb. 1), Dyspnoe, Durchfall, Vomitus, Lahmheiten und Ikterus beobachtet. Häufig beschriebene labordiagnostische Veränderungen sind Anämie, Thrombozytopenie, Bilirubinämie, Hypoproteinämie und Gerinnungsstörungen. Pathologisch fallen neben den schweren Hautnekrosen auch Leberzellnekrosen auf, die wahrscheinlich den Hauptauslöser der schweren disseminierten intravasalen Coagulopathie (DIC) darstellen, die sich in Blutungen und Gerinnungsstörungen widerspiegelt.

Diagnosestellung

Zur Diagnose einer FCV-Infektion eignet sich sowohl der Nachweis in der Zellkultur als auch die PCR aus Tupferproben von Läsionen oder Gewebematerial (Abb. 2). Um herauszufinden, ob es sich bei dem FCV-Stamm um eine neue Virusvariante handelt, kann eine Sequenzierung durchgeführt werden, damit der Stamm phylogenetisch mit anderen bekannten Varianten verglichen werden kann. Interessanterweise liegen viele der untersuchten sequenzierten vs-FCV-Stämme phylogenetisch weit auseinander, sodass bei diesen Varianten von neuen Stämmen ausgegangen werden muss, die durch Mutation aus nicht virulenten Feldstämmen entstanden sind.

Therapiemöglichkeiten

Therapeutisch stehen momentan für die Behandlung der FCV-Infektion keine klinisch bewährten antiviralen Medikamente zur Verfügung, sodass sich die Therapie bisher auf symptomatische und unterstützende Maßnahmen beschränkt. Diese beinhalten die antibiotische Versorgung mit einem Breitspektrumantibiotikum gegen bakterielle Sekundärinfektionen, die Therapie mit Infusionen, Schleimlösern und Schmerzmitteln und für anorektische Katzen ein Ernährungsmanagement mit Appetitstimulanzien oder Sondenfütterung. Weiterhin erscheint der Einsatz von Immunseren mit Antikörpern gegen FCV (Feliserin PRC®) sinnvoll. Bei Tieren mit Hinweis auf eine DIC (klinische Blutungsneigung, Thrombozytopenie, verlängerte plasmatische Gerinnungszeiten, erhöhte Fibrinogenspaltprodukte) sollte über die Gabe von „Fresh Frozen Plasma“ und Heparin nachgedacht werden, um verbrauchte Gerinnungsfaktoren zu substituieren. Felines Interferonomega wurde in einer aktuellen Studie auf seine Wirksamkeit gegen verschieden FCVFeldisolate in der Zellkultur getestet und, bewies dort eine stammabhängige Wirksamkeit gegen die einzelnen Virusstämme. Ein weiterer antiviral wirksamer Wirkstoff, der experimentell im Tierversuchsmodell getestet wurde, ist PMO (virus-specific antiviral phosphorodiamidate morpholino oligomer). Katzenwelpen, die experimentell mit einem vs-FCV infiziert und mit PMO behandelt wurden, zeigten in dieser Studie bessere Überlebensraten als unbehandelte infizierte Kontrolltiere. Beide Wirkstoffe wurden bisher nicht für den klinischen Einsatz bei natürlich infizierten Katzen evaluiert und es bedarf weiterer Studien, um Aussagen über einen möglichen therapeutischen Einsatz bei Katzen mit FCV Infektion treffen zu können. Trotz intensiver therapeutischer Maßnahmen betrug die Mortalität in den bisher beschriebenen Ausbrüchen von vs-FCV Infektionen bis zu 60 %, sodass in jedem Fall auch bei intensiven therapeutischen Maßnahmen eine sehr vorsichtige Prognose zu stellen ist.

Hygienemaßnahmen

Bei Verdacht auf eine Infektion mit einem vs-FCV sollten sofort gründliche Hygiene- und Quarantänemaßnahmen ergriffen werden, um die Infektion weiterer Katzen zu verhindern. Im Gegensatz zu dem in der Umwelt wenig haltbaren FHV kann das FCV bis zu 14 Tage, unter günstigen Bedingungen wahrscheinlich sogar noch länger, in der Umgebung überleben. Erkrankte Katzen sollten von gesunden bei klinischem Verdacht sofort isoliert werden und eine gründliche Desinfektion aller Oberflächen und Gebrauchsgegenstände mit einem FCVwirksamen Desinfektionsmittel erfolgen, z. B. Kalium-Peroxymonosulfat (Virkon-S®), da viele handelsübliche Desinfektionsmittel Caliciviren nicht abtöten.

Prophylaxe

Verschiedene Impfstoffe können zur Prophylaxe gegen FCV eingesetzt werden. Dabei muss jedoch beachtet werden, dass eine Impfung zwar meist vor dem Auftreten schwerer klinische Symptome einer „normalen“ FCV-Infektion schützt, jedoch aufgrund der großen Variation der Stämme hinsichtlich Pathogenität und Virulenz oft keinen ausreichenden Schutz gegen neue, virulente Feldstämme bilden kann. Deshalb wurden in den letzten Jahren einige Studien durchgeführt, um das antigenetische und kreuzreaktive Verhalten potenzieller neuer Impfstämme gegenüber Feldstämmen und vs-FCV-Stämmen zu untersuchen. Aufgrund dieser Untersuchungen wurde ein Impfstoff entwickelt, der die neuen Impfstämmen FCVG1 und FCV431 beinhaltet und somit eine bessere und breitere Kreuzprotektivität gegen FCV-Feldstämme bietet (Purevax RC®). Da jedoch immer neue genetische Varianten von FCV mit neuen antigenetischen Eigenschaften spontan entstehen können, lässt sich auch mit dem Einsatz von neuen Vakzinestämmen ein wirksamer Schutz vor den klinischen Symptomen einer Infektion mit vs-FCV nur schwer voraussagen.

HKP 4 / 2011

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 4 / 2011.
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