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Betrachtungen zur Wunderstversorgung und Wundbehandlung sekundär heilender Wunden

Betrachtungen zur Wunderstversorgung und Wundbehandlung sekundär heilender Wunden

Heile, heile Gänsje...

Die Wundbehandlung umfasst alle Maßnahmen von der ersten Hilfe bis zur Ausheilung einer Wunde. Dabei sind die Prinzipien der Asepsis und Antisepsis zur Vermeidung von Wundinfek tionen zu beachten. Es gilt, alle störenden Faktoren zu beseitigen. Das Ziel der Wundversorgung ist die schnelle funk tionsgerechte Reparation von geschädigtem Gewebe.

Grundregeln der Wundbehandlung

Vorläufige Wundversorgung: Schon am Unfallort sollte eine vorläufige Erstversorgung der Wunde im Rahmen der ersten Hilfe (Autoverbandskasten!) durchgeführt werden. Definitive Wundversorgung: Bei frischen Wunden wird üblicherweise ein primärer Verschluss angestrebt. Bedingung ist eine saubere, gut durchblutete Wunde mit glatten Wund rändern und ohne Fremdkörper, Infektion und Nekrosen. Dies wird üblicherweise durch eine Wundreinigung und Wundumschneidung nach Friedrich erreicht.
Liegen schwere Weichteilverletzungen vor oder besteht die Gefahr einer Infektion, lässt sich der Heilungsverlauf mit einer verzögerten Primärnaht (3–5 Tage) oder einem sekundären Wundverschluss (5 – 10 Tage nach der Verletzung) besser kontrollieren. Andernfalls erfolgt eine offene Wundbehandlung bis zur Sekundärheilung. Um die physiologische Wundheilung optimal zu unterstützen, ist eine phasen- oder zustandsgerechte Wundtherapie anzustreben, d.h., in der Reinigungs, Granulations- und Epithelisierungsphase soll mit den jeweils hierfür am besten geeigneten Mitteln ein günstiges feuchtes Wundmilieu geschaffen und aufrechterhalten werden.

Débridement

Ein wesentlicher Bestandteil der Wundversorgung ist das Débridement. Verschiedene Praktiken stehen zur Auswahl, deren Anwendung von mannigfaltigen Gegebenheiten beeinflusst wird: Zustand des Patienten, Wundcharakteristik, chirurgische Kompetenzen und Möglichkeiten, vorhandene Ressourcen, Kosten.

- Chirurgisches oder scharfes Débridement: Diese Methode findet am häufigsten Anwendung, wobei scharfes chirurgisches Instrumentarium benutzt wird. Drainagen stellen einen ungehinderten Sekretabfluss sicher. Es ist üblicherweise die sicherste, am besten steuerbare, schnellste, aber auch radikalste Art der Wundsanierung und Infektionseindämmung (Abb. 1a, b). u Mechanisches Débridement: Die Entfernung von nekrotischem Gewebe und Débris erfolgt mithilfe trockener Verbände, Wundspülung, Jet-Lavage (Abb. 2).

- Autolytisches Débridement: Kennzeichen dieses Verfahrens ist die Aktivierung körpereigener, insbesondere proteolytischer Enzyme in der Wunde mittels feuchter Wundbehandlung. Hier finden zunehmend hydroaktive Wundauflagen (Hydrogele) Anwendung (Abb. 3).

- Enzymatisches Débridement: Zum Einsatz kommen körperfremde Enzyme, z.B. bakterielle Kollagenasen, um in chronischen, schlecht heilenden Wunden Nekrosen, Blutgerinnsel und fibrinöse Beläge aufzulösen.

- Osmotisches Débridement: Durch die Erzeugung eines osmotischen Gradienten können hyperosmolare Substanzen Flüssigkeit aus der Umgebung anziehen und binden. Ein seit Jahrtausenden bekanntes Heilmittel ist Honig, der eine hohe Konzentration der beiden Einfachzucker Glukose und Fruktose aufweist. Deren osmotische Wirkung wird genutzt, um Beläge aus zulösen, Wunden zu reinigen und Wundödeme zu verringern. Seit einigen Jahren findet pharmazeutisch aufbereiteter Leptospermum- oder Manuka-Honig als zugelassenes Medizinprodukt viel versprechend wieder Eingang in die lokale Wundbehandlung. Dieser Honig wirkt bakterizid (u.a. gegen MRSA, Ps. aeruginosa) und fungizid, antiödematös, antiinflammatorisch, schmerzlindernd und hält zugleich die Wunde feucht (Abb. 4).

- Biochirurgisches Débridement: Bei diesem Verfahren werden sterile lebende Maden der Goldfliege (Lucilia sericata) eingesetzt, um sich deren proteolytische Aktivität zur enzymatische Wundreinigung nutzbar zu machen. Weitere Merkmale sind die antibakterielle Wirkung auch gegen wichtige Wundinfektionserreger, Stimulation der Wundheilung, desodorierende Eigenschaft und fehlende Gewebetoxizität.

Störungen der Wundheilung

In jeder Heilungsphase kann es durch lokale und systemische Faktoren zu Beeinträchtigungen der physiologischen Wundheilung kommen, die u.a. als Serom, Wundrandnekrose und Nahtdehiszenz augenfällig werden. Besonders gefürchtet ist die Wundinfektion.

Antiinfektive Maßnahmen

Jede (traumatische) Wunde ist grundsätzlich als kontaminiert anzusehen. Eine topische Wundbehandlung sollte vorsorglich erfolgen, wenn noch keine bzw. bereits lokale Infektionsanzeichen sichtbar sind. Die Therapie schließt die Wundreinigung in der Wundreinigungsphase, Wundantiseptik und ggf. den systemischen Einsatz von Antibiotika ein.

Wundspüllösungen und Antiseptika

Der Zweck von Wundspülungen ist die Wundsäuberung in allen Phasen der Wundheilung. Sie kommen bei kontaminierten wie infizierten, akuten wie chronischen Wunden zur Auswaschung von Zelltrümmern, Bakterien und Fremdkörpern bzw. unterstützend zur Infektionsbekämpfung oder zum Lösen von Nekrosen und Belägen zum Einsatz. In den vergangenen Jahrzehnten sind diverse Substanzen für die Wundreinigung erprobt worden, u.a. physiologische Kochsalzlösung, Ringerlösung, Leitungswasser, verschiedene Antiseptika wie PVP-Jod, Octenidindihydrochlorid und Polyhexanid.

- Physiologische Kochsalzlösung, Ringer-Lösung: Referenz bei der Beurteilung der Reinigungswirkung ist die Spülung mit steriler physiologischer Kochsalzlösung bzw. Ringer-Lösung. Beide Lösungen weisen weder eine Reizwirkung noch eine Gewebetoxizität auf. Gegenanzeigen und Wechselwirkungen sind nicht bekannt.

- Trinkwasser: Das Ausduschen von Wunden mit Leitungswasser von Trinkwasserqualität ist die einfachste Maßnahme, um eine Wunde zu reinigen. Bis dato gibt es keine Evidenz für ein erhöhtes Infektionsrisiko bei der Reinigung von akuten Wunden mit Leitungswasser gegenüber steriler Kochsalzlösung. Da aber Verkeimungen mit Krankheitserregern im Leitungssystem des Endverbrauchers vorkommen können, empfiehlt sich die Installation von Sterilfiltern an dafür genutzten Wasserauslassen.

Antiseptische Lösungen

Sie sind bei kontaminierten, infektionsgefährdeten und infizierten Wunden angezeigt. Antiseptika können zu einer signifikanten Verringerung der bakteriellen Besiedlung in einer Wunde führen und die Entstehung einer Wundinfektion verhindern. Antiseptische Lösungen ergänzen das chirurgische Débridement, ersetzen es aber nicht. An ein zeitgemäßes Wundantiseptikum werden vielfache Anforderungen gestellt, u.a. sichere antimikrobielle Wirksamkeit, minimale Gewebetoxizität und subjektive Verträglichkeit. Momentan erfüllen nur sehr wenige Substanzen diese Ansprüche. Dazu gehören: Polihexanid, Octenidindihydrochlorid und PVP-Jod, wobei von den drei Substanzen Polihexanid nach aktuellem Kenntnisstand klinisch die beste Verträglichkeit bei sehr guter antiseptischer Wirksamkeit aufzuweisen scheint und zudem die Wundheilung fördert. Allerdings wird wegen des langsamen Wirkungseintritts und der zeitabhängigen Erregerempfindlichkeit eine Mindesteinwirkzeit von 10 – 15 Minuten empfohlen.

Topische Antibiose

Vor dem Hintergrund zunehmender bakterieller Resistenzen wird die Applikation von Lokalantibiotika und systemischen Antibiotika zur topischen Wundbehandlung sowohl in der Human- als auch in der Tiermedizin äußerst kritisch gesehen bzw. als kontraindiziert abgelehnt. Der systemische Einsatz von Antibiotika ist nur bei Vorliegen einer Wundinfektion gerechtfertigt, und zwar möglichst gezielt nach Antibiogramm mit Resistenztest.

Konditionierung der Wunde mit modernen Wundauflagen

Die Rolle von Wundauflagen und die an sie gestellten Anforderungen haben sich aufgrund einer Vielzahl neuerer Erkenntnisse in den letzten Jahren erheblich gewandelt. So ist die Wundauflage selbst zum therapeutischen Prinzip geworden, deren Funktion darin besteht, in jedem Heilungsstadium für optimale Bedingungen zu sorgen. Man spricht von Wundkonditionierung, wenn das in die Wunde eingebrachte Verbandmaterial über den reinigenden auch noch einen granulationsfördernden Reiz auf das Gewebe ausübt und auf diese Weise das Wundbett für die weitere Wundheilung vorbereitet.

Wundauflagentypen

Man unterscheidet konventionelle oder passive, interaktive (besser: hydroaktive) und (bio)aktive Wundauflagen.

- Konventionelle oder passive Wundauflagen: Hierzu zählen alle Verbandsstoffe textilen Charakters, also Kompressen aus Mull oder Vliesstoff sowie alle kombinierten Saugkompressen.

- Interaktive oder hydroaktive Wundauflagen: Hydroaktive Wundauflagen interagieren aufgrund ihrer Materialeigenschaften mit der Wunde. Sie schaffen durch Okklusion ein ausgewogenes, feuchtwarmes Wundmilieu mit einem erniedrigten Sauerstoffpartialdruck und einem verbesserten Schutz vor Wundinfektionen. Diese Therapieform stellt heute die Standardmethode dar, um die Selbstheilung durch phasengerechte Wundversorgung bei sekundär heilenden Wunden zu stärken. Die Vorteile sind eine gute und wirksame Wundreinigung, die verbesserte Bildung von Granulationsgewebe und die beschleunigte Bildung von Epithel.

- Zu den modernen hydroaktiven Wundauflagen gehören Alginate, Hydrofaser, Polyacrylate, Hydrokolloide, Hydrogele, Schaumstoffkompressen/Hydropolymere und semipermeable Polyurethanfolien.

- Antibakterielle und geruchsbindende Wundauflagen: AktivkohleWundauflagen besitzen hohe Adsorptions- bzw. Bindungseigenschaften für Bakterien(toxine), Geruchsmoleküle und Detritus. Sie eignen sich für die Reinigung offener infizierter, infektionsgefährdeter oder übelriechender Wunden. Die Aktivkohlevliese können zusätzlich mit mikrobizid wirkendem elementarem Silber imprägniert sein. Die Wundauflagen dürfen nicht zugeschnitten werden (Abb. 5).

- (Bio)Aktive Wundauflagen: Es handelt sich v.a. um Materialien, die in der Transplantationsmedizin zum definitiven Wundverschluss bzw. in der Verbrennungsmedizin als Zwischenlösung angewendet werden. Dazu gehören u.a. autologe Eigenhaut, lyophilisierte Schweinehaut, Wundverbände auf porziner/boviner Kollagenbasis und mit Wachstumsfaktoren (PDGF) imprägnierte Wundauflagen.

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Literatur beim Autor

Foto: © Dr. Friedrich Röcken

HKP 6 / 2012

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 6 / 2012.
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