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Gegen den Zahnschmerz

Anforderungen an Arzt und Praxis in der Tierzahnheilkunde

Die Behandlung von Zähnen bei Hund, Katze und kleinen Heimtieren ist Standard in der Kleintierpraxis. Ein Ultraschallzahnsteinentfernungsgerät zählt zu den ersten Anschaffungen bei Gründung einer Praxis und gehört zu den Apparaturen, die sich am schnellsten amortisieren. Doch wie weit klaffen Anspruch und Wirklichkeit bei „Zahnbehandlungen“ auseinander? Sind die angewandten Behandlungsverfahren hilfreich für das Tier? Gibt es die Gebührenposition einer allgemeinen „Zahnsanierung“? Ist mit „kleinem Instrumentarium“ eine ausreichende Versorgung gesichert? Ist das notwendige Fachwissen vorhanden? Orientieren sich die Ansprüche der Tierbesitzer an Standards der Humanmedizin? Ist die Zahnbehandlung eine Aufgabe für die tiermedizinische Fachangestellte oder den Tierarzt? Dr. Markus Eickhoff beleuchtet für hundkatzepferd den Stand der Dinge.

Technische Ausstattung

Die Fragen zur Ausstattung einer Kleintierpraxis bezüglich der Tierzahnheilkunde beantworten sich aus dem Umfang, mit dem Zahn-, Mund- und Kieferbehandlungen durchgeführt werden sollen. Geht es um die haustierärztliche Betreuung, um eine gezielte Ernährungsberatung, um Zahnreinigungen bei parodontal gesunden Tieren oder die gelegentliche einfache Zahnextraktion, sind die Anforderungen an die technische Ausstattung gering. Benötigt werden ein Ultraschallzahnsteinentfernungsgerät, ein paar Sonden (zahnärztliche Sonde, parodontale Sonde), Extraktionshebel verschiedener Größen und los geht’s. Sollen dagegen parodontal erkrankte Tiere profund behandelt werden, frakturierte Zähne erhalten werden bzw. im Rahmen einer schwierigen chirurgischen Extraktion entfernt werden oder z. B. FORL (Feline odontoklastische resorptive Läsionen)-Zähne behandelt werden, so bedarf es größerer Ausgaben. Eine „Dremel“- Bohrmaschine ist nicht mehr ausreichend, eine so genannte dentale Einheit wird benötigt. An dieser finden sich Motor und Winkelstücke zum Betrieb rotierenden Instrumentariums, mit welchem z. B. Zähne zerteilt oder Kieferknochen z.B. zur Wurzelrestentfernung bearbeitet werden können. Zusätzlich benötigt man ein objektives Diagnostikum zur Darstellung der Verhältnisse im Kiefer.

Röntgendiagnostik

Keine tiefe Zahnfraktur und kein parodontaler Schaden können ohne röntgenologische Diagnostik verifiziert werden. Zahnröntgenaufnahmen werden notwendig, um Wurzelreste oder Wurzelspitzenentzündungen überhaupt erst zu finden oder die gemessenen parodontalen Taschen in ein parodontales Gesamtbild einordnen zu können. Zahnröntgenaufnahmen werden mithilfe eines dentalen Röntgengerätes erstellt, welches, mit flexiblem Wand- oder Deckenarm oder auf ein Stativ gebaut, im Behandlungsraum betrieben werden kann. Durch dentales Röntgen wird eine überlagerungsfreie Projektion möglich, die durch eine Schädelaufnahme mittels veterinärmedizinischer Röntgeneinheit nicht gewährleistet ist. Die Kosten für die Ermöglichung von Zahnbehandlungen steigen durch diese Investitionen enorm. Entscheiden kann man sich dann noch zwischen konventionellem Röntgen mit Röntgenfilmen und dem digitalen dentalen Röntgen mittels Sensor.

Eine Frage der Behandlungsmethoden

Für nur gelegentliche Zahnbehandlungen liegen die Anschaffungskosten solcher Gerätschaften weit über dem finanziellen Nutzen für die Praxis, der medizinische Nutzen an den zu behandelnden Tieren dagegen ist enorm. Man kann die Spezialisierung in den Behandlungsmethoden noch weiterführen – über den Einsatz von Hochfrequenzchirurgie, den Einsatz eines Lasers oder der Piezochirurgie. Letztlich ist entscheidend, auf welchem Niveau es der jeweiligen Praxis möglich sein soll, Behandlungen anzubieten. Weiterhin muss die Umsetzbarkeit zeitaufwändiger Zahnbehandlungen in den Tagesablauf einer Praxis integrierbar sein: In einer normalen Haustierarztpraxis wird man allein zeitlich oft an Grenzen stoßen. Konsequenterweise muss daher jeder für sich selbst festsetzen, bis zu welchem Grad eine kunstgerechte Versorgung der Tiere im zahnheilkundlichen Bereich angeboten werden kann. Alles, was darüber hinausgeht, soll natürlich nicht einfach unbehandelt bleiben, sondern einer qualifizierten Behandlung bei spezialisierten Kollegen zugeführt werden.

Der Experte ist gefragt

Allein die Ausstattung macht´s natürlich nicht. Das notwendige Fachwissen ist das andere Standbein der profunden Versorgung der Mundhöhle. Durch die gestiegenen Erwartungen der Kundschaft kann das Wissen hierzu nicht gänzlich im Studium vermittelt werden, postgraduierte Fortbildung tut daher not. Spezialisierungen in der Tierzahnheilkunde können durch die Angabe der Zusatzbezeichnung Tierzahnheilkunde oder mittlerweile auch durch einen Fachtierarzttitel kenntlich gemacht werden, bedürfen jedoch logischerweise entsprechender Nachweise, einer ausreichenden Anzahl von Behandlungen und Fortbildungen sowie des Ablegens der jeweiligen Prüfung. Die Zeiten, in denen die Zahnbehandlung als Nebenbeschäftigung der Tierarzthelferin im Rahmen einer anderen, „wichtigeren“ Operation nebenher „mitgemacht“ wurde, sollten ein für alle Mal vorbei sein. Die tiermedizinische Fachangestellte ist in die Durchführung z. B. prophylaktischer Maßnahmen in jedem Fall einzubinden. Wichtig ist die fachkundige Unterweisung und Überwachung der Behandlungen sowie die Durchführung zahnheilkundlicher Maßnahmen durch den Tierarzt selbst, wenn eine ärztliche Tätigkeit erforderlich ist wie z. B. bei einer Zahnextraktion.

Tiergesundheit im Fokus

Die Nachfrage nach zahnärztlichen Behandlungen wird je nach Typus des Tierbesitzers und auch regional abhängig sehr unterschiedlich sein. Unabhängig vom Anspruch des Besitzers sollte jedoch die fachgerechte Versorgung des Tieres im Fokus stehen. Und dort gibt es eine ausreichende Variationsbreite, um Tierbesitzer und Tier gerecht zu werden. Primäres Ziel ist die Entzündungsund Schmerzfreiheit des Tieres, alles Weitere (Zahnerhaltung, Ästhetik etc.) ist Zugabe. Nicht zu unterschätzen ist auch die Verbundenheit der Besitzer von kleinen Heimtieren mit diesen. Damit sind nicht die Situationen gemeint, in denen einem kleinen Kind als „neues Spielzeug“ ein Kaninchen oder Meerschweinchen geschenkt wird. Notwendige Behandlungsmaßnahmen werden in diesen Fällen häufig aufgrund überhaupt entstehender Kosten durch die Eltern abgelehnt. Das Individuum als Familienmitglied dagegen, egal, ob Hund, Katze, Kaninchen, Meerschweinchen oder Chinchilla, ist dem Besitzer emotional sehr wertig, und er ist auch bereit, alles Notwendige zu tun, um die Gesundheit seines Tieres zu erhalten.

dr.markuseickhoff@vet-dent.com

HKP 2 / 2010

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 2 / 2010.
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Der Autor:

Dr. Birte Reinhold, ICHTHYOL-GESELLSCHAFT
„Endlich hat sich hundkatzepferd zum Fachmagazin für den Tierarzt entwickelt. In der Ausgabe 03/12 fielen neben informativen Neuigkeiten aus dem Praxisbereich und den lustigen Nachrichten aus der Tierwelt viele anspruchsvolle und praxisrelevante Fachartikel in einem ungewöhnlich anschaulichen und erfrischenden Design auf. Auch ein Fachmagazin kann unterhaltsam sein und taugt somit auch nach einem anstrengenden Arbeitstag noch zur Feierabendlektüre im Gartenstuhl. Gefällt mir!“
Prof. Dr. Arwid Daugschies, Universität Leipzig, Veterinärmedizinische Fakultät – VMF
„hundkatzepferd serviert dem Leser den aktuellen Wissensstand in leicht verdaulicher Form. In Zeiten einer erdrückenden Informationsflut tut es gut, wenn solides Wissen auch in erfrischend entspannter Art angeboten wird.“
Dr. Anja Stahn ( Leitung der Geschäftseinheit VET in Europa und Middle East bei der Alere )
Die hundkatzepferd begleitet mich nun schon seit einigen Jahren. Nach wie vor begeistern mich
die Aufmachung, der fachliche und informative Inhalt sowie und die beeindruckenden Fotos des
Fachmagazins. Ganz deutlich ist seit einigen Monaten eine noch stärkere Ausrichtung auf die Belange
und Interessen der Tierärzteschaft zu erkennen. Dies ist sehr erfreulich. Das Magazin gehört in jede
Praxis und sollte unterhaltsame „Pflichtlektüre“ für das ganze Praxisteam sein.