Adel und Noblesse
Adel und NoblesseGeschichte und Kriterien der LipizzanerzuchtIn Piber, dem Lipizzanergestüt der Spanischen Hofreitschule, werden seit über 200 Jahren mit großem Erfolg Pferde gezüchtet. Das österreichische Bundesgestüt verfolgt die wichtige Aufgabe, die älteste Kulturpferderasse Europas und die berühmten Akteure der Spanischen Hofreitschule Wien zu erhalten. Dr. Max Dobretsberger blickt für hundkatzepferd auf die Geschichte der Zuchtarbeit des ehemals barocken Prunk- und Paradepferdes. Traditionsreiche Zucht
Schon um 1100 wird Piber, 45 Kilometer westlich von Graz gelegen, zum ersten Mal erwähnt. Bis 1696 war es eine Domäne des in der Obersteiermark gelegenen Stiftes St. Lambrecht, dessen Äbte das frühbarocke Schloss Piber errichten ließen. Kaiser Josef II verfügte 1796 die Überführung der Domäne in den staatlichen Besitz, zwei Jahre später wurde die Verwendung als Staatsgestüt bestimmt. Die Lipizzanerzucht in Piber baut auf den Nachkommen der Originalherde des ehemaligen Kaiserlichen Hofgestüts Lipica auf und verfolgt nach wie vor das alte Zuchtziel: die besten Lipizzanerhengste zu züchten, die an die Spanische Hofreitschule nach Wien zur Ausbildung kommen. Sie begeistern dort jährlich weit über 150.000 Besucher aus aller Welt. Das Gestüt beherbergt derzeit ca. 250 Pferde, davon 70 Mutterstuten, Jungtiere, Pferde für die Ausbildung und zur Präsentation bei Gestütsveranstaltungen und jene Stuten und Hengste, die aus Altersgründen ihre Pension genießen. Als Deckhengste werden die rund 70 Schulhengste der Spanischen Hofreitschule eingesetzt.
Besonderer Wert wurde auf Charakter und Ausdruck gelegt: dies ist vor allem am großen, ruhigen Auge erkennbar. So wurde in der Auswahl der Zuchttiere besonders auf feine edle Köpfe, große Augen und Feinheit im Knochenbau bei betonten, genügend kräftigen Gelenken geachtet. Die Größe des Lipizzaners wurde immer genau beachtet, das traditionelle Stockmaß liegt bei 153 cm bis 158 cm. Auch einer zusätzlichen Verwendung des Lipizzaners, beispielsweise im Gespannfahren, wurde Beachtung geschenkt.
Die Dokumentation der Zuchtarbeit kann auf einer einmaligen Grundlage geführt werden, so verfügt Piber mit den Originalzuchtbüchern des Hofgestütes Lipica, den Büchern aus dem Staatsgestüt Radautz und allen Unterlagen aus der Zeit der Evakuierung und Rückführung im Zuge des 2. Weltkrieges über ein einzigartiges Archiv. Es ermöglicht die Überprüfung der Abstammung der Pferde bis zum jeweiligen Liniengründer bzw. zur jeweiligen Familiengründerin – eine Forderung übrigens, die rein gezogene Lipizzaner erfüllen müssen. Zuchtkriterien des Lipizzaners Das Exterieur Der Typ des Lipizzaners wirkt elegant, mittelgroß und kompakt; charakteristisch für den Lipizzaner ist der ausdrucksvolle und lang gestreckte Kopf mit dem mehr oder minder stark geramsten Profil, den großen, lebhaften und klugen Augen und kurzen, gut angesetzten Ohren. Der markante Ramskopf ist auf den altspanischen Einfluss zurückzuführen. Die Ganaschen sind stark ausgeprägt, der Hals ist ziemlich hoch aufgesetzt, stark, nicht sehr lang und nicht selten mit deutlichem Unterhals. Auch die Beine sind kurz und kräftig gebaut; der Körper ist gedrungen, die Brust breit, die Schulter oft einwenig steil, mit wenig ausgeprägtem Widerrist. Die kleinen, schmalen Hufe sind von harter, zäher Hornbeschaffenheit. Die Bewegungen wirken graziös und sind durch einen federnden Gang ausgezeichnet. Bei Gestütspferden ist die Schimmelfarbe dominierend, sie ist mit etwa 10 Jahren ausgefärbt, oft mit Krötenmaul und gelegentlich nackten Ringen um die Augen. Auch nach zahlreichen Schimmelgenerationen fallen immer wieder einmal Dunkelbraune oder Rappen von zwei Schimmeleltern. Mähnen- und Schweifhaar sind fein und dicht. Die Widerristhöhe variiert heute bis 162 cm Stockmaß. Das Interieur, Typ und Verwendung Der Lipizzaner ist vom Typ her das barocke Schulpferd „par excellence“. Seine hohe Intelligenz und außerordentliche Gelehrigkeit, sein durch und durch anständiger Charakter und das fast völlige Fehlen von „Hengstmanieren“ sowie der angeborene hohe Kniebug befähigen ihn vor allen anderen Rassen, die Lektionen der Hohen Schule auf und über der Erde zu erlernen. Die Stuten eignen sich auch als elegante, leichte Wagenpferde. Der Lipizzaner eignet sich ebenfalls hervorragend als Freizeitund Familienpferd. Die ungarischen und vor allem die slowenischen, kroatischen und rumänischen Lipizzaner der Landespferdezucht sind ausdauernde, genügsame, robuste Wirtschaftspferde. Der Lipizzaner ist im Allgemeinen ein spätreifes Pferd und erst mit etwa sieben Jahren voll ausgewachsen und entwickelt, dabei langlebig und fruchtbar. Die Mechanik Der Schritt ist verhältnismäßig kurz, der Trab elastisch mit hoher Knieaktion und energischem Antritt aus der Hinterhand, die den Lipizzaner für den berühmten „Spanischen Schritt“, für die Schulgangarten Piaffe und Passage prädestiniert. Der Galopp ist nicht besonders raumgreifend, rund und nicht sehr leichtfüßig.
Foto:Junghengste im |
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