Core-Komponenten - Komplikationen von Impfungen und deren Vermeidung
Core-Komponenten - Komplikationen von Impfungen und deren VermeidungAktuelle Fragen bei der Impfung der KatzeEmpfehlungen zur Impfung von Katzen sind in verschiedenen nationalen und internationalen Leitlinien definiert. Erstellt haben diese die Ständige Impfkommission Veterinär im BpT (StIKo Vet) und das Europäische Advisory Board on Cat Diseases (ABCD). Die Unterteilung in Core- und Non-Core-Komponenten erleichtert die Diskussion um die Notwendigkeit einer regelmäßigen Impfung gegen bestimmte, für die Katze oder den Menschen gefährliche Erreger. Dies ist wichtig, denn ein Impfschutz gegen die Erreger der Core-Komponenten sollte zu jeder Zeit bestehen. Im ersten Teil des Artikels wird über Komplikationen von Impfungen und deren Vermeidung berichtet. Tollwut als Core-Komponente?
Derzeit wird die Frage der Einteilung der Tollwut-Komponente als Core-Vakzine aufgeworfen. Ist die Impfung gegen Tollwut von reinen Wohnungskatzen sicher nicht notwendig, gestaltet sich hingegen die Diskussion um die Impfung von Freigängern kontrovers. Deutschland ist seit 2008 tollwutfrei. Die Wahrscheinlichkeit, dass in Deutschland eine Katze Kontakt zum Tollwutvirus hat, ist außerordentlich gering und nur durch illegal eingeführte Tiere theoretisch möglich. Eine Gefährdung durch andere Lyssaviren („Fledermaustollwut“) kann zwar nicht ausgeschlossen werden, ist aber aufgrund der Biologie und Epidemiologie dieser Viren noch geringer. Feline Injection Site Sarcoma Die schwer wiegendste Nebenwirkung von Impfungen bei Katzen ist das „Feline Injection Site Sarcoma“ (FISS), das an der Injektionsstelle einer Impfung entstehen kann. Erstmals 1991 wurde in den USA über eine Zunahme dieser Tumoren bei Katzen an typischen Injektionsstellen berichtet und diese Zunahme in Verbindung mit einem vermehrten Einsatz von Impfungen gegen Tollwut und das feline Leukämievirus (FeLV) gebracht. Inzwischen gibt es viele epidemiologische Daten, die die Verbindung zwischen Impfungen und Entstehung dieser FISS beweisen. FISS treten bei circa 1 – 4 von 10.000 geimpften Katzen auf; eine von 35 – 40 entzündlichen Reaktionen nach Impfung führt zu FISS. FISS können vier Monate bis etwa drei Jahre nach der Impfung entstehen. Bei den meisten FISS handelt es sich um Fibrosarkome, aber auch Osteo-, Chondro- oder Rhabdomyosarkome wurden beschrieben.
Abb.1: Injection site-associated sarcoma nach Impfung
Pathogenese Die genaue Entstehung der FISS ist nach wie vor nicht eindeutig geklärt. Man geht jedoch davon aus, dass chronische Entzündungsreaktionen an einer Injektionsstelle der Auslöser für die bösartige Entartung sind. Vor allem adjuvanshaltige Vakzinen werden mit der Entstehung von FISS in Verbindung gebracht, da diese Impfungen mit einer deutlicheren lokalen Entzündung einhergehen. Häufig findet man Reste von Adjuvans in histologischen oder ultrastrukturellen Bildern. Zu den meisten attenuierten Impfstoffen wird ein Adjuvans hinzugefügt, um eine Entzündung an der Injek- tionsstelle zu fördern, die beabsichtigt und nötig ist, wenn ein Totwirkstoff verwendet wird, um die notwendige Immunantwort auszulösen. Doch gerade diese Entzündungsreaktion kann dann zur Entstehung der Tumoren führen. Zunächst wurde nur ein Zusammenhang zwischen Tollwut- und FeLV-Impfung und FISS vermutet, aber inzwischen weiß man, dass generell jede Reizung zur Entstehung führen kann. So wurden FISS in einzelnen Fällen auch durch Verabreichung anderer Vakzinen, z. B. gegen das feline Panleukopenie- (FPV), das feline Herpesvirus 1 (FHV-1) und das feline Calicivirus (FCV), nach Injektionen von langwirksamen Medikamenten wie Glukokortikoiden, aber auch Penicillin, Lufenuron oder Meloxicam oder sogar durch Fremdkörper oder Mikrochips ausgelöst. Demnach kann prinzipiell jede Entzündungsreaktion zur Entstehung eines FISS führen, aber das Risiko ist bei Impfstoffen höher als bei anderen Injektionen, und unter den Impfstoffen ist das Risiko höher, wenn adjuvanshaltige Vakzinen verwendet werden. Eine kürzlich erschienene Studie bewies den Zusammenhang zwischen der Applikation von Impfstoffen und anderer Injektionen und der Entstehung von FISS. Von 192 Katzen mit Sarkomen waren 101 innerhalb der letzten drei Jahre an der Stelle der Tumorbildung geimpft worden und 23 hatten andere Injektionen erhalten. Inaktivierte adjuvanshaltige Vakzinen waren signifikant häufiger an der Entstehung der FISS beteiligt als andere Vakzinen; von 35 geimpften Katzen mit FISS an der Hintergliedmaße hatten 25 adjuvanshaltige Vakzinen, sieben Lebendvakzinen (FPV, FHV-1 und FCV) und nur eine Katze hatte eine rekombinante Vakzine erhalten. Prävention Zur Prävention von FISS gelten drei grundsätzliche Überlegungen. Erstens sollten Injektionen bei Katzen immer an Stellen stattfinden, an denen, falls nötig, eine chirurgische Entfernung des Tumors möglichst zu einer Heilung führt (wie zum Beispiel durch Amputation eines Beins). Weiterhin sollten einige generelle Empfehlungen beachtet werden, um eine Entzündungsreaktion an Injektionsstellen zu vermeiden (wie die Vermeidung der Applikation reizender Substanzen). Und drittens sollte so wenig wie möglich (aber so viel wie nötig) geimpft werden. In den USA wird von der Vaccine-Associated Feline Sarcoma Task Force der American Association of Feline Practitioners (AAFP) seit 1996 eine Applikation von Impfstoffen distal in die Gliedmaßen empfohlen. Eine Studie untersuchte, wie gut Tierärzte in den USA sich an diese Empfehlungen halten. Seit der Publikation der Empfehlungen nahm der Anteil an FISS zwischen den Schulterblättern (53 % auf 40 %) und an der rechten und linken Thoraxwand (10 % auf 4 % bzw. 9 % auf 1 %) ab, während die Anteile an den Gliedmaßen und der Abdominalwand zunahmen. Demnach richten sich Tierärzte nur teilweise nach den Empfehlungen. Eine Studie bei Patienten der Onkologie der Medizinischen Kleintierklinik in München zeigte ähnliche Ergebnisse. Auch in Deutschland liegen die meisten FISS immer noch zwischen den Schulterblättern (40 %), gefolgt von der rechten (19 %) und der linken (13 %) Thoraxwand. Eine kürzlich durchgeführte Umfrage unter auf Tumorchirurgie spezialisierten Tierärzten zeigte, dass diese als Injektionsstellen Bereiche distal des Knies, gefolgt von Bereichen distal des Ellbogens bevorzugten. Fast genauso beliebt war der Schwanz, der jedoch zur Verabreichung einer Impfung nicht infrage kommt. Daher empfiehlt die Impfexpertengruppe der AAFP in ihren Richtlinien, dass Impfstoffe gegen FPV, FHV-1 und FCV unterhalb des rechten Ellbogens, FeLV-Vakzinen unterhalb des linken Knies und Tollwutimpfstoffe unterhalb des rechten Knies injiziert werden sollten. Die Applikation von Vakzinen (oder anderen Injektionen) zwischen die Schulterblätter ist grundsätzlich kontraindiziert. Weiterhin ist das Monitoring der Injektionsstellen nach der Impfung wichtig. Tierärzte sollten die Besitzer darauf hinweisen, Impf- (oder Injektions-) stellen hinsichtlich Schwellung oder Knotenbildung zu beobachten, um potenzielle Sarkome frühzeitig und zu einem Zeitpunkt zu erkennen, an dem sie noch erfolgreich entfernt werden können. Die Besitzer sollten die „3-2-1“-Regel beachten. Eine Biopsie oder komplette Entfernung sowie histologische Untersuchung einer Umfangsvermehrung ist immer angezeigt, wenn der „Knubbel“ drei Monate nach der Impfung immer noch vorhanden ist, wenn er größer als zwei Zentimeter im Durchmesser ist oder wenn er innerhalb eines Monats nach der Impfung an Größe zunimmt. Im nächsten Heft lesen Sie den zweiten Teil dieses Artikels. Foto: © istockphoto.com| Carmen Martínez Banús Abb.: Prof. Johannes Hirschberger |
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