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Schilddrüsenüberfunktion der Katze

Schilddrüsenüberfunktion der Katze

Die Schilddrüsenüberfunktion der Katze wurde erstmalig 1979 in der Literatur beschrieben und hat sich seitdem zur am häufigsten diagnostizierten endokrinen Erkrankung der Katze entwickelt. Die Prävalenz der Schilddrüsenüberfunktion liegt bei älteren Katzen in einigen Regionen bei über 10 %. Im Durchschnitt beginnt die Erkrankung mit 12 – 13 Jahren. Nur 5 % der Fälle werden bei Katzen unter 10 Jahren diagnostiziert. Die Mehrzahl der Studien ergab keine Rasse- oder Geschlechtsdisposition.

Die Erkrankung wird heute in ihrem Verlauf zunehmend früher diagnostiziert, da viele Labore die Abklärung der Schilddrüsenfunktion in ihre Geriatrie-Screeningprofile aufgenommen haben. So diagnostiziert man heute Katzen mit einer Schild- drüsenüberfunktion, denen man ihre Erkrankung nicht mehr wie früher auf den ersten Blick ansieht.

Stoffwechsel auf Hochtouren

Die Ursache der Schilddrüsenüberfunktion ist autonomes Schilddrüsengewebe, das im Überschuss Schilddrüsenhormone synthetisiert und in den Blutkreislauf freisetzt. Meist handelt es sich um Adenome. Schilddrüsenhormone stimulieren die Stoffwechselaktivität des Organismus. Der Energiebedarf des Körpers steigt zunehmend an und die Katzen nehmen kompensatorisch deutlich mehr Nahrung auf, verlieren später aber trotzdem an Körpergewicht. Der Sauerstoffbedarf der Zellen erhöht sich, was zu einer vermehrten Belastung des Herzens führt. Die Katzen werden hyperaktiv und reizbar. Oft kommt es auch zu Erbrechen und Durchfall. Nicht selten ist das veränderte Schilddrüsengewebe im Halsbereich als derber Knoten tastbar.

Ursache unbekannt

Die Ursache für die rapide Zunahme der Schilddrüsenüberfunktion innerhalb der letzten gut 30 Jahre ist nach wie vor unklar. Sehr wahrscheinlich sind mehrere Ernährungs- und Umweltfaktoren für die Entstehung dieser Erkrankung verantwortlich. Besonders die Fütterung von Katzennahrung aus Dosen – insbesondere Ringpull Dosen – steht im Verdacht, die Krankheitsentstehung zu fördern. Diese Dosen sind im Innern mit Lacken ausgekleidet, die beim Erhitzungsprozess hormonell aktive Chemikalien wie Bisphenol-A freisetzen. Auch Isoflavone aus Sojaprotein stehen im Verdacht, an der Entstehung der Schilddrüsenüberfunktion beteiligt zu sein. Sehr wahrscheinlich spielt auch der extrem unter- schiedliche Gehalt an Jod in der Katzennahrung eine Rolle. Als Umweltfaktoren werden Insektizide gegen Flöhe, Pflanzenschutzmittel, Düngemittel und Flammhemmstoffe als mögliche Ursache diskutiert.

Therapiemöglichkeiten

Die Therapie der Schilddrüsenüberfunktion zielt auf eine Normalisierung der Schilddrüsenhormonkonzentrationen. Dieses Ziel kann durch eine Blockade der Hormonsynthese sowie durch eine Entfernung oder Zerstörung des autonom-aktiven Schilddrüsengewebes erreicht werden.

Mögliche Begleiterscheinungen

Beide Ansätze haben Vor- und Nachteile, sodass die optimale Therapie individuell festgelegt werden sollte. Vor allem das Alter und der sonstige Gesundheitszustand sollten in die Therapieentscheidung mit einbezogen werden.
Die Schilddrüsenüberfunktion kann eine Niereninsuffizienz maskieren. Da die Schild-drüsenüberfunktion zu einer Erhöhung der glomerulären Filtrationsrate führt, erscheinen die Nierenparameter im Blut besser als in einer euthyreoten Stoffwechselsituation. Bringt man die Schilddrüsenfunktion wieder in den physiologischen Bereich, kann es sein, dass eine bisher kompensierte Niereninsuffizienz sich drastisch verschlechtert. Es ist deshalb ratsam, vor einer OP oder der Radiojodtherapie die Katze für einige Zeit auf Carbimazol oder Thiamazol zu setzten und die Nierenwerte zu kontrollieren. Sollte die Katze mit einer deutlichen Verschlechterung der Nierenfunktion reagieren, ist es nicht sinnvoll, eine OP oder die Radiojodtherapie durchzuführen. In so einem Fall kann es sinnvoll sein, die Dosis der Schilddrüsenmedikamente so zu wählen, dass die Schilddrüsenüberfunktion zwar gelindert, die Nierenfunktion aber noch in einem akzeptablen Bereich liegt. Die Behandlung stellt dann eine Gratwanderung zwischen der Schilddrüsenüberfunktion und der Niereninsuffizienz dar. Wird die Schilddrüsenüberfunktion durch eine Hemmung der Schilddrüsenhormonsynthese behandelt, muss man sich darüber im Klaren sein, dass hier nur eine symptomatische Behandlung erfolgt. Eine medikamentöse Therapie ist in der Regel über Jahre problemlos durchführbar, das der Schilddrüsenüberfunktion zu Grunde liegende autonome Schilddrüsengewebe wird sich aber häufig mit der Zeit deutlich vergrößern, sodass meist eine Dosisanpassung der Medikamente notwendig wird. Es verdichten sich zudem auch Hinweise, dass sich im Verlauf der lebenslang notwendigen Therapie aus den zunächst meist gutartigen Schilddrüsenveränderungen ein Schilddrüsenkarzinom entwickeln kann. Wird eine Schilddrüsenüberfunktion sehr früh im Leben einer Katze diagnostiziert, wäre es für die Katze somit vorteilhaft, wenn das veränderte Schilddrüsengewebe durch eine OP entfernt oder durch die Radiojodtherapie zerstört wird.

Individuelle Medikation

Für die medikamentöse Therapie sind in Deutschland Medikamente mit den Wirkstoffen Carbimazol und Thiamazol (Methimazol) zugelassen. Carbimazol wird nach der Resorption schnell zur Wirkform Thiamazol umgewandelt. Seit einiger Zeit ist für die Katze ein Medikament mit Carbimazol in retardierter Form zugelassen, sodass im Gegensatz zum früher verwendeten Humanpräparat eine einmal tägliche Verabreichung ausreicht. Die Tablette darf allerdings nicht zermörsert werden, da sonst die Retardierung verloren geht. Thiamazol wird aktiv vom Schilddrüsengewebe aufgenommen und wirkt dort für annähernd 20 Stunden. Vorzugsweise empfiehlt sich somit eine zweimal tägliche Verabreichung. Sollte sich die Tablettengabe als schwierig erweisen ist oft eine einmal tägliche Verabreichung der Gesamtdosis möglich. Auch diese Tablette sollte nicht zermörsert werden, da Thiamazol im Gegensatz zum geschmacklosen Carbimazol bitter ist.
Katzen, bei denen die orale Verabreichung scheitert, können auch mit einem vom Apotheker speziell hergestellten Ohrengel behandelt werden, das in die Innenflächen der Ohren eingerieben wird (der Besitzer muss dabei Schutzhandschuhe tragen). Die Wirkstoffaufnahme und der Therapieerfolg sind nicht ganz so sicher wie bei der oralen Verabreichung und es sind auch die arzneimittelrechtlichen Bestimmungen zu beachten. Des Weiteren ist eine humanmedizinische Thiamazol Injektionslösung verfügbar, die täglich s.c. vom Besitzer verabreicht werden kann.
Nebenwirkungen können sowohl bei Thiamazol als auch bei Carbimazol auftreten, werden laut Literatur bei Carbimazol aber seltener und weniger ausgeprägt gesehen. Bei den Nebenwirkungen handelt es sich meist um vorübergehende Erscheinungen wie Anorexie, Erbrechen und Lethargie. Seltener kommt es zu Juckreiz an Kopf und Hals, was mit ausgedehnten Exkoriationen einhergehen kann. Schwer wiegendere Nebenwirkungen sind Störungen der Hämatogenese (Neutropenie, Thrombozytopenie) sowie Hepatopathien.

Weitere Ansätze

Seit einigen Monaten ist auch eine Spezialdiät mit einem begrenzten Jodgehalt verfügbar, wodurch das Schilddrüsengewebe nur eine bestimmte Menge an Schilddrüsenhormonen synthetisieren kann. Damit die Nahrung wirken kann, dürfen die Katzen bis an ihr Lebensende nur noch mit dieser Diät ernährt werden, was sich in vielen Fällen (Freigänger, individuelle Futterpräferenzen etc.) vermutlich als schwierig erweisen dürfte.
Strebt man neben der Normalisierung der Schilddrüsenstoffwechsellage eine kom- plette Heilung der Schilddrüsenüberfunktion an, ist eine operative Entfernung oder die Durchführung einer Radiojodtherapie notwendig. Für die Operation ist wichtig zu wissen, dass in über 70 % der Fälle beide Schilddrüsenlappen betroffen sind. Beim operativen Vorgehen muss unbedingt darauf geachtet werden, dass die lebensnotwendige Funktion der Nebenschilddrüse erhalten bleibt, da es sonst zu lebensbedrohlichen Störungen des Kalzium-Elektrolythaushaltes nach der Operation kommen kann. Da die Schilddrüse lediglich locker im Bindegewebe verankert ist, kann es sein, dass größere Schilddrüsentumore der Schwerkraft folgend in die Brusthöhle wandern und chirurgisch nicht mehr ohne Weiteres zugänglich sind. Ebenso kann chirurgisch nur schwer erreichbares ektopes Schilddrüsengewebe für die Schilddrüsenüberfunktion verantwortlich sein. Will man vor einer Operation genau wissen, wo sich überall funktionell aktives Schilddrüsengewebe befindet, ist eine Szintigrafie mit radioaktivem Technetium- 99 m notwendig.
Die eleganteste Möglichkeit der Heilung von der Schilddrüsenüberfunktion stellt die Radiojodtherapie dar. Hierbei wird der Katze Jod131 verabreicht. Das radioaktive Jod131 wird fast nur von den autonomen Schilddrüsenzellen aufgenommen und gespeichert. Jod131 zerfällt mit einer physikalischen Halbwertszeit von 8,02 Tagen unter Aussendung von Gamma- und Betastrahlen zum stabilen Xenon131. Während die meiste Gammastrahlung des radioaktiven Zerfalls den Körper einfach verlässt, schädigt die Betastrahlung (schnelle Elektronen aus dem Atomkern) die Zellen am Zerfallsort. Im Gewebe beträgt die Reichweite der Betastrahlen nur wenige Millimeter, sodass bei genügender Dosis die autonomen Schilddrüsenzellen soweit geschädigt werden, dass diese absterben. Durch die geringe Reichweite wird das nicht aktive gesunde Schilddrüsengewebe weitgehend geschont und entwickelt sich nach Stimulation des wieder ansteigenden TSH zu funktionell aktivem Schilddrüsengewebe. Selten, eventuell erst nach Jahren, kann es nach einer Radiojodtherapie zur Ausbildung einer Unterfunktion der Schilddrüse kommen. Der Nachteil dieser Therapie ist ihre in Deutschland (noch) geringe Verfügbarkeit. Dies hängt mit den strahlenschutzrechtlichen Bestimmungen und den damit verbundenen hohen Auflagen zusammen. Mit Jod 131 behandelte Katzen müssen zudem eine gewisse Zeit stationär in einem strahlenschutzrechtlichen Kontrollbereich gehalten werden, bevor sie nach Unterschreiten eines Grenzwertes wieder entlassen werden dürfen. Regelmäßige Laborkontrollen sind auch hier – wie bei allen Therapieformen notwendig.

Foto: © Michael Knietsch

HKP 8 / 2012

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 8 / 2012.
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