Tierärzte & Kliniken
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Dr. Holger Fischer
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Entnahme von Knochenmark aus dem Sternum am stehenden Pferd
Entnahme von Knochenmark aus dem Sternum am stehenden PferdErsatzteile gefällig?Innovative Therapien haben in den letzten Jahren vor allem in der Pferdemedizin stark an Bedeutung gewonnen. Selbst wenn bislang noch recht wenige Studien zur Wirkungsweise und „Heilkraft“ solcher innovativer Methoden zur Verfügung stehen, sind sowohl Stammzelltherapien als auch Therapien wie IRAP und PRP im Bereich der Reiterei in aller Munde. Dr. Kerstin Fischer und Dr. Holger Fischer geben einen Überblick. Hintergrund aller „innovativen Therapien“ ist die Suche nach einer Therapieform, die eine Ausheilung des geschädigten Gewebes mit möglichst geringer Bildung von Narbengewebe gewährleistet (dazu auch [2], [3]). Ziel ist es, einen Status quo nach der Ausheilungsphase zu erreichen, der den Gewebestrukturen vor der Verletzung möglichst nahekommt. Für die Anwendung von ACS und PRP (Platelet Rich Plasma) Therapien sind mittlerweile unterschiedliche Kits auf dem Markt (Arthrex/Orthogen Veterinary). Sofern man in seiner Pferdepraxis eine Zentrifuge besitzt, bereitet die Anwendung dieser Therapien keine Schwierigkeiten. Die Gewinnung und Anzüchtung von autologen mesenchymalen Stammzellen war bislang auf eine kleinere Anzahl von Klinikern beschränkt. Doch durch die zunehmende Anzahl von Labors, die dies anbieten, besteht mittlerweile auch für den Tierarzt ohne Klinikbetrieb die Möglichkeit, durch eine Anzüchtung von Zellen in Fremdlabors dieses aktuelle Therapieverfahren für seine Praxis zu nutzen. In der Regel finden in der Pferdemedizin somatische mesenchymale Stammzellen Anwendung, die aus dem Sternum oder Ileum des Pferdes gewonnen werden. Kurzer Exkurs: Was sind Stammzellen? Im Grunde genommen sind Stammzellen Körperzellen, die noch nicht ausdifferenziert sind, also bislang nicht in einer Form vorliegen, die sie für ihre Verwendung in Körperorganen/-systemen spezialisieren. Gemäß ihrer Herkunft unterscheidet man embryonale Stammzellen, also aus Blastozyten von Säugetieren in vitro gewonnene Zellen (Gruppe 1). Sie sorgen im Humanbereich immer wieder für Diskussionspotenzial. Die zweite Gruppe sind die somatischen Stammzellen. Sie sind nach der Geburt im Körper des Säugetieres vorhanden und befinden sich in höherer Zahl z.B. im Knochenmark, dem Fettgewebe, der Leber und auch dem Gehirn. Sie stellen quasi Ersatzzellen dar, die sich im Laufe des Lebens immer noch ausdifferenzieren können. Barry [1] geht davon aus, dass sich mesenchymale Stammzellen sowohl in Zielzellen umwandeln als auch eine Transmitterfunktion ausführen können. In der Regel handelt es sich in der Pferdemedizin um die Anwendung von autologen multipotenten Zellen aus dem Knochenmark. Es finden sich im Internet jedoch auch Hinweise auf die Verwendung von Nabelschnurblut in verschiedenen Kliniken. Als Indikationen der Stammzelltherapie bei Pferden stehen Tendinitiden/Tendinosen sowie Arthrosen im Vordergrund. Durch eine Vermeidung von Narbengewebe während der Heilungsphase soll möglichst die ursprüngliche Funktionalität des Gewebes wieder erreicht werden. Häufige Indikationen sind u.a. Schäden in den proximalen Abschnitten der Fesselträger, den Gleichbeinbändern und den Collateralbändern des Hufgelenkes. Nach neueren Veröffentlichungen zeigen Stammzellen auch bei Gelenkserkrankungen mit Meniskusschäden oder Knorpelschäden eine sehr gute Wirksamkeit [2]. Im Grunde gibt es zwei unterschiedliche Gewinnungsweisen von mesenchymalen Stammzellen: - Die Gewinnung aus Fettzellen Die Gewinnung aus Knochenmark mit anschließender Anzüchtung und erst dann folgender Implantation oder die direkte Übertragung. Da sich im Rahmen der Anzüchtung aus Knochenmarkpunktat die größte Menge an multipotenten Zellen gewinnen lässt, wird diese Methode zurzeit von den meisten Klinikern bevorzugt. Die Entnahme Bevor Sie eine Stammzellentnahme durchführen, setzen Sie sich bitte mit einem geeigneten Labor in Verbindung und klären Sie die Modalitäten für den Versand genau ab. Die Entnahme von Stammzellen führt unsere Klinik bevorzugt am stehenden, sedierten Pferd im Bereich des Sternums durch. Auch die Entnahme aus dem Ileum des Pferdes ist möglich. Sie hat sich allerdings bei unserem älteren Klientel als schwer praktikabel erwiesen, da sich mit zunehmendem Alter die Knochenmarkräume verkleinern. Bei der Vorbereitung ist auf eine ruhige Atmosphäre und einen hellen, trockenen Platz zu achten. Nur bei geeigneter Vorbereitung der Umgebung lassen sich die nachfolgenden Schritte relativ komplikationslos durchführen. Die Sicherheit des Tierarztes sollte immer gewährleistet sein. Ebenso sollten vor der Durchführung des Eingriffs die Patientenbesitzer über die anatomischen Gegebenheiten und die Risiken des Eingriffs ausführlich aufgeklärt werden. Folgendes wird für die Knochenmarkpunktion benötigt: - Medikation zur Sedation, z.B. Detomidin/Butorphanol-Kombination - Lokalanästhetikum, z.B. Mepivacain - 1 x Skalpellhalter mit No. 15 Skalpellklinge - 1 x 11G 4“ Biopsiekanüle (z.B. Knochenmarkextraktionskanüle 11 G, Länge 10 cm mit seitlichen Öffnungen zur Aspiration; von Walter Veterinär-Instrumente) - Heparin 25.000 I.E/5 ml - 2 x Serumröhrchen zur Serumgewinnung - 3 x 20 ml-Spritzen - evtl. kleinere Spritzen zur Direktübertragung von Knochenmarkpunktat (nicht in Gelenke) - Hautklammerer (z.B. Leukoclip™) - Schermaschine/Einwegrasierer/med. Seife/Alkohol/Jod-PVP-Lsg./Tupfer zur Vorbereitung des OP-Feldes - Taschenlampe/Kopflampe - OP-Handschuhe - ggf. Ultraschall zur vorherigen Exploration des Entnahmegebietes - Antibiose und Antiphlogistika nach Wahl Vorgehensweise Vorbereitung der Auffangspritzen Befüllen Sie vor Beginn der Knochenmarkentnahme jede Auffangspritze mit 0,6 ml Heparin (s.o.) Entnahme (wie sie in unserer Klinik durchgeführt wird): - Das Pferd wird an einen ruhigen Ort verbracht. Es werden 20 ml venöses Blut unter aseptischen Bedingungen entnommen. Das hieraus zu gewinnende Serum wird für die Gefrierkonservierung der Stammzellen benötigt. Anschließend wird das Pferd sediert. - Das Sternum wird zwischen den Vorderbeinen des Pferdes bis ca. 16 cm nach kaudal palpiert, um die Größe abzuschätzen. Wahlweise kann hier auch eine Ultrasonografie erfolgen. Das Gebiet wird nun großzügig geschoren und die Inzisionsstellen werden zudem rasiert. Es erfolgt eine erste chirurgische Vorbereitung des Gebietes. Anschließend werden an jede Inzisionsstelle 5 – 7 ml Lokalanästhetikum instilliert. Hierbei sollten mit dem Lokalanästhetikum sowohl die Haut, die Unterhaut, die Muskulatur als auch das Periost des Sternums anästhesiert werden. Bitte beachten Sie bei der Wahl Ihrer Entnahmestellen, dass das Sternum nach kaudal deutlich an Dicke abnimmt (wobei die Knochenmarkkammern selbst hier größer werden). Unserer Meinung nach haben sich zwei Inzisionen im Bereich der Gurtlage bei den meisten Pferden bewährt. - Erneute chirurgische Vorbereitung des OP-Feldes. - Auswahl der 1. Inzisionsstelle; setzen Sie mit der Skalpellklinge einen kleinen, gerade für die Biopsienadel ausreichenden Schnitt durch die Haut und Unterhaut. - Führen Sie die Biopsienadel durch den Schnitt in Richtung Sternum ein und sondieren Sie mit ihr vorsichtig das Gebiet. Sobald Sie sicher sind, das Sternum unter der Nadel zu fühlen, dringen Sie mit einer rotierenden Bewegung der Biopsienadel ca. 2 cm tief in das Sternum ein. Seien Sie vorsichtig, nicht zu tief in das Sternum einzudringen, um nicht in die Brusthöhle vorzudringen. - Entfernen Sie den Mandrin und setzen Sie, sobald etwas Blut erscheint, eine vorbereitete heparinisierte Spritze auf. Erzeugen Sie mithilfe des Spritzenkolbens einen leichten Unterdruck. Manchmal benötigt es etwas Geduld, bis sich Knochenmarkmaterial in der Spritze sammelt. Entnehmen Sie pro Punktionsstelle ca. 8 – 10 ml. Sollte kein Blut erscheinen, so verändern Sie die Lage der Biopsiekanüle etwas und versuchen es erneut. Ebenso verändern Sie die Biopsienadel nach jeweils ca. 8 ml Knochenmarkmaterial. In der Regel benutzen wir zwei Inzisionsstellen und gewinnen dort insgesamt ca. 25 ml Knochenmarkpunktat sowie Material zur Direktübertragung in Sehnen oder Bänder. Eine höhere Gesamtentnahmemenge erhöht im Laufe der Anzüchtung die endgültige Zellausbeute. Eine Verwendung von Verlängerungssets ist kontraproduktiv, da es zur Blutgerinnung und damit verbunden zu einer verringerten Zellausbeute kommen kann. -Verschließen Sie die Hautstellen mit Klammern. Diese sollten nach zehn Tagen entfernt werden. Literatur
[1] Barry, FP, Murphy, JM (2004):Mesenchymal stem cells: clinical application and biological characterization; Int.J.Biochem Cell Biol. 36:568-584. Foto: © Dr. Kerstin Fischer |
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