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Equines Cushing-Syndrom

Rechtzeitige Erkennung und erfolgreiche Behandlung

Das Equine Cushing-Syndrom (ECS) ist eine langsam fortschreitende endokrinologische Funktionsstörung, basierend auf einem Überangebot an endogenem Cortisol oder exogen zugeführtem Glucocorticoid (iatrogener Cushing). Beim ECS handelt es sich fast ausnahmslos um einen hypophysären Cushing. Infolge eines Adenoms der Pars Intermedia der Hypophyse kommt es zu einer Überfunktion der Nebennierenrinde und übermäßigen Sekretion von Cortisol. Etwa jedes fünfte Pferd im Alter über 15 Lebensjahren ist von dieser Erkrankung betroffen, aber auch jüngere Pferde können erkranken. Dr. Andrea Junker-Buchheit beleuchtet die Möglichkeiten, ECS zu diagnostizieren und wirksam zu behandeln.

Pathophysiologie des Equinen Cushing Syndroms

In fast allen Fällen beruht das ECS auf Neoplasien der melanotropen Zellen der Pars Intermedia der Hypophyse. Die Folge ist eine vermehrte Bildung von biologisch aktivem ACTH bei gleichzeitigem Fehlen der negativen Rückkopplung, weil die melanotropen Zellen der Pars Intermedia keine Glucocorticoid-Rezeptoren besitzen. Hypothalamisches Dopamin kontrolliert diese Zellen tonisch inhibitorisch („Dopamin-Bremse“). Unter dem Einfluss von ACTH wird in der Nebennierenrinde Cortisol gebildet und sezerniert. Bei Pferden mit ECS liegen niedrige Dopamin-Konzentrationen in der Pars Intermedia vor und es kommt infolge des Fehlens der „Dopamin-Bremse“ zu einer Erhöhung des Serum ACTH-Spiegels um das bis zu 600-Fache. Beim gesunden Tier wird die ACTH-Ausschüttung über ein negatives Feedback durch Cortisol im Blut gehemmt.

Die häufigsten Leitsymptome

Glucocorticoide beeinflussen den Intermediärstoffwechsel sämtlicher Körperzellen, insbesondere den Kohlenhydrat-, Eiweiß- und Fettstoffwechsel. Durch den hemmenden Effekt auf die periphere Glukoseverwertung und die Stimulation der Glukoseproduktion in der Leber kommt es zu einem erhöhten Glukoseumsatz bei gleichzeitiger Abnahme der Glukosetoleranz und Insulinempfindlichkeit. Ein übermäßiger Glucocorticoidspiegel führt zu Hyperglykämie, Hyperinsulinämie und vermehrter Ausscheidung von Glukose im Harn (Glukosurie). Basierend auf einem ständig erhöhten Glucocorticoid-Blutspiegel, entsteht eine Umverteilung des Körperfettes an unphysiologischen Körperstellen, die allerdings beim Pferd weniger ausgeprägt ist als beim Menschen und beim Hund (Stammfettsucht). Auffällig ist vor allem eine supraorbitale subkutane Fetteinlagerung (Abb. 1).
Neben der diabetogenen Wirkung üben Glucocorticoide auch einen katabolen Effekt auf den Proteinstoffwechsel aus und fördern den Proteinabbau. Dies kann Muskelschwäche bedingen, die bis hin zur Muskelatrophie (Steroidmyopathie) führen. Dadurch kann es zu zu einer schnelleren Ermüdung bei physischem Training kommen.
Weiterhin können als Folgen des Muskelabbaus ein sog. Hängebauch und Senkrücken entstehen. Zudem verursachen Glucocorticoide eine Lipolyse des adipösen Fettgewebes, sodass es zu einer Erhöhung der zirkulierenden Freien Fettsäuren im Blut und damit zu lipämischem Serum kommt. Neben der verzögerten Wundheilung und Narbenbildung sind Glucocorticoide darüber hinaus immunsuppressiv mit einem für den Gesamtorganismus erhöhten Infektionsrisiko. So sind beispielsweise chronisch rezidivierende Infektionskrankheiten (u.a. Konjunktivitis, Gingivitis sowie respiratorische Erkrankungen einschließlich Sinusitis) feststellbar. Auffällig ist ferner das lange, meist gelockte Fell, das klassische und typische Anzeichen für ECS (Hirsutismus, Abb. 2). Der Fellwechsel kann verzögert sein und zum Teil bleiben dem Pferd einzelne lange harte Haare aus dem Winterfell im Sommerhaarkleid stehen, wodurch oftmals eine vermehrte Schweißabsonderung (Hyperhidrosis) bedingt wird. Häufigste Komplikation ist die Entstehung einer (chronisch) rezidivierenden Hufrehe, d.h. einer Entzündung der Huflederhaut im Bereich der Wand- und Sohlenlederhaut (Abb. 3).

Diagnostik des ECS

Die anamnestische und klinische Befundserhebung ergibt bereits erste Hinweise für die Diagnose. Durch ACTH- und Cortisol-Basalwertmessungen im Plasma in Verbindung mit weiterführenden endokrinologischen Funktionstests (z.B. Low Dose Dexamethason-Suppressionstest oder TRHStimulationstest) kann die Diagnose ECS abgesichert werden. Die alleinige Cortisol-Basalwertmessung ist nicht aussagekräftig, weil der Cortisol-Blutspiegel beim ECS nicht immer deutlich erhöht ist. Hingegen sind die ACTH-Konzentrationen der erkrankten Tiere bis zu 600-fach gegenüber denen gesunder Tiere erhöht. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass für ACTH möglicherweise eine Jahresrhythmik existiert [2]. Weitere labordiagnostische Nebenbefunde sind meist eine Hyperglykämie und mäßige Hyperinsulinämie. Die alkalischen Phosphatase, Leberenzyme und Triglyceride sind bei länger bestehender Erkrankung ebenfalls häufig erhöht. Besonders bei jüngeren Pferden kann ein ECS im Anfangsstadium dem equinen metabolischen Syndrom (EMS) ähnlich sein. Soll zusätzlich gegen ein EMS abgegrenzt werden, empfiehlt sich die Bestimmung des Serum-Insulinspiegels.

Pharmakologische Therapie

Die Erkrankung ist nicht heilbar, aber therapierbar im Hinblick auf Verbesserung der Symptomatik und damit der Lebensqualität und Gebrauchsfähigkeit als Reitpferd. Allerdings erfordert dies eine lebenslange tägliche Behandlung. Dabei kommt vor allem dem Dopamin-Rezeptor-Agonisten Pergolid eine zentrale Bedeutung zu. Durch Pergolid wird die vermehrte Abgabe von ACTH gehemmt; es führt jedoch nicht zur Regression des Adenoms. Pergolid (Prascendl®) wird initial in einer Tagesdosis von 1 mg/400 – 600 kg KGW1 einmal täglich per os verabreicht.
Bei Stabilisierung des Gesundheitszustandes kann die Dosis nach einigen Wochen auf die niedrigste wirksame Dosis reduziert werden, bei ausbleibender Besserung wird die Dosis erhöht. Bei empfohlener Dosierung treten nur selten geringe und vorübergehende Nebenwirkungen (z.B. Inappetenz, Apathie) auf. Prascend® ist das erste für Pferde zugelassene Arzneimittel mit dem Wirkstoff Pergolidmesilat. Es gilt in der Pferdemedizin als „Goldstandard“ zur Behandlung des equinen Cushing-Syndroms. Im Normalfall kann innerhalb von sechs bis zwölf Wochen ein Behandlungserfolg beobachtet werden. Begleitende Maßnahmen, insbesondere im Hinblick auf die Hufrehe, sind orthopädische Hufkorrekturen sowie Haltungs- und nutritives Management. Bei Hirsutismus wird bis zum Ansprechen der Therapie vor allem in der warmen Jahreszeit das Scheren des Pferdes nahegelegt. Die Prognose ist gut, falls bei den betroffenen Pferden keine der sehr seltenen Komplikationen wie beispielsweise Makroadenome auftreten, die zentralnervöse Störungen hervorrufen können.

jubu@succidia.de

Foto 1.: Dr. Andrea Junker-Buchheit
Foto2.: D. Rendle
Foto3.: Dr. Andrea Junker-Buchheit

HKP 6 / 2010

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 6 / 2010.
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