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Chronische Zahnfachinfektionen

Eiter und Futter in der Nase nach Zahnentfernung

Nach Entfernung von Backenzähnen im Oberkiefer kann es zu Komplikationen
kommen, wenn sich das leere Zahnfach mit Futter füllt und eine chronische Entzündung verursacht, die sich im Extremfall bis in die Nasenmuscheln und die Nasengänge ausweiten kann. Im vorliegenden Fall, den Prof. Dr. Christoph Lischer und Bettina Rheiner vorstellen, hatte ein 5-jähriger Wallach ein Jahr nach Zahnextraktion immer wieder chronisch eitrig-stinkenden Nasenausfluss und eine Konturstörung am Nasenbein. Durch digitale Röntgenbilder und durch Computertomografie konnte das Ausmaß der Infektion dargestellt werden.

Vorbericht

In der Klinik für Pferde der FU-Berlin wurde ein 5-jähriger Wallach vorgestellt, dem ca. ein Jahr zuvor 2 Zähne im rechten Oberkiefer extrahiert worden (106 und 107) waren. Seitdem bestand intermittierend eitriger, stark übelriechender Nasenausfluss aus der rechten Nüster. Meist zeigte das Pferd einige Tage, bevor der Nasenausfluss begann, eine einseitige, diffuse Schwellung im Bereich der rechten Gesichtshälfte.

Klinische Untersuchung

Bei Einweisung war der Wallach bei ungestörtem Allgemeinbefinden, die Vitalparameter lagen im Normbereich. Er zeigte aus der rechten Nüster zähen, eitrigen Nasenausfluss, der einen stark fauligen Geruch aufwies. Die Kehlgangslymphknoten waren beidseits unauffällig.

Spezielle Untersuchungen

- Maulhöhlenuntersuchung
Die Untersuchung der Maulhöhle ergab zwei fehlende Zähne im Oberkiefer rechts (Triaden 106 und 107) sowie eine ca. daumennagelgroße Fistelöffnung auf Höhe des extrahierten zweiten Backenzahns.

- Endoskopie der oberen Atemwege
Bei der endoskopischen Untersuchung der rechten Nasengänge konnte eine eitrige Sekretstraße in der ventralen Nasenmuschel gesehen werden. Im Bereich der oronasalen Fistel in der ventralen Nasenmuschel sah man impaktiertes Futter, hauptsächlich Strohund Heuhalme.

- Röntgenuntersuchungen
In der röntgenologischen Untersuchung mit einem hochauflösenden digitalen Röntgensystem fiel sowohl in der seitlichen als auch in der dorso-ventralen Aufnahme eine diffuse Weichteilverschattung im Bereich der Spitze der rechten Nasenmuscheln auf. Die Masse war von multiplen, unregelmäßigen Verschattung durchsetzt. In der dorso-ventralen Aufnahme war zudem eine geringgradige Deviation des Nasenseptums zu sehen. Im rechten Oberkiefer fehlten die ersten beiden Backenzähne (106, 107). Über die Maulhöhle wurden ein Foleykatheter in die oronasale Fistel eingelegt und über eine angeschlossene Heidelberger Verlängerung Kontrastmittel eingegeben. Das Kontrastmittel lagerte sich am Rande der geweiteten Alveolen und der rostralen Nasenmuschel an und floss über die Nase ab. Das über die Fistelöffnung ins Maul zurückgeflossene Kontrastmittel wurde von der Zunge am Abfluss gehindert und stellte sich als Flüssigkeitsansammlung mit horizontalem Spiegel dar.

- Computertomografie (CT)
Eine CT-Untersuchung, die am Folgetag in Vollnarkose und in Rückenlage durchgeführt wurde, zeigte eine starke Vergrößerung der ventralen Nasenmuschel, ausgefüllt mit multifokalen, knochendichten Strukturen. Die dorsale Nasenmuschel wurde komprimiert und nach dorsal verdrängt. Der betroffene Bereich reichte vom Diastema bis ungefähr auf die Höhe des letzten Prämolaren im rechten Oberkiefer (108). Der rechte Nasengang war komplett verlegt und auch die im Röntgenbild sichtbare Nasenseptumdeviation war in der CT-Untersuchung deutlich zu erkennen.

Diagnose

Das Pferd entwickelte nach Zahnextraktion von 106, 107 eine hochgradige eitrige-nekrotische Entzündung der leeren Zahnfächer, die sich in die rechte ventrale Nasenmuschel fortsetzte und eine persistierende oronasalen Fistel zur Folge hatte.

Therapie

Zwei Tage später wurde das Pferd in linker Seitenlage operiert. Der chirurgische Zugang ist kompliziert, weil in dieser Region die Muskeln und Nerven liegen, welche die Oberlippe und die Nüstern bewegen. Unter Schonung dieser Nerven (N. infraorbitalis und N. buccolabialis dorsalis) wurde zwischen den Muskeln levator nasolabialis und levator labii superioris der Knochen des Os nasale freipräpariert. Mit einer oszillierenden Säge wurde durch das Nasenbein ein ca. 3 x 4 cm großes Knochenfenster geöffnet, um einen Zugang zur Spitze der ventralen Nasenmuschel und zu den geweiteten Alveolen 106, 107 zu erreichen. Die Spitze der ventralen Nasenmuschel wurde im gesunden Bereich abgesetzt. Zur Verhinderung von Blutungen wurde dazu das neuartige Gefäßversiegelungssystem „Ligasure“ eingesetzt. Danach wurde alles nekrotische Material aus den infizierten Alveolen entfernt und das Operationsfeld ausgiebig kürettiert und gespült. Zur Verhinderung von postoperativen Blutungen wurde die Wundhöhle mit 2 großen Baumwolltüchern austamponiert. Der Zug des einen Tuchs wurde aus der rechten Nüster, der Zug des andern durch den Operationszugang gelegt. Der Knochenflap wurde verworfen und die Subkutis und Haut wurden vernäht.

Nachbehandlung und Verlaufskontrolle

Der Wallach erholte sich gut von der Operation und erhielt über 5 Tage Antibiotika (Amoxicillin 10 mg/kg KG bid und Genatmicin 6,6 mg/kg KG sid) und NSAIDs (Flunixin-Meglumin 1,1 mg/kg KG anfangs bid, nach 3 Tagen sid) über einen Venenkatheter. Drei Tage nach der Operation wurden die Tamponaden unter Sedation gezogen und ein Foleykatheter durch die Knochenflapöffnung eingelegt. Ab dem 5. Tag p. o. wurde die Nasenhöhle täglich über den eingelegten Foleykatheter mit einer 2 %-igen Braunollösung gespült, bis der Abfluss klar war. 10 Tage nach der Operation wurde der Foleykatheter gezogen. Die weiteren täglichen Spülungen erfolgten über das Knochenfenster mit einem starren Venenkatheter. Dieser konnte täglich geschoben werden, wozu keine Sedation nötig war. Alle 5 Tage wurde unter Sedation die Fistelöffnung über die Maulhöhle mit einer gebogenen Spülkanüle gespült. Dabei entleerten sich bei den ersten Spülungen nekrotische Nasenmuschelanteile und Futterpartikel über die rechte Nüster. In der Fistelöffnung war jedes Mal Futter impaktiert, welches vor der Spülung mithilfe einer gebogenen Klemme entfernt wurde. Bei wiederholten endoskopischen Kontrollen der Nasenhöhle konnte immer wieder Futter im Bereich der Fistelöffnung gefunden werden. Zudem bestanden ein faulig riechender Foetor aus der rechten Nüster sowie zeitweise eitriger Nasenausfluss. Da die oronasale Fistel keine weitere Heilungstendenz erkennen ließ, wurde sie vier Wochen später in einer weiteren Vollnarkose in Rückenlage mithilfe eines Verschiebelappens mit Maulschleimhaut verschlossen. Durch die offene Maulhöhle wurde mit langen Instrumenten das Zahnfleisch lateral der Fistel vom Knochen gelöst und als Verschiebeplastik über der Fistelöffnung vernäht. Zum Schutz der Naht wurden zwei Tupfer fest aufgenäht.
Im Anschluss an diese Operation wurde das Pferd ausschließlich mit Weichfutter gefüttert, das Maul wurde nach den Mahlzeiten mit dem Wasserschlauch ausgespült und für die Zeit zwischen den Mahlzeiten wurde ein Maulkorb aufgesetzt. Zudem wurde der Wallach auf Späneeinstreu aufgestallt. Drei Tage nach dem Verschluss der oronasalen Fistel war das Tupferpaket nicht mehr auf der Naht. 5 Tage nach der Operation wies der Verschluss der Fistel eine partielle Nahtdehiszenz auf. Adspektorisch und palpatorisch zeigte die Fistel bei regelmäßigen Maulhöhlen-kontrollen eine Granulation. Es bestand kein Nasenausfluss mehr und der faulig riechende Foetor aus der rechten Nüster wurde zunehmend schwächer. Die Weichfütterung sowie die Maulhygiene wurden weiterhin fortgeführt. Bei der endoskopischen Maulhöhlenuntersuchung 2 Wochen später konnte man deutlich eine Granulation aus der Tiefe der Fistel erkennen. Zudem waren kaum Futterpartikel in der granulierenden Fistel zu sehen. Der Bereich der Fistel in der Nase war endoskopisch unauffällig.

Diskussion

Chronische Zahnfachinfektionen (Alveolarperiostitis) sind eine bekannte Komplikation nach Zahnextraktion. Nur mit qualitativ hochwertigen Röntgenbildern in mehreren Ebenen gelingt es, das Ausmaß der Infektion zu erkennen. In speziellen Fällen benötigt man eine Computertomografie. Die vorberichtlich bereits seit über einem Jahr bestehende oronasale Fistel im Bereich der vormals extrahierten Zähne (106 und 107) zeigte auch nach der chirurgischen Sanierung der Alveolarperiostitis und der Nasenmuschelspitzenresektion eine sehr schlechte Heilungstendenz. Chronische oronasale Fisteln sind in Human- und Veterinärmedizin eine therapeutische Herausforderung und es wurden viele Methoden beschrieben, um diese Fisteln zu verschließen (Literaturangaben 1-3): wiederholte Spülung und Kürretage der Fistelöffung, temporärer Verschluss mittel Gazetupfern oder verschiedenen Kunststoffen (Zahnwachs, Technovit, Knochenzement). Häufig sind diese Methoden jedoch nicht erfolgreich, weshalb versucht wird, die Fistel chirurgisch zu verschließen. Entweder durch eine Verschiebeplastik mit Schleimhaut vom harten Gaumen und/ oder von der Backe. Die beim Pferd beschriebenen Methoden bedingen jedoch aufgrund der anatomischen Gegebenheiten aufwändige chirurgische Zugänge über die sagittale Spaltung des Unterkiefers oder eine Buccotomie (Erweiterung der Maulspalte durch Aufschneiden der Backe). Bei dem hier vorgestellten Wallach wurde mit langen Instrumenten über die Maulöffnung ein Flap der buccalen Gingiva mobilisiert, dieser über die Fistelöffnung gelegt und mit einem Tupfer, angepasster Fütterung (keine Raufutteraufnahme) und bestmöglichster Maulhygiene geschützt. Trotz partieller Nahtdehiszenz war der Schutz der Fistel ausreichend, sodass sie sich mit Granulationsgewebe füllte.

lischer@zedat.fu-berlin.de
rheiner.bettina@vetmed.fu-berlin.de

Literatur
[1] Hawkes, C. S., Easley, J., Barakzai, S. Z., Dixon, P. M. (2008): Treatment of oromaxillary fistulae in nine standing horses (2002–2006) (Equine Veterinary Journal 40, S. 546–551)
[2] Barakzai, S. Z. and Dixon, P. M. (2005): Sliding mucoperiosteal hard palate flap for treatment of a persistent oronasal fistula (Equine Veterinary Education 17, S. 287–291)
[3] Robertson, J. T. (2005): Persistent oronasal fistula repair using a sliding mucoperiosteal hard palate flap (Equine Veterinary Education 17, S. 291–292)

Foto: © Alan Bailward, istockphoto.com

HKP 3 / 2010

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 3 / 2010.
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