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Zahn- Implantat

Ergänzend zu den Grundlagen des Zahnersatzes beim Pferd (hundkatzepferd 01/11) berichtet Dr. Klaus Bosler in Zusammenarbeit mit Peter Mielecke, Geschäftsführer des Fräs- und Dienstleistungszentrums Deutschlands, über den Verlauf anhand eines Fallbeispiels. Im Vorfeld zu diesem Bericht soll an dieser Stelle vorangestellt werden, dass auch in der Pferdezahnmedizin der gleiche Ablauf angewendet werden sollte, wie dies aus der Zahnheilkunde des Menschen bekannt ist.

OP-Bericht der Zahnextraktion

Als Fallbeispiel wurde eine 18-jährige bayrische-Stute herangezogen. Bei der Stute „Bellarina“ frakturierte der P4 des rechten Unterkiefers zeitlich versetzt an verschiedenen Fissurlinien mehrmals. Die Extraktion erfolgte in Isofluran-Inhalationsnarkose, wobei in Rückenlage und mithilfe eines 16-Bit-Wireless-Flat-Panel-Systems unter radiologischer Kontrolle ein Bohrkanal mittig zum erkrankten P4 mithilfe eines 6,5 mm-Bohrers gesetzt wurde. Dieser Bohrkanal wurde mit einem Trepanationsbohrer vergrößert, um dann einen Stempel zwischen den Wurzeln zum erkrankten P4 zu platzieren und auszustempeln. Im Vorfeld wurde das Zahnfleisch des P4 in der Maulhöhle durchtrennt. Mithilfe einer Extraktionszange wurde die Ausstempelung unterstützt, um die Extraktion ohne Schädigung der Alveole durchführen zu können. Der extrahierte Zahn wurde dem Labor übergeben und das Implantat wurde mithilfe des Zahnes hergestellt.

Aufbereitung des defekten Zahnes und Herstellung des Implantats aus PEEK

Der entfernte Zahn P4 wies eine halbseitige Fraktur der Krone bis in den Wurzelbereich auf. Zur Wiederherstellung der ursprünglichen Zahnkrone wurde im klassischen Verfahren die verlorengegangene Kronensubstanz durch Aufmodellieren morphologisch und anatomisch vervollständigt. Die wiedergewonnene Originalform des Pferdezahnes wurde im Scanverfahren digitalisiert und ein virtuelles Pferdezahnmodell generiert. Die Konstruktionsdaten wurden in Fertigungsdaten überführt und in einer 5-Achsen-Fräsmaschine aus industriell hergestellten PEEK herausgefräst. Dies sind die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Bearbeitung dieses Materials. Der Wurzelbereich wurde konstruktiv mit Retentionen versehen. Dazu wurde die Oberfläche der Wurzel zur Oberflächenvergrößerung mit Aluminiumoxid endbearbeitet.

Implantation und Verlauf

Das PEEK-Implantat wurde unter erheblichen Schwierigkeiten am 4. Tag eingesetzt. Dazu war die Nachbearbeitung vor Ort in der Klinik notwendig. Erst diese Nachbearbeitung ermöglichte das korrekte Einsetzen des Implantats. Die Stabilität des Implantats erschien gewährleistet. Allerdings war die Verspannung des Implantats in der Zahnreihe erheblich. Das PEEK-Implantat wurde ohne verbindende Substanz in die Alveole eingesetzt. 14 Tage nach der OP bemerkte die Besitzerin im Heimatstall ein negativ verändertes Fressverhalten der Stute. Die Kontrolle vor Ort ergab, dass das Implantat verloren gegangen war. Erneut wurde „Bellarina“ stationär vorgestellt. Diesmal wurde ein Abdruck genommen. Dazu wurde als Abdruckmaterial Haptosil D verwendet. Um die Entnahme des Abdrucks zu vereinfachen, wurde eine Osteosyntheseschraube mittig und ca. 5 mm überstehend platziert. Nach Aushärtung des Abdrucks wurde der überstehende Teil der Schraube als Zugansatzpunkt verwendet. Dieses Vorgehen erscheint von wesentlicher Bedeutung, da das verwendete Abdruckmaterial bereits nach kurzer Zeit eine feste Verbindung mit der Alveole eingeht.

Abdruckkonforme Anfertigung des PEEK-Implantats

Für die Abformung wurde das Knetsilikon auf additionsvernetzender Basis angewendet. Dieses Material hat eine optimale Anfangskonsistenz, die sich beim Einbringen in die Alveole als vorteilhaft erweist. Das Material fließt nicht unkontrolliert weg und lässt gleichzeitig eine gute Detailschärfe in der Abformung der klinischen Situation zu. Die Abformung wird mit Gips ausgegossen und ein Sägeschnittmodell angefertigt. Das Sägeschnittmodell hat den Vorteil, dass Einzelteile des Modells herausnehmbar sind und wieder exakt zurückgesetzt werden können. Dies bringt eine Vereinfachung der Modellation des Pferdezahns in Wachs, wenn untersichtgehende, schwer zu erfassende anatomische Bereiche berücksichtigt werden müssen. Nachdem der Zahn in Wachs modelliert wurde, erfolgt der Herstellungsprozess analog der bereits beschriebenen Vorgehensweise. Abweichend vom zuerst angefertigten Pferdezahnimplantat wurde bei der Modellierung eine Kragenfassung zum natürlichen Nachbarzahn vorgesehen. Durch die kollabierte Alveole ist die ursprüngliche Zahnwurzel nicht mehr in ihrer Ursprungsgröße umsetzbar. Die Abformung zeigte, dass ein erheblich kleinerer Raum zur Aufnahme der künstlichen Zahnwurzel vorliegt. Daher wurde die aproximale Kragenfassung als Rotationsschutz im Zahnersatz umgesetzt, um Stabilität auch bei reduzierter Wurzelgröße zu ermöglichen.

Einsetzen des Implantats

Zwei Tage nach der Abdruckentnahme wurde das neue Implantat eingesetzt. Bei diesem Implantat kann man nun von einer sehr guten Wiederherstellung der Zahn reihe sprechen. Die Alveole wurde gründlich mit Wasser und Druckluft gereinigt und danach wegkürettiert, bis eine oberflächliche Blutung entstand. Als Bindemittel wurde ein PMMA-Zement verwendet. Die Akzeptanz des Implantats erfolgte nach Aussage und Beobachtung der Besitzerin in uneingeschränkter Form. Die Kontrolle nach 14 Tagen, nach einem Monat sowie nach drei Monaten ergab einen korrekten, präzisen und sicheren Halt des Implantats. Dieser Zustand wurde durch eine endoskopische Darstellung der Zahnreihe in der Maulhöhle dokumentiert, da das PEEK- Implantat als Kunststoffimplantat röntgen o logisch nicht darzustellen ist. Klinisch ist der Farbunterschied zu bestehenden Backenzähnen nur bei Vorkenntnis des Sachverhaltes sichtbar. Die Frage nach voran gegangenen Operationen bei Ankaufsunter suchungen wird somit in Zukunft immer weiter an Bedeutung gewinnen.

Zusammenfassung

Mit PEEK ist ein Zahnersatz beim Pferd möglich. Die Vorgehensweise bedarf einer weiteren Standardisierung, die eine vermehrte Anwendung mit sich bringen wird. Bei erfolgreichem Verlauf muss von einer verbesserten Lebensqualität des Pferdes gesprochen werden, da viele Folgeprobleme nach einer Zahnextraktion beim Pferd vermieden werden können. Gleichzeitig ist der Einsatz dieses Kunststoffes ein Novum in der Zahnheilkunde beim Pferd und bedeutet damit eine Erweiterung des tierärztlichen Berufsfeldes. Dazu muss der Pferdetierarzt ein neues und innovatives Gebiet betreten. Es wäre wünschenswert, wenn der Tierarzt dieses Berufsfeld auch für den Stand der Tierärzte bewahren und mit dem Zahntechniker für Pferde einen neuen Partner finden würde, um
gemeinsam einen Beitrag für das Wohlergehen des Pferdepatienten zu leisten. Randständig sei erwähnt, dass die hohe Individualstabilität, die Verträglichkeit von PEEK zu klassischen Materialien und die geringen Kosten, dieses Polymer gerade beim Menschen interessant macht und in der Humanmedizin sowohl als Bandscheiben- wie auch als Kniescheibenimplantat eingesetzt wird. Dagegen ist bis jetzt die Verwendung beim Menschen in der Zahnmedizin von untergeordneter Bedeutung.

HKP 4 / 2011

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 4 / 2011.
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Dr. Birte Reinhold, ICHTHYOL-GESELLSCHAFT
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Prof. Dr. Arwid Daugschies, Universität Leipzig, Veterinärmedizinische Fakultät – VMF
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Dr. Anja Stahn ( Leitung der Geschäftseinheit VET in Europa und Middle East bei der Alere )
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