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Heilende Tiere - Teil 4

Teil 4 – Anforderungen an die Tiere und Grenzen der tiergestützten Therapie von Dr. Anke Prothmann

Im letzten Teil unserer Serie werden wir speziell auf die Therapiebegleittiere
eingehen und der Frage nachgehen, wo die Grenzen der tiergestützten Therapie liegen.

Die Auswahl der Therapiebegleittiere orientiert sich in erster Linie am Temperament, an der Ungefährlichkeit des einzelnen Tieres und an seinem Interesse an der Interaktion mit Menschen. Darüber hinaus dienen die Eignungs- und Auswahlverfahren aber auch dem Tierschutz, damit zu sensible Tiere nicht durch die ständig wechselnde Kontakte gestresst werden.
Alle Tiere, die später als Therapiebegleittiere eingesetzt werden sollen, müssen so früh wie möglich an menschlichen Kontakt gewöhnt werden. Hundewelpen, Kaninchen-und Meerschweinchenbabies, Kätzchen kann man an Berührungen, Streicheln, Hochheben und Herumtragen gut gewöhnen. Sie können bereits nach wenigen Tagen mehrmals täglich für kurze Zeit aus dem Nest oder Wurfplatz hoch genommen, gestreichelt und auch vorsichtig hin- und herbewegt werden. Im Idealfall lernen die Tiere bereits während der ersten Lebenswochen Kinder kennen. Es ist gut, wenn Tierzüchter Kindern frühzeitigen Kontakt mit einem Wurf gestatten, weil ein Welpe vor all den Dingen, die er während der ersten vier Lebenswochen kennen lernt, kaum Ängste entwickelt. Je älter die Tiere werden und desto weniger Kontakt sie während der ersten Lebenswochen zum Menschen haben, desto stärker reagieren diese Tiere mit Stress auf Berührungen.
Hier hat man also Gelegenheit, die Entwicklung der Tiere selbst positiv zu beeinflussen. Das Interesse an fremden Menschen kann gefördert werden, indem wir dem Welpen auf Spaziergängen Gelegenheit geben, mit vielen unbekannten großen und kleinen Personen in Kontakt zu kommen. Leben wir in einer Stadt, können wir ihn mit allerlei sich schnell fortbewegenden, fahrenden Dingen vertraut machen, unterschiedlichste Geräuschkulissen aufsuchen (Bahnhöfe, Baustellen). Je regelmäßiger diese Übungen absolviert werden, desto souveräner kann der Hund damit umgehen. Umweltsicherheit, das heißt möglichst indifferentes Reagieren auf vielfältige optische, akustische und taktile Reize sind regelmäßig Bestandteil der Eignungsprüfungen bei Therapiebegleittieren.
Heißt das nun, dass bereits erwachsene Tiere, Tiere aus zweiter Hand oder aus dem Tierheim nicht geeignet sind? Nein, sicher nicht. Die Frage, ob ein Tier als Therapiebegleittier geeignet ist, hängt weder von der Rasse noch von der Herkunft ab. Es gibt bei Hunden keine Rasse, die per se für einen Einsatz als Therapiebegleithund geeignet wäre. Ebenso gibt es viele Mischlingshunde, die hervorragend als Therapiebegleittiere eingesetzt werden. Und auch unter den Tierheimbewohnern finden sich einige geeignete Tiere. Es ist praktisch auch nicht möglich, bereits „fertig“ ausgebildete Tiere zu übernehmen, da ein Therapietier, insbesondere ein Hund, der künftig in der Therapie eingesetzt werden soll, immer in Einheit mit seinem Führer als Team getestet und ausgebildet werden sollte.

Eignungstests

In den Eignungstests für Hunde werden zwei Hauptkomponenten überprüft: die Reaktionen des Hundes auf Umwelteinflüsse und auf soziale Einflüsse. Die Umweltsicherheit wird mit akustischen Stimuli (Pfeif-, Knall-, Zischlaute), optischen Stimuli (bewegte Objekte wie ferngesteuerte Autos, Regenschirme oder unbewegte Objekte wie Tier- oder Menschenfiguren), taktilen Reizen (verschiedene Bodenuntergründe) und Spiel-/Beutereizen getestet. Soziale Einflüsse umfassen das Verhalten des Hundes gegenüber fremden und bekannten Personen. Ziel der Wesensprüfung ist nicht primär, die Talente des Hundes aufzuspüren, sondern zu erkennen, welche Situationen Stress für den Hund bedeuten und wie er mit diesem Stress umgeht. Reagiert er gelassen, ignorierend, ängstlich oder aggressiv? Welche Stresssignale sind zu erkennen?
Während in allen Bereichen minimal ängstliches Verhalten toleriert werden kann, dürfen selbst minimal aggressive Reaktionen insbesondere im Kontakt mit Menschen nicht auftreten. Neben der Einschätzung des Hundes wird regelmäßig auch die Kontrollierbarkeit durch den Hundeführer geprüft. Die Bewertung von Hunden setzt große Fachkenntnis und Erfahrung voraus. In der Regel werden diese Tests von Vereinen bzw. Organisationen durchgeführt, die auch gleichzeitig Ausbildungskurse in der tiergestützten Therapie anbieten.

Wo liegen die Grenzen tiergestützter Therapie?

Momentan sehen wir noch selten Tiere in Akutkrankenhäusern. Dass sich aber Hochleistungsmedizin und tiergestützte Aktivitäten nicht gegenseitig ausschließen, zeigt uns das Krankenhaus München-Harlaching. Hier gibt es nicht nur einen Haustierpark mit Ziegen und Schafen direkt auf dem Klinikgelände, sondern auch einen Begegnungsraum, in dem die Patienten auch von ihren eigenen Kleintieren besucht werden können. Im Klinikum Augsburg befindet sich auf dem Gelände der Kinderklinik ein Stall mit mehreren Pferden und Ponys. Diese stehen allen kleinen Patienten, vor allem aber den durch den Bunten Kreis betreuten Kindern mit schweren Erkrankungen zur Verfügung. Aber auch auf Intensivpflegestationen mit Menschen im Wachkoma werden in wachsender Zahl Tierbesuchsdienste durchgeführt. Im psychotherapeutischen Bereich lassen sich Tiere äußerst unkompliziert einbinden. Sie bewirken dort eine Vielzahl von Effekten. Eines aber können und sollen die Tier nicht: therapeutisch und pädagogisch qualifiziertes Personal ersetzen. Tiere verändern die Atmosphäre im Therapieprozess, sie motivieren Kinder, Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen. Aber sie können keine instrumentelle Hilfe geben. Sie können auch keine spezifischen Anregungen geben. Dafür brauchen wir ein sensibles, wachsames Fachpersonal. Tiere können aber helfen, einen Menschen in seiner speziellen Situation besser und umfassender zu verstehen. Tiergestützte Therapie funktioniert eingebettet in ein therapeutisches Gesamtkonzept, sie kann darin sogar eine tragende Säule darstellen, aber nicht von diesem losgelöst sinnvoll eingesetzt werden.

info@tiere-als-therapie.de

HKP 6 / 2008

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 6 / 2008.
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Der Autor:

Dr. Birte Reinhold, ICHTHYOL-GESELLSCHAFT
„Endlich hat sich hundkatzepferd zum Fachmagazin für den Tierarzt entwickelt. In der Ausgabe 03/12 fielen neben informativen Neuigkeiten aus dem Praxisbereich und den lustigen Nachrichten aus der Tierwelt viele anspruchsvolle und praxisrelevante Fachartikel in einem ungewöhnlich anschaulichen und erfrischenden Design auf. Auch ein Fachmagazin kann unterhaltsam sein und taugt somit auch nach einem anstrengenden Arbeitstag noch zur Feierabendlektüre im Gartenstuhl. Gefällt mir!“
Prof. Dr. Arwid Daugschies, Universität Leipzig, Veterinärmedizinische Fakultät – VMF
„hundkatzepferd serviert dem Leser den aktuellen Wissensstand in leicht verdaulicher Form. In Zeiten einer erdrückenden Informationsflut tut es gut, wenn solides Wissen auch in erfrischend entspannter Art angeboten wird.“
Dr. Anja Stahn ( Leitung der Geschäftseinheit VET in Europa und Middle East bei der Alere )
Die hundkatzepferd begleitet mich nun schon seit einigen Jahren. Nach wie vor begeistern mich
die Aufmachung, der fachliche und informative Inhalt sowie und die beeindruckenden Fotos des
Fachmagazins. Ganz deutlich ist seit einigen Monaten eine noch stärkere Ausrichtung auf die Belange
und Interessen der Tierärzteschaft zu erkennen. Dies ist sehr erfreulich. Das Magazin gehört in jede
Praxis und sollte unterhaltsame „Pflichtlektüre“ für das ganze Praxisteam sein.