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Schmerztherapieformen frühzeitig einsetzen

Fit wie ein junger Hüpfer

Früher oder später stellt sich die Frage: Hat das Tier Schmerzen? Und vor allem: Muss bzw. kann man schon etwas tun? Häufig werden ­gerade bei Hunden frühzeitig Auffälligkeiten im Gangbild, z.B. „Twist“ im lumbosakralen Übergang, beobachtet. Oft werden diese nach dem Motto ignoriert: Das ist noch nicht so schlimm, als dass Schmerzmedikamente oder korrigierende Operationen notwendig wären.

Wehret den Anfängen

Nach bisherigen Erkenntnissen gibt es keine Veränderung ohne klinische Symptome. Das gilt auch für angeborene Veränderungen wie HD/ED. Es kommt in jedem Fall zu unphysiologischen Bewegungsabläufen. Je länger Schonhaltungen bestehen, desto intensiver ist die Überlastung anderer bisher gesunder Bereiche, z.B. benachbarter Gelenke oder der Wirbelsäule, bei jedem Schritt. Zudem kann sich chronischer Schmerz verselbstständigen (Schmerzgedächtnis) bis hin zur Schmerzkrankheit und dadurch langfristig sogar stärkere Schäden hervorrufen als der ursächliche Schmerzreiz. Bei angeborenen Veränderungen junger Tiere liegt der Fokus auf unphysiologischen Bewegungsmustern („das macht er schon immer so“) sowie dem Bemühen, Verknöcherungsdefizite durch Fehlbelastungen zu vermeiden. So ist bereits das Zurückbleiben der Welpen beim Spiel mit Gleichaltrigen ein Anlass für eine frühzeitige Diagnostik (Ganganalyse und Palpation, evtl. auch Frühröntgen nach Köppel in der ca. 16. Lebenswoche). Bei fortgeschrittenen Prozessen sind oft dauerhafte Medikation, Operationen oder im schlimmsten Fall die Euthanasie wegen unzumutbarer Schmerzen notwendig. Diese Situationen können in vielen Fällen vermieden oder zumindest deutlich verzögert werden, wenn wir erste Veränderungen rechtzeitig mit geeigneten Maßnahmen behandeln. Die Schmerztherapie sollte effektiv und ausreichend lange durchgeführt werden, um das Schmerzgedächtnis nachhaltig zu beruhigen. Denn das Aufflammen chronischer Schmerzen in Therapielücken sensibilisiert das Schmerzgedächtnis sogar zusätzlich.


Abb.1Goldimplantate mit Hohlnadel.

Ganzheitliche Diagnose

Kernthema der ganzheitlichen Schmerztherapie ist die Schmerz­diagnostik, um für jeden Patienten einen individuellen Behandlungsplan erstellen und geeignete Therapie­formen auswählen zu können. Ziele sind die Harmonisierung der Körperhaltung und Bewegung sowie die dauerhafte Steigerung der Lebensqualität. Der Unter­suchungsgang umfasst eine ausführliche Anamnese, allgemeine Unter­suchung, ausführliche Gangbildanalyse, Kibler`sche Hautfalte, Palpation der Schmerz- und Triggerpunkte, Provoka­tionsproben, Rutentraktion, gegebenenfalls Röntgen/Sonografie sowie evtl. notwendige weitergehende Untersuchungen. Die Gangbildanalyse erfolgt auf ebenem, rutschfestem Untergrund in Ruhe und in verschiedenen Gangarten. Dabei achten wir auf jede Schonbewegung/ Entlastungshaltung sowie neurologische Defizite oder Asymmetrien. Bei der Katze oder sehr ängstlichen Patienten empfehlen wir ­zudem Videos von zuhause in verschiedenen aussagekräftigen Situationen. Triggerpunkte sind sehr sensibel und reagieren bei der Palpation schon oft, bevor röntgenologisch Veränderungen nachweisbar sind. Schon bei geringgradigem Schmerz sind Schmerzreaktionen durch Provokation auslösbar und beginnende Bewegungsstörungen (LSÜ-Twist) bzw. ggr. Lahmheit ­erkennbar. Auch die kleinsten Veränderungen werden ins Gesamtbild aufgenommen, aus dem dann eine Diagnose gestellt und ein individueller Therapieplan erarbeitet wird, nach Möglichkeit in Zusammen­arbeit mit dem überweisenden Haustierarzt.

Methoden der Schmerztherapie

Medikamentöse Schmerztherapie
Eine medikamentöse Schmerztherapie ist oft zur initialen Schmerzbekämpfung und Wiedererlangung von Lebensfreude bzw. bei Operationen notwendig. Oft dient sie als Vorbereitung für alternative Methoden oder wenn eine ganzheitliche Therapie zurzeit nicht gewünscht wird. Zur Auswahl stehen verschiedene NSAID, Pyrazolonderivate, Opioide, Lokalanästhetika sowie ­Ergänzungsfuttermittel. Beispiele, mit denen wir erfolgreich arbeiten, sind Schmerzmittel wie Metacam® und Previcox® (Antiphlogistika), Futterergänzungsmittel wie Canosan®, Canicox und Arthrovet sowie Spezialfuttermittel wie Royal Canin Mobility.


Abb.2 Goldimplantation an der Hüfte bei einem drei Jahre alten Königspudel mit HD, vorgestellt wegen launischen Verhaltens und regelmäßig mit Cortison vorbehandelten Juckreizes, beschwerdefrei seit Goldimplan­tation.

Akupunktur und Neuraltherapie
Akupunktur und Neuraltherapie führen zu mittel- bis langfristigen Erfolgen ohne Nebenwirkungen und sind gut mit anderen Methoden zu kombinieren. Betroffene Regionen können je nach Bedarf stimuliert oder sediert werden. Mit diesen Therapieformen werden Störfelder lokal oder segmentweise therapiert. Bei der Neuraltherapie handelt es sich um Injektionen bestimmter Lokalanästhetika an Akupunktur- oder „Schmerzpunkte“. Bei der Akupunktur unterscheiden wir die TCM und die westlich-wissenschaftliche Veterinärakupunktur. Bei der Akupunturanalgesie werden körpereigene Schmerzmodulatoren freigesetzt. In der Regel sind mehrere Sitzungen im Abstand von ein bis zwei Tagen (bei Regulationsmedizin längere Abstände) notwendig.

Goldimplantation
Die Goldimplantation wird im deutschsprachigen Raum seit Mitte der 90er-Jahre ­zunehmend eingesetzt. Inzwischen differenzieren sich verschiedene methodische Ansätze. Besondere Erfolge erzielen hierbei Vertreter der Wiener Schule. Nach ausführlicher Diagnostik werden an bestimmte Akupunktur- und Schmerzpunkte 1–3mm lange 24 Karat- Golddrahtstückchen mittels einer Hohlnadel implantiert (Abb.1). Bei korrekter Implantation können chronische Erkrankungen ohne Nebenwirkungen dauerhaft sehr effektiv behandelt werden. Oft ist dann keine weitere Therapie mehr notwendig. Goldimplantate können aber auch sehr gut mit anderen Methoden wie Akupunktur oder Chirurgie kombiniert werden. Neben der Schmerzlinderung werden über die Akupunkturpunkte der Stoffwechsel im implantierten Bereich angeregt ­sowie der pH-Wert reguliert. Einsatzbereiche der Goldimplantation sind diverse Probleme des Bewegungsapparates wie HD/ED – besonders nach Früherkennung (Abb. 2, 3), Arthrosen, Diskopahtie, Spondy­losen/Spondylarthrosen, schmerzhafte Mus­-kelverspannungen, chronische Schmerz­syn­drome, verschiedene chronische Entzün­dungen (Otitis, Gingivitis), aber auch einige internistische Indikationen und Epilepsie.


Abb.3 Goldimplantation am Ellbogen bei einem acht Jahre alten Riesenschnauzer mit bekannter HD seit Geburt und sekundären Artrosen an LSÜ, LWS, TLÜ, Knien und Ell­bogen, nach Goldimplantation und Physiotherapie wieder beschwerdefrei sportlich aktiv.

Physikalische Therapie/Physiotherapie
Bei der physikalischen Therapie/Physiotherapie gibt es analgetisch wirksame Methoden sowie kausaltherapeutische Ansätze. Oft werden physikalische Methoden mit anderen Therapieverfahren kombiniert und tragen zur Reduktion von Schmerzmedikamenten bei. Wichtig ist auch der prä- und postoperative Muskelaufbau/-erhalt , denn allzu oft wird erst behandelt, wenn die Muskeln aufgrund anhaltender Beschwerden bereits atrophiert sind. Massagen wirken auf verschiedenen Ebenen: segmental-reflektorisch, direkt auf die Muskulatur, fernreflektorisch, auf Blut- und Lymph­system, vegetativ-regulativ, analgetisch und psychisch – je nach Methode ­beruhigend oder anregend. Passive oder aktive, zielorientierte Bewegungstherapie erhält die Bewegungsfähigkeit und trainiert die Stabilität und Mobilität sowie die Koordination. Bei der Magnetfeldtherapie bewirken pulsierende Magnetfelder Durchblutungsförderung, bessere Zellatmung und Schmerzlinderung. Sie wird vom Tier gut akzeptiert und führt in Kombination mit Akupunktur zu zusätzlicher Stimulation der applizierten Nadeln. Auch bei der Lasertherapie werden Durchblutung und Zellatmung verbessert. Sie ist gut mit anderen Methoden zu kombinieren und ermöglicht sowohl eine lokale Behandlung als auch eine Akupunkturwirkung.

Weitere Therapieformen
Neben den Verfahren aus diesem kurzen Überblick können je nach Situation verschiedene weitere Therapieformen wie Homöopathie, Foto-/Thermotherapie, Kinesiologie etc. als begleitende Schmerz- bzw. Regulationstherapie eingesetzt werden. Auch nach scheinbarer Genesung zeigt sich noch länger eine Sensibilität der Triggerpunkte. Die Therapie sollte erst beendet werden, wenn sich die diagnostischen Punkte beruhigt haben, denn das Nervensystem erholt sich nur langsam von der Sensibilisierung. Möglicherweise ist als Antwort auf veränderte Befunde nach e­iniger Zeit auch eine Anpassung der Therapiemaßnahmen notwendig. Durch gezielte Nachsorge und ein posttherapeutisches Bewegungsprogramm werden die Behandlungsergebnisse optimiert. Besonders einfach, aber effektiv ist hierbei z.B. ein ausführliches Schritttraining, um die Gelenke „zu schmieren“. Es steht also eine große Vielfalt an Therapieverfahren und Kombinationen zur Verfügung, um jedem Patienten, abhängig von seiner individuellen Situation, zu optimaler Lebensqualität zu verhelfen.

take home

Da jeder chronische Schmerz und jede Gangbildveränderung auf Dauer Folgeschäden nach sich ziehen, empfiehlt sich eine möglichst frühzeitige effektive Therapie. Hierzu stehen neben den allgemein bekannten Therapieverfahren vielfältige Alternativen offen, mit denen, gerade wenn langfristige Wirkung gefragt ist, oft erstaunliche Therapieerfolge möglich sind. So kann Patienten auch in vielen bisher aussichtslosen Fällen wieder zu Freude an einem bewegten Leben verholfen werden.

Foto: © panthermedia.net, Beate Konstantinou

Stichwörter:
Verknöcherungsdefizite , medikamentöse Schmerztherapie, Physiotherapie, Physikalische Therapie, Goldimplantation, Akupunktur, Neuraltherapie,

HKP 8 / 2013

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 8 / 2013.
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Der Autor:

Dr. Birte Reinhold, ICHTHYOL-GESELLSCHAFT
„Endlich hat sich hundkatzepferd zum Fachmagazin für den Tierarzt entwickelt. In der Ausgabe 03/12 fielen neben informativen Neuigkeiten aus dem Praxisbereich und den lustigen Nachrichten aus der Tierwelt viele anspruchsvolle und praxisrelevante Fachartikel in einem ungewöhnlich anschaulichen und erfrischenden Design auf. Auch ein Fachmagazin kann unterhaltsam sein und taugt somit auch nach einem anstrengenden Arbeitstag noch zur Feierabendlektüre im Gartenstuhl. Gefällt mir!“
Prof. Dr. Arwid Daugschies, Universität Leipzig, Veterinärmedizinische Fakultät – VMF
„hundkatzepferd serviert dem Leser den aktuellen Wissensstand in leicht verdaulicher Form. In Zeiten einer erdrückenden Informationsflut tut es gut, wenn solides Wissen auch in erfrischend entspannter Art angeboten wird.“
Dr. Anja Stahn ( Leitung der Geschäftseinheit VET in Europa und Middle East bei der Alere )
Die hundkatzepferd begleitet mich nun schon seit einigen Jahren. Nach wie vor begeistern mich
die Aufmachung, der fachliche und informative Inhalt sowie und die beeindruckenden Fotos des
Fachmagazins. Ganz deutlich ist seit einigen Monaten eine noch stärkere Ausrichtung auf die Belange
und Interessen der Tierärzteschaft zu erkennen. Dies ist sehr erfreulich. Das Magazin gehört in jede
Praxis und sollte unterhaltsame „Pflichtlektüre“ für das ganze Praxisteam sein.