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Ansichten eines Mops

Das Brachyzephalensyndrom aus ophthalmologischer Sicht

Der Begriff Brachyzephalensyndrom (BCS) beschreibt die verschiedenen, zum überwiegenden Teil hochgradig ausgeprägten Krankheitsbilder, welche die kurznasigen Tiere (Katzen gleichermaßen wie Hunde) aufgrund des Missverhältnisses zwischen Schädellänge und Schädelbreite entwickeln können. Das Wort Brachyzephal leitet sich aus den Begriffen „Brachy = kurz“ und „Cephal = Schädel“ ab und somit gehören die brachyzephalen Tiere zu den kurznasigen/kurzköpfigen Rassen wie z. B Mops, Pekingese, Shi Tsu, Englische Bulldogge, französische Bulldogge sowie Boxer, bei den Katzen sind es z.B. Perser, British Shorthair, Exotic Shorthair u.a.

Das äußere Erscheinungsbild dieser Tiere erinnert an das „Kindchenschema“ und hat in den letzten Jahren einen enormen Anklang bei den Tierbesitzern gefunden (Abb. 1 ab). Diese Tatsache hat, wie so oft bei den sogenannten „Moderassen“, leider nicht zu einer Verbesserung der Zuchthygiene geführt, sondern eher das Gegenteil bewirkt. Im Folgenden sollen die daraus resultierenden Augenveränderungen und -erkrankungen beschrieben werden. Diese haben die chronische Reizung der Augen bis hin zur massiven Schmerzhaftigkeit sowie Seheinschränkungen zur Folge, welche bis hin zur Erblindung und nicht selten zum Verlust eines Auges führen. Hieraus resultiert für die Tiere ein enormer Leidensdruck, der nur durch geeignete Operationstechniken und/oder durch eine meist dauerhafte medikamentelle Therapie, gepaart mit regelmäßigen tierärztlichen Kontrollen, gelindert werden kann. Aufgrund des zu kurzen Schädels leben die Brachyzephalen mit einem dauerhaften beidseitigen Exophthalmus (hervorstehender prominenter Augapfel) (Abb. 2). Der erschwerte und damit ungenügende Lidschluss führt im „einfachsten Falle“ zu einer dauerhaften Reizung der Hornhaut durch „an sich normale“ äußere Einflüsse wie Wind, Staub, Pollen etc. Schlimmstenfalls kann es durch den flachen Schädel und die fehlende knöcherne Orbita zu einem Bulbusprolaps (Abb.3ab) (seltener bei Katzen) kommen. Der Bulbus wird bei den brachyzephalen Hunden allein durch die Haut der Lider in seiner Position gehalten und kann in hochgradigen Fällen auch spontan beim übermäßigen Herumtollen entstehen. Der Bulbusprolaps stellt einen absoluten Notfall dar, der einer schnellstmöglichen Reposition bedarf. Die Prognose ist hierbei, was den Erhalt des Visus anbelangt, als sehr ungünstig, was den dauerhaft schmerzfreien Erhalt des Auges anbelangt, als vorsichtig zu bezeichnen und hängt unter anderem von den weiteren Schäden der Adnexe (Muskelabriss, retrobulbäre Blutungen, Sehnervenzerrung) ab. Die chirurgische Reposition des prolabierten Bulbus in die Orbita, die unverzüglich unter einer Allgemeinanästhesie (immer mit Intubation des brachyzephalen Patienten) eingeleitet werden muss, hat entweder den Erhalt des Bulbus mittels eines artifiziellen, temporären Ankyloblepharons oder bei schlechter Prognose für vollständige Reizfreiheit die Enukleation zum Ziel. In leicht ausgeprägten Fällen ohne weiteres Trauma genügt die Reposition nach einer lateralen Kanthotomie. Eine peri- und postoperative antiphlogistische, analgetische und auch antimikrobielle systemische Therapie ist selbstverständlich, ebenso wie bei allen anderen chirurgischen Eingriffen am Auge.
Weiterhin typisch ist die Trichiasis (Reizung des Auges durch fehlgestellte Hauthaare). Hierzu zählen prominente Nasenfalten (Abb. 4 abc) ebenso wie die Fehlstellung der Lider im Sinne eines Entropiums des Unterlids und/oder des gesamten medialen Lidwinkels. Nasenfalten, die das Tier mechanisch und/oder auch in seiner Optik einschränken, werden mittels einer Nasenfaltenexzision entfernt. Die Prognose ist als gut einzuschätzen.
Die Entropionierung des medialen Kanthus wir mittels einer nasalen Kanthusplastik (Abb. 5 abcd) korrigiert. Diese entwickelte Technik hat durch den nach temporal „verschobenen“ medialen Lidwinkel neben der Entfernung der störenden medialen Trichiasishaare eine Verkürzung der Lidspalte und somit eine deutliche Verringerung der Gefahr des Bulbusprolaps zur Folge. Ebenfalls muss eine gering ausgeprägte Nasenfaltentrichiasis in einigen Fällen nicht mehr operativ korrigiert werden. Somit ist diese oftmals leicht modifizierte nasale Kanthusplastik einer der häufigsten chirurgischen Eingriffe am brachyzephalen Auge in der ophthalmologischen Tierarztpraxis. Entropionierte Lider werden dem Grad entsprechend mithilfe einer sichelförmigen Hautexzision, oft in Kombination mit einer nasalen Kanthusplastik, korrigiert. Die Entscheidung, ob und welche Operationstechnik bei dem jeweiligen Patienten sinnvoll erscheint, sowie die Durchführung dieser speziellen Lidkorrekturen sollten einem erfahrenen Ophthalmologen überlassen werden.

Distichiasis/ektopisches Zilien-Syndrom

Das Distichiasis/ektopische Zilien-Syndrom (zusätzliche irritierende Haare im Bereich der Lidränder und/oder der palpebralen Konjunktiva) (Abb. 6 abc) ist nicht nur auf die brachyzephalen Rassen beschränkt, sondern kann prinzipiell bei allen anderen Rassen auftreten. Selten findet man dieses Krankheitsbild bei Katzen. Je nach Ausprägung, Lokalisation und Reizung für das Auge werden die Distichien regelmäßig manuell gezupft oder operativ (in Allgemeinanästhesie und mit starker Vergrößerung) entfernt. Die eleganteste Lösung ist die Verödung jedes einzelnen Haares mittels eines speziellen Epilationsgerätes, oftmals auch in Kombination mit der Kryotherapie (Vereisung) des Haarbalgs. Komplette Zilienreihen können mittels eines Lidsplittings entfernt werden, hierbei sind postoperative unerwünschte Vernarbungen des Lidrandes möglich, die dann ihrerseits wieder zu dauerhaften Reizungen führen.. Dasselbe gilt für die Epilation der Distichien mittels eines zu groben Elektrokauters. Ektopische Ziliennester werden chirurgisch in toto exzidiert, sodass die Rezidivgefahr sehr gering ist. Generell können die Distichien /ektopischen Zilien an anderen Stellen als den bereits operierten auftreten und es handelt sich dann nicht um Rezidive. Daher kann es sein, dass mehrere „Sitzungen“ notwendig sind, um alle Haare komplett zu entfernen. Meistens ist dieses Haarwachstum dann mit dem Alter von drei bis vier Lebensjahren abgeschlossen. Die Besitzer sollten selbstverständlich über diese Problematik aufgeklärt werden.
Die Folgen der störenden Haare sind chronische Keratitiden mit Ulzerationen rezidivierenden Verletzungen und als Schutzreaktion des Auges eine zum Teil massive Vaskularisation im akuten Stadium und sekundäre Pigmentierung und Fibrosierung (Abb.7 ab) der Hornhaut im chronischen Stadium. Viele Fälle sind von einer Keratokonjunktivitis sicca (KCS) (Abb. 7c) vergesellschaftet. Neben der ursächlichen Therapie müssen diese Hornhautveränderungen symptomatisch medikamentös lokal und bei Bedarf auch systemisch behandelt werden. Das kann im Einzelfall auch eine Dauertherapie mit regelmäßigen Kontrollen bleiben. Tiefe Hornhautdefekte werden mithilfe eines gestielten autologen Bindehautlappens (Pedicle Graft) (Abb. 7 de) dauerhaft versorgt, um eine Perforation und damit den Verlust des Auges zu vermeiden.







Keratitis pigmentosa chronica

Beim Mops gibt es außerdem das Krankheitsbild der Keratitis pigmentosa chronica (Abb.7fg). Hierbei hat die Hornhaut auch ohne den Reiz des Exophthalmus und/oder der störenden Haare die Neigung, sich ständig durch die Migration von Melanozyten zu pigmentieren. In den meisten Fällen ist jedoch eine deutliche Unterscheidung zwischen primärer oder sekundärer Pigmentierung nicht möglich, sodass sie auch nach erfolgter chirurgischer Therapie einer dauerhaften lokalen Therapie mit ciclosporin- und oder tacrolimushaltigen Augensalben /-tropfen bedürfen. Beim trockenen Auge (KCS) können zusätzlich handelsübliche Tränenersatzpräparate dauerhaft notwendig sein. Brachyzephale Katzen können neben den o.g. Lidfehlstellungen und deren Folgen zusätzlich unter dem katzenspezifischen Krankheitsbild der Cornea nigra (feliner Hornhautsequester) (Abb. 8 a) leiden. Die Cornea nigra kann ein- oder beidseitig auftreten. Es wird eine multifaktorielle Ätiologie (immunassoziiert, FHVassoziiert, subklinische KCS, verminderte Hornhautsensibilität u.a.) vermutet, bei der neben einer hereditären Genese auch die brachyzephale Kopfform eine Rolle spielt. Das therapeutische Mittel der Wahl ist die chirurgische Entfernung des nekrotischen veränderten Gewebes mittels Keratektomie. Diese Operationstechnik sollte ausschließlich von erfahrenen Ophthalmologen durchgeführt werden. Die Prognose ist gut bis vorsichtig zu stellen, da Rezidive aufgrund der multifaktoriellen Ätiologie möglich sind. Generell ist bei all diesen Krankheitsbildern neben einer ausführlichen Aufklärung der Besitzer eine gute Zusammenarbeit zwischen dem Haustierarzt und dem Augenspezialisten wichtig, um bestmögliche Ergebnisse unsere Patienten zu erreichen.

-> dr.birgit.hafemeister@tieraugenpraxis.de

HKP 1 / 2016

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 1 / 2016.
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