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Dysphagie beim Pferd

Husten und Futter aus Nase und Mund

Die Dysphagie (griech.) bedeutet eine Schluckstörung, die aufgrund von Schmerzen, pharyngealen Einengungen oder nervalen und muskulären Funktionsstörungen auftreten kann. Die Symptome der Dysphagie sind Husten mit Auswurf zerkauten Futters aus Nase und Mund, Ausfluss von Schleim und zerkautem Futter aus der Nase, Herausfallen des gekauten Futters aus dem Mund, Speichelausfluss sowie erschwertes und verzögertes Schlucken.

An den Boxenwänden und an der Umgebung des Futtertroges klebt das ausgehustete, zerkaute Futter (Abb.1). Schmerzen, die das Schlucken behindern, können aus Zahnwurzelentzündun­gen, Zahn-, Kiefer- oder Zungenbeinfrakturen,aus einer Hypertrophie des Zungenbeines (Abb.2), aus Fremdkörpern zwischen den Zähnen, Stomatitis (Abb.3), aus einer Parodontitis (Abb.4), aus einer Glossitis (Abb.3), aus einer follikulären Pharyngitis (Abb.5), aus einer Epiglottisveränderung (Abb.6), aus einer Laryngitis, aus Abszessen in retropharyngealen Lymphknoten (Druse) (Abb.7) und am Luftsackeingang des Pharynx (Abb.8), aus einer Ösophagitis (Abb.9) oder aus einer eitrigen Otitis externa (Abb.10) resultieren. Die pharyngealen Einengungen können verursacht werden durch Vorverlagerung des Arcus palatopharyngicus, Abszesse im Luftsackeingang (Abb.8) oder in den retropharyngealen Lymphknoten (Druse) (Abb.7), ein Epiglottisentrapment, eine Retroversio epiglottidis, eine Gaumenspalte oder durch Melanome im naso- und/oder oropharyngealen Bereich beim Schimmel (Abb.11).


Abb.1 Ausgehustetes, zerkautes Futter aus Mund und Nase aufgrund der Schluckstörung klebt an der Boxenwand und am Futtertrog (-->); der Nasenausfluss mit Futter ist sichtbar.


Abb.2 Hypotrophie des proxi­malen Zungenbeinastes (X) und der Anheftungsstelle (-->) am Proc. styloideus infolge eitriger Otitis externa (linker Luftsack).


Abb.3 Eitrige Stomatitis (X) und Glossitis (-->).


Abb.4 Mittelgradige Parodontitis (rote Pfeile) im Backenzahnbereich mit einer Gasterophiluslarve (weißer Pfeil) zwischen zwei Backenzähnen.


Abb.5 Follikuläre Pharyngitis (X).


Abb.6 Erosive Epiglottisver­änderung (x) mit Schwellung


Abb.7 Schwellung der retropharyngealen Lymphknoten (X) im rechten Luftsack, typische Form eines Lymphknotenabszesses.


Abb.8 Abszess (X) am rechten Luftsackeingang, der nach ventral den Oropharynx einengt und zur Dysphagie führt; Eingang in den linken Luftsack (-->).


Abb.9 Erosive Ösophagitis ­verursacht infolge Schmerzen eine Dysphagie.


Abb.10 Eitrige Otitis externa (X); kartilaginöser Teil (roter Pfeil) und Eingang in den ossären Teil ­(weißer Pfeil) des externen ­Gehörkanales des linken Ohres.


Abb.11 Melanome verursachen eine Einengung des pharyngealen Bereiches (-->).

Die Dysphagie aufgrund neuromuskulärer Funktionsstörungen kann ihre Ursachen in der Sensibilitätsstörung beim Ergreifen (Lippen, Zunge, Mundschleimhaut), in der Zungenbewegung und beim oropharyngealen Weitertransport des Futters oder der Flüssigkeit (afferente Nerven: N. trigeminus (V), N. glossopharyngeus (IX), N. vagus (X)) haben. Auch eine Dysfunktion des Zentrums des Schluckreflexes in der Medulla oblongata (neuronale Schaltzellen zur Überleitung auf Motoneuronen) oder der efferenten, motorischen Nerven (V, N. facialis (VII), IX, X, N. hypoglossus (XII)) zur Stimulation der Schluckmuskulatur kann zur Dysphagie führen. Dazu kommen noch die Ursachen der Dysphagie infolge einer Myopathie der Schluckmuskulatur. Das Riechen, Sehen und Betasten des Futters mit den Lippen sowie das Kauen und Schmecken des Futters, also das bewusste Wahrnehmen des Futters, und die neuronale Verknüpfung mit den Kernen des N. facialis für Lippenbewegung, N. glossopharyngeus und hypoglossus für Zungenbewegung und des N. trigeminus für die Kaubewegung und die Verbindung zum Schluckreflexzentrum sind verzögert, defizitär oder bei Pferden mit Enzephalitis (z.B. Bornasche Krankheit, Abb.12; West-Nil-Virus-Enzephalitis; Kopftrauma) unterbrochen. Solche Pferde zeigen stän­diges Kauen („Wickelkauen“) oder haben ge­kautes Futter in der Mundhöhle (Abb.12) oder zwischen den Backenzähnen und der Backe, das nicht weiter abgeschluckt wird, sodass dieses als zylindrischer Bissen bei Schlafstellung mit gesenktem Kopf (Verhaltensstörung) herausfällt (= neuronale Dysphagie).


Abb.12 Kopfpressen und ­Heubüschel im Mund (-->) ohne zu kauen infolge Sensibilitätsstörung in der Mundschleimhaut, so dass in der Folge eine Dysphagie eintritt. Dies wird durch die Bornasche Krankheit verursacht.

Neuronal bedingte Dysphagie

Die neuronal bedingte Dysphagie verursacht aufgrund extrem erschwerten Abschluckens des zerkauten Futters ein Aushusten von zerkautem Futter, das ausgehustete Futter klebt an den Boxen­wänden (Abb.1). Bei solchen Pferden muss eine Endoskopie der Nasenhöhlen und der Luftsäcke durchgeführt werden. Bei diesen Pferden sind die Nasenhöhlen bis zu den Siebbeinen von Futter, das vom Nasopharynx mit den Hustenstößen in die Nasenhöhlen ausgehus­tet wurde. Der Husten wird durch Aspiration von Futterpartikel ausgelöst. Bei der Endoskopie ist bei einem Pferdepatienten eine mykotische Neuritis des Ramus pharyngicus des N. vagus (Abb.13) festgestellt worden. Dieser Ramus ist der wichtigste Nerv des Schluckaktes, weil dieser die Konstriktion der Mm. constrictores pharyngis (Schlundkopfschnürer) stimuliert. Die mykotische Neuritis hat eine Lähmung dieses Nerven bewirkt und die neuronale Dysphagie ausgelöst. Diese mykotische Neuritis hat eine Atrophie des distalen Nervens verursacht, sodass die Prognose als infaust zu beurteilen war.


Abb.13 Mykotische Neuritis (-->) des Ramus pharyngicus (rX) des N. vagus (X) im linken Luftsack, die distal eine Atrophie des Ramus verursachte und so eine hochgradige Dysfunktion des Schluckaktes auslöste und so zur Dysphagie beitrug; N. glossopharyngeus (IX), N. hypoglossus (XII).

Im späteren Stadium des Tetanus ist die Pharynxmuskulatur verkrampft, das Schlucken ist kaum möglich (= neuromuskuläre Dysphagie). Die Ursache liegt in der fehlenden Inhibition der Interneurone durch das Tetanustoxin, die die Motoneurone der Medulla oblongata nach der Stimulation der Muskelkontraktion hemmen und somit eine Muskelrelaxation herbeiführen. Schon der Trismus (Kiefernsperre; Abb.14) erschwert die Futteraufnahme, weil die Mundspalte infolge des Krampfes der Kaumuskulatur nicht geöffnet werden kann.


Abb.14 Der Trismus (Kiefernsperre, -->) ist ein Symptom des Tetanus und gleichzeitig ein ­Hinweis für das erschwerte ­Schlucken (Dysphagie).


Abb.15 Ausfluss von Speichel (-->) infolge fehlender Schluckfunktion (Dysphagie) infolge ­Botulismus.

Pferde mit langsamem Kauen und Schlucken und/oder Speichelausfluss (Abb.15), Heraus­fallen von Futter aus dem Mund oder Heraushängen der Zunge haben entweder eine verminderte Kontraktionsfähigkeit der Kau- und Schlundkopfschnürer- oder Zungenmuskulatur oder eine Parese bzw. Paralyse dieser Muskeln. Die Ursache besteht in einer Myopathie („Kreuzverschlag“=Belastungsmyopathie; atypische Myopathie infolge Vergiftung mit Hypoglycin A aus den Samen des Ahornbaumes=muskuläre Dysphagie) oder in der Verhinderung der präsynaptischen Freisetzung des Acetylcholins in der neuro­muskulären Verbindung aufgrund des ­Botulinumtoxins (neuromuskuläre Dysphagie). Die Diagnose der Myopathie erfolgt klinisch und labormedizinisch (exzessive Erhöhung des Enzyms Kreatinkinase) und die des Botulismus mithilfe des Nachweises von Botulinumneurotoxin im Magen-Darm-Inhalt.

take home

Die Therapie der Dysphagie richtet sich nach der Grundkrankheit. Die Sicherstellung der Nährstoffversorgung eines Pferdes mit Dysphagie erfolgt durch partiell oder total parenterale (i.v.) bzw. enterale Ernährung mittels Nasenschlundsonde. Die Prognose, ausgehend von der Grundkrankheit, ist sehr vorsichtig bis infaust zu stellen.

Literatur
[1] Eichentopf A, Snyder A, Recknagel St, Uhlig A, Waltl V, Schusser GF (2013).Dysphagia caused by focal guttural pouch mycosis: mononeuropathy of the pharyngeal ramus of the vagal nerve in a 20-year-old pony mare. ­IrishVeterinary Journal 2013, 66:13.
[2] Huskamp B (2006). Epiglottisretroversion. In: Handbuch Pferdepraxis. Hrsg. Dietz O u. Huskamp B, Enke, ­Stuttgart, 319.
[3] Schusser GF (1995). Partielle und totale parenterale Ernährung: Indikationen und Praxisrelevanz beim Pferd. Prakt.Tierarzt, collegium veterinarium. XXVI: 62 - 63.
[4] Smith, B (1996). Alterations in alimentary and hepatic function. In: Large animal internal medicine. Hrsg. Smith B., Mosby, St. Luis, USA, 118-141.
[5] Vandevelde M u. Fankhauser R (1987). Einführung in die veterinärmedizinische Neurologie. Paul Parey, ­Berlin.

Bild: © istockphoto.com| pixalot

HKP 2 / 2015

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 2 / 2015.
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