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Feline Stomatitis: Therapeutische Herausforderung einer immunologischen Entgleisung

Eingang Maul

Die Maulhöhle ist eine primäre Eintrittspforte für potenzielle Krankheitskeime. Das Immunsystem hat über Jahrtausende hinweg gelernt, darauf zu reagieren und ein gut funktionierendes Abwehrsystem geschaffen. Bei einer Immunschwäche oder hohem Infektionsdruck können jedoch nicht alle Erreger erfolgreich abgewehrt werden, oder das Immunsystem reagiert aufgrund fehlender interner Kontrollmechanismen unangemessen. Die feline Stomatitis ist charakterisiert durch hochgradige Entzündungen der Maulschleimhaut (Mukosa), die therapeutisch eine große Herausforderung darstellen.

Klinisches Bild

Die sehr unterschiedlichen Ausprägungen des Krankheitsbildes reichen von einer hochgradigen Gingivitis (beginnt bei jungen Katzen oft zum Zeitpunkt des Zahnwechsels, s. Abb.1) bis hin zu einer generalisierten Stomatitis. Die zur Blutung neigende Mukosaoberfläche kann vesikuläre, ulzerative oder proliferative Veränderungen aufweisen (Abb.2). Histologisch dominieren lymphoplasma- zelluläre Infiltrate. Häufig diagnostizieren wir gleichzeitig Erkrankungen der Zähne (resorptive Läsionen, RL) oder des Zahnhalteapparates (Parodontitis oft in Kombination mit RL). Im Blutbild zeigen viele Katzen eine Leukozytose, verbunden mit einer Hypergammaglobulinämie. Oft werden Virusinfek­tionen mit FIV, FeLV, Calici- und/oder Herpesviren nachgewiesen. Vielfach sind die Mandibularlymphknoten beidseits angeschwollen, die Katzen zeigen Inappetenz, Schmerzen beim Maulöffnen und Fressen, Hypersalivation, ungepflegtes Fell und ein teilweise hochgradig gestörtes Allgemeinbefinden. Viele Patienten haben in der Anamnese einen Katzenschnupfen gehabt, stammen ursprünglich von Bauernhöfen oder lebten in Tierheimen.


Abb.1 Hochgradige feline juvenile Gingivitis-Parodontitis bei einem 6-monatigen Maine coon-Kater.


Abb.2 Hochgradige proliferative Stomatitis im Arcus palatoglossus bei einem adulten FIV-positiven Kater.

Ursache: Viren, Bakterien, Immunsystem?

Das uneinheitliche Krankheitsbild lässt auf eine multifaktorielle Genese schließen. Da wir bislang hauptsächlich nach externen Faktoren gesucht haben (Abb.3), erscheint uns der neue Ansatz, vorwiegend interne Faktoren (Abb.4) zu berücksichtigen, zunächst als ungewohnt. Nach aktuellem Stand gehen wir von einem vorwiegend viralen Einfluss in Kombination mit einem gestörten Immungleichgewicht aus, oft verstärkt durch bakterielle Sekundärinfekte (v.a. mit Pasteurella multocida). Dafür spricht v.a. der hohe Anteil an CD8+-Lymphozyten bei Stomatitis-Katzen. Diese Lymphozyten-Subpopulationen sind spezialisiert auf die Erkennung und selektive Zerstörung von virusinfizierten Körperzellen. Gerade das insuffiziente oder nach einer schweren viralen Infektion geschwächte Immunsystem neigt zu überschießenden Reaktionen bis hin zu Autoimmunreaktionen als Antwort auf vergleichsweise milde Reize. Denn bei einem intakten Immunsystem regulieren immer mehrere parallel ablaufende Kontrollmechanismen sämtliche Reaktionen, die dem Körper im Kampf gegen den Er­reger selbst schaden könnten. Ohne diese Kontrollfunktion kann es zu entsprechenden Entgleisungen kommen. Abbildung 5 zeigt schematisch, was bei einer Infektion an einer Mukosa immunologisch abläuft und warum die angeborene Immunantwort dabei eine zentrale Rolle spielt.


Abb.3 Externe Faktoren, die auf die Pathogenese einer felinen Stomatitis Einfluss nehmen können.


Abb.4 Interne Faktoren, welche die Patho­genese einer felinen Stomatitis beeinflussen können

Therapeutische Optionen

Prinzipiell müssen wir zunächst chirurgische (inkl. Zahnsanierung) und medikamentöse Maßnahmen unterscheiden.

Zahnsanierung und chirurgische Maßnahmen

Stomatitispatienten leiden i.d.R. auch an Zahnerkrankungen. Insbesondere Zähne mit Resorptionen vom Typ 1, die mit einer ausgeprägten Parodontitis und teilweise entzündeten Wurzelresten im Kieferknochen einhergehen, müssen komplett extrahiert werden. Die professionelle Zahnbehandlung als first-line-treatment beinhaltet dentale Röntgendiagnostik, Zahnsteinentfernung mit Glättung der Zahnoberflächen und die vielfach notwendige fachgerechte und vollständige Extraktion aller erkrankter Zähne (selektive Extraktion) sowie Wundnaht ohne Spannung. Hyperplastische Gingiva kann mittels Skalpell oder Laser reduziert werden. Bei fehlendem technischen Equipment oder mangelnder chirurgischer Routine sollte die Katze für diese zunächst entscheidende Therapie gegebenenfalls an eine spezialisierte Tierzahnpraxis überwiesen werden.

Medikamentöse Therapie

Ist das Ergebnis nach der Zahnsanierung nicht befriedigend, wird als nächster Schritt die medikamentöse Therapie eingeleitet. Dabei gibt es grundsätzlich zwei Ansätze: einerseits die immunsupprimierende Therapie mit Kortisonen, Hormonpräparaten (Gestagenen) und Zytostatika und andererseits die immunmodulierende Therapie im Sinn einer Immunstimulation. Über Jahrzehnte wurde die immunsuppressive Therapie mittels Steroiden (Prednisolon) und Steroidhormonen (Gestagenen) als Mono- oder Kombinationstherapie eingesetzt, ­jedoch sehr selten mit befriedigenden Langzeitresultaten. Meistens ist eine Dauertherapie notwendig, die oft aufgrund notwendiger Dosiserhöhungen oder kürzerer Therapiepausen entsprechende Nebenwirkungen nach sich zieht. Da die meisten Stomatitis-Katzen ohnehin schon immunsupprimiert und /oder viral infiziert sind, besteht faktisch eine Kontraindikation zum Einsatz von Kortison [1].

Bei den Hormonen müssen wir zwischen den verschiedenen pharmakologischen Gruppen und der anzuwendenden Dosis differenzieren. Proligeston zeigt im Vergleich zu den anderen beiden Progestagenen Medroxyprogesteron(-actetat) und Megestrolacetat eine vernachlässigbare corticosteroidale Wirkung und somit deutlich geringere Nebenwirkungen. Die Dosis­angaben variieren in den Literaturangaben sehr stark und es sollte wegen der geringen therapeutischen Breite die niedrigste der angegebenen Dosis verwendet werden (Quelle: www.vetpharm.uzh.ch). Über den Einsatz von Zytostatika gibt es keine ausreichenden Studien [2]. Die Immunsupprimierung als therapeutischer Ansatz bedingt aber meistens eine Dauertherapie.


Abb.5 Gelingt es den Krankheitskeimen (hier: Antigenen), die erste Barriere (Epithelzellschicht der Mukosa) zu überwinden, reagiert der Körper zunächst mit der Aktivierung der unspezifischen Immunantwort: neutrophile Granulozyten, Mono- zyten, Makrophagen und natürliche Killerzellen (spezielle große Lymphozyten) wandern zum Ort der Antigen-Invasion, um die Antigene zu phagozytieren. Entzündungsmediatoren (u.a. auch proinflammatorische Zytokine) „locken“ weitere Entzündungszellen des spezifischen und unspezifischen Immunsystems an. Dendri- tische Zellen (Antigen-präsentierende Zellen, APC) nehmen eine Sonderstellung ein, da sie sowohl in der unspezifischen als auch in der spezifischen Abwehr tätig sind. Zunächst phagozytieren sie Antigene und präsentieren dann an ihren Zellober- flächen Bruchstücke davon an die entsprechenden T-Zell Rezeptoren, vor allem im nächstgelegenen lymphatischen Zentrum (Lymphknoten, Tonsille). Dort wird die so angeregte T-Zelle wiederum eine B-Zelle aktivieren, die durch Kontakt mit dem Antigen später zur Plasmazelle ausdifferenziert. Angeregt durch Lockstoffe der Entzündungsmediatoren wandern T-, B- und Plasmazellen über den Blutstrom zum Entzündungsort.

Dort veranlasst die Plasmazelle durch spezifische Antikörperproduktion die weitere gezielte Erregerelimination. T-, B- und Plasmazellen sorgen somit für die spezifische Immunantwort.

Gänzlich anders dagegen gestaltet sich der therapeutische Ansatz mit immunstimulierenden Präparaten. Im Vordergrund steht das Erreichen der Immunbalance, indem das Immunsystem im Kampf gegen Erreger unterstützt und nicht unterdrückt wird. Das Ziel ist eine dauerhafte Heilung, die am Ende nicht mehr auf weitere medikamentöse Behandlung angewiesen ist. Diese Therapie kann aber besonders bei chronisch erkrankten, älteren oder schon lange mit Immunsuppressiva vorbehandelten Katzen langwierig sein. Deswegen ist es wichtig, die – soweit bekannten – immunologischen Abläufe zu verstehen, um den Patientenbesitzer langfristig mit Fachwissen motivieren zu können. Die wichtigsten regulierenden Botenstoffe des Immunsystems sind die Zytokine. Es handelt sich dabei um Eiweißmoleküle, die besonders bei Abwehrreaktionen von verschiedenen Zellen (wie z.B. Makrophagen, T-Lymphozyten, Fibroblasten) am Entzündungsort ausgeschüttet werden und weitere Abwehrmaßnahmen dirigieren. Die wichtigsten Zytokine des Immunsystems sind die Interferone (IFN), die vom Körper schon wenige Stunden nach einer viralen Infektion in hohen Konzentrationen ausgeschüttet werden. Der höchste Level ist i.d.R. zwei Tage nach einer Infektion erreicht, der Nachweis von Interferon gelingt aber noch mindestens sieben Tage danach. Damit überbrücken Interferone und die durch sie stimulierten weiteren Zytokine (z.B. Interleukine) die Zeitspanne, in der das erworbene Immunsystem mit der Produktion der ersten Antikörpern (ca. fünf bis sechs Tage post infectionem) beginnt. Interferone wirken antiviral durch die Initiierung der Produktion von antiviralen Enzymen (z.B. das mx-Protein), die gezielt die Vermehrung der Viren blockieren. Zudem wirken sie antiproliferativ, da sie u.a. die Gefäßneubildung und das Zellwachstum verlangsamen. Zum therapeutischen Einsatz empfiehlt sich ein speziell für Katzen hergestellte Omega-Interferon (Virbagen Omega Interferon, Virbac). Die wiederholte lokale Anwendung in Form von submukosalen Injektionen in die veränderte Mukosa und die langfristige oromukosale Gabe in Form von Tropfen einer selbst gemischten Interferon Lösung (s. Tab.) stellt momentan die sinnvollste, effektivste und kostengünstigste Therapieform dar. Die Wirksamkeit der oromukosalen Interferon-Anwendung bei Calicivirus-positiven Katzen mit einer kaudalen Stomatitis belegt eine nach den Richtlinien der evidenzbasierten Medizin durchgeführte wissenschaftliche Studie [3].


Tab. Interferon (IFN)-Dosierung bei der Therapie der felinen Gingivo-Stomatitis

Begleitend: Vitaminpräparate (z.B. Nutri-plus Gel) oder entzündungshemmende Aloe-Präparate mit hoher Akzeptanz (z.B. Biotene oral balance), spezielle Futtermittel ohne Farb- und Konservierungsstoffe (z.B. a/d von hill’s, Feline intestinal oder Feline sensitivity von Royal Canin). Vorübergehend evtl. Flüssignahrung oder püriertes Futter. Bei mittel- bis hochgradigen Erkrankungen und mit Kortisonen vorbehandelten Katzen sind zeitweise langfristig Analgetika erforderlich (z.B. Metacam oral mit 0,05 mg/kg). 3–5 Tage vor einer Zahnsanierung sollten Antibiotika verabreicht werden (v.a. bei parodontalen Erkrankungen, p. Op. für weitere 10–28 Tage). Bevorzugte Antibiotika sind: Clindamycin (Dosis: 11 mg/kg/Tag), Amoxicillin-Clavulansäure oder Cephalosporine. Bei purulenten Erkrankungen (z.B. Rhinitis oder Konjunktivitis) empfiehlt sich die gezielte Antibiose nach Anzüchtung der Erreger und Erstellung eines Antibiogrammes.

take home

Entscheidende Therapiegrundsätze bei der felinen Stomatitis sind die zu Grunde liegende professionelle Zahnsanierung unter dentaler Röntgenkontrolle, die individuelle, meist langfristige (mindestens drei bis sechs Monate) und zu wiederholende lokale Anwendung mit Interferon sowie eine gute Besitzermotivation.

Literatur

[1] Löscher W. et al.: Pharmakotherapie bei Haus- und Nutztieren, 2002
[2] Lommer MJ: Efficacy of Cyclosporine for Chronic, Refractory Stomatitis in Cats: A Randomized, Placebo-Controlled, Double-Blinded Clinical Study. J Vet Dent Vol 30 (1) 2013, 8-17
[3] Hennet PR et al.: Comparative efficacy of a recombinant feline interferon omega in refractory cases of calicivirus-positive cats with caudal stomatitis: a randomised, multi-centre, controlled, double-blind study in 39 cats. J Feline Med Surgery 13 (8) 2011, 577-587

Foto: www.istockphoto.com | Inok

HKP 3 / 2014

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 3 / 2014.
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Die hundkatzepferd begleitet mich nun schon seit einigen Jahren. Nach wie vor begeistern mich
die Aufmachung, der fachliche und informative Inhalt sowie und die beeindruckenden Fotos des
Fachmagazins. Ganz deutlich ist seit einigen Monaten eine noch stärkere Ausrichtung auf die Belange
und Interessen der Tierärzteschaft zu erkennen. Dies ist sehr erfreulich. Das Magazin gehört in jede
Praxis und sollte unterhaltsame „Pflichtlektüre“ für das ganze Praxisteam sein.