Veterinärmedizin
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Atemwegserkrankungen beim Pferd
Atemwegserkrankungen beim PferdNur verschluckt?Das Pferd verfügt über eine der größten Lungen im Tierreich. Diese Tatsache befähigt Pferde zu enormen Leistungen, die ihnen in der Wildnis als Fluchttiere das Überleben sicherte und sie heute zu den faszinierendsten Athleten unter den Vierbeinern macht. Während sich das Herz-Kreislauf-System durch Training verbessern lässt, ist die Lungenfunktion nur minimalst zu beeinflussen und stellt damit einen der bedeutendsten leistungslimitierenden Faktoren dar. Trotz dieser enormen Fähigkeiten ist die Lunge eines der empfindlichsten Organe des Pferdes. Symptome Lungenerkrankungen werden gerade wegen dieser Fähigkeiten oft erst dann erkannt, wenn sie bereits weit fortgeschritten sind. Gelegentliches Husten zu Beginn der Belastung wird oft als Verschlucken missdeutet, ist jedoch oft erstes Anzeichen einer ernsten Erkrankung. Erschwerend kommt hinzu, dass nur ca. 70 % der lungenkranken Pferde husten und der Leistungsabfall oder die mangelnde Leistungsbereitschaft nur bei absoluten Hochleistungspferden bereits im Frühstadium der Erkrankung auffällig werden. Wenn es bei einem Freizeitpferd oder Turnierpferd der leichteren Klassen zu einem Leistungsabfall gekommen ist, hat die Erkrankung bereits ein fortgeschrittenes Stadium erreicht. Husten, Nasenausfluss, erhöhte Atemfrequenz oder verlängerte Erholungsphasen sollten daher immer sehr ernst genommen und der Patient unverzüglich einem Tierarzt vorgestellt werden.Diagnose Hier beginnt das oft nicht einfache Problemeiner klaren Diagnosestellung. Der Atmungsapparat des Pferdes wird unterteilt in die oberen Atemwege, beginnend an den Nüstern, Nasengängen, dem Rachenraum und wird durch die Trachea mit den unteren Atemwegen, dem weitverzweigten Bereich des Bronchialbaumes bis hinab zu den kleinen Lungenbläschen verbunden. Der absolute Engpass, den die Luft auf ihrem Weg hinab in die Lunge zurücklegen muss ist der Kehlkopf (Larynx). Dort hat der Luftstrom noch eine beachtliche Geschwindigkeit, sodass dort auftretende Probleme (Kehlkopfpfeifen, Verlagerung des Gaumensegels) mit einer deutlichen, akustischen Auffälligkeit im Rhythmus der Atmung verbunden sind. Wenn die Luft die Tiefe der Lunge erreicht, hat die Strömungsgeschwindigkeit der Luft aufgrund des sich vervielfachenden Gesamtdurchmessers der Atemwege so stark abgenommen, dass viele Erkrankungen auskultatorisch (durch Abhören) nicht wahrgenommen werden können. Es ist dann oft sehr schwierig, dem besorgten Pferdebesitzer zu erklären, dass die Aussage des Tierarztes, „es ist nichts zu hören“ nicht immer positiv zu deuten ist. Das Abhören eines Lungenpatienten ist eine der wichtigsten Untersuchungsmethoden, aber auch eine der am meisten überschätzen Methoden in der Diagnostik vieler Atemwegserkrankungen.Kategorien Erkrankungen der Atemwege unterteilt die Medizin grundsätzlich in zwei Kategorien: infektiöse und nichtinfektiöse Erkrankungen. Die infektiösen Erkrankungen werden verursacht durch Bakterien (z.B. Streptokokken), Viren (z.B. Influenza, Herpes) und Pilze. Seltener können auch Endoparasiten zur Erkrankung der Lunge führen. Zu den nichtinfektiösen Pneumopathien gehören die eher seltenen Fälle einer Erkrankung durch die Inhalation von Schadstoffen (giftige Gase, Rauch, silicathaltiger Staub), die zu einer Erkrankung des Lungengewebes (interstitielle Pneumopathie) führen. Vereinzelt kommt es zum Einatmen eines Fremdkörpers. Lungentumore sind in der Pferdemedizin eher eine Seltenheit. Wesentlich häufiger als lange Zeit vermutet ist jedoch das Auftreten von leistungsinduziertem Lungenbluten (EIPH). Bei dieser Erkrankung kommt es aus noch nicht vollständig geklärten Gründen bei starker körperlicher Belastung zu Blutungen in der Lunge. Diese Blutungen können so geringfügig sein, dass sie vom Besitzer nicht bemerkt werden, aber auch so heftig, dass die Pferde große Mengen Blut verlieren. Diese starken Blutungen können eine sportliche Karriere frühzeitig beenden. Die häufigsten Pneumopathien beim Pferd sind allergisch bedingt und haben viele Namen. Die Wissenschaftler sind sich bis heute nicht einig darüber, welcher Name für welche Erkrankung der richtige ist und ob es sich bei den verschiedenen Ausprägungen um gänzlich verschiedene Erkrankungen oder nur um verschiedene Schweregrade eines Krankheitskomplexes handelt. Der am häufigsten verwendete Name beschreibt die Erkrankung als eine wiederkehrende Obstruktion der Atemwege und wird mit RAO (recurrent airway obstruction) abgekürzt. Der Laie spricht von einer Heustauballergie.Heustauballergie
Staub aus Heu und Stroh stellt bei dieser Erkrankung das häufigste Problem dar. Dennoch können auch Faktoren wie Futtermilben oder Pflanzenpollen die Symptome dieser Erkrankung hervorrufen. So zeigen einige Pferde in der Zeit der Rapsblüte eine deutliche Verschlechterung der Symptome. Allergische Reaktionen liegen nicht an einem zu schwachen Immunsystem, es ist vielmehr eine überschießende Reaktion des Systems. Dies ist einer der oft missverstanden Mechanismen im Krankheitsgeschehen entzündlicher Atemwegserkrankungen. Während bei infektiösen Erkrankungen (Bakterien, Viren) eine Stärkung des Immunsystems von Bedeutung ist, wäre bei Diagnose
Für die nicht immer einfache Diagnosestellung stehen dem Tierarzt neben dem Abhören folgende Untersuchungsmethoden zur Verfügung. Die Endoskopie der oberen Atemwege, der Trachea und der Hauptbronchien ist die wohl am häufigsten durchgeführte Untersuchung zur Abklärung von Atemwegserkrankungen. Hierbei ermöglicht ein dünner flexibler Schlauch, welcher durch die Nase über den Kehlkopf die Trachea hinab bis in die Lunge vorgeschoben wird, eine optische Beurteilung dieser Bereiche. Diese Untersuchungsmethode eignet sich besonders zur Diagnose von Foto: © Dr. med. vet. Heike Kühn |
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