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Aktuelle Erkenntnisse zur Behandlung von chronischen Schmerzen bei Katzen
Aktuelle Erkenntnisse zur Behandlung von chronischen Schmerzen bei KatzenBei Katzen mit chronischen Schmerzen führt oft die Furcht vor Nebenwirkungen zu einer sehr restriktiven Verwendung von NSAIDs (non steroidal anti inflammatory drugs). Dabei können sie in vielen Fällen helfen, die Lebensqualität der Tiere entscheidend zu verbessern. Ein aktueller Leitfaden, vorgestellt von Dr. Gereon Viefhues, bietet nun eine Praxisorientierte Anleitung für den sicheren Umgang mit den Substanzen.
Es scheint ein Dilemma zu sein: Einerseits existiert für Tierärzte die medizinische und ethische Verpflichtung, Tiere von Schmerzen zu befreien. Andererseits werden die Risiken, die mit einer NSAID-Langzeittherapie verbunden sein können, gefürchtet. Die Folge: Aus Sorge, die Erkrankung einer Katze womöglich noch zu verschlimmern, wird häufig ganz auf den Einsatz der Schmerzmittel verzichtet. Für die Verfasser des kürzlich veröffentlichten Leitfadens „Long-term use of NSAIDs in cats“ steht jedoch fest, dass die nicht-steroidalen Antiphlogistika wie bei Hunden in Zukunft auch bei Katzen eine Schlüsselrolle bei der Behandlung chronischer, v.a. muskuloskelettaler Schmerzen einnehmen werden; ein NSAID (Meloxicam) wurde vor Kurzem für die Langzeitanwendung bei Katzen zugelassen. Die Symptome deuten lernen
Neben der Furcht vor Nebenwirkungen besteht ein weiteres Problem beim Schmerzmanagement von Katzen im frühzeitigen Erkennen von chronischen Schmerzen. Die Anzeichen können sehr diffus sein und schleichend einsetzen. Katzen ziehen sich meist zurück, zeigen weniger Interesse an ihrer Umwelt, verlieren den Appetit und/oder reagieren aggressiv. Das Risiko, die Verhaltensänderungen mit dem fortgeschrittenen Alter der Tiere zu erklären, ist groß. Wichtig ist deshalb, die Ursachen von chronischen Schmerzen zu kennen, um die Schmerzsymptome richtig zu deuten. Es ist dabei weithin anerkannt, dass degenerative Gelenkerkrankungen die häufigsten Auslöser von chronischen Schmerzen Komplikationen – seltener als erwartet Die Anzahl der Studien über mögliche Begleiterkrankungen einer Langzeittherapie von NSAIDs bei Katzen ist bislang noch gering. Erfahrungen bei der Behandlung von Hunden haben aber bereits gezeigt, dass unerwünschte Wirkungen oft auf eine unsachgemäße Anwendung (z.B. Überdosierungen) zurückzuführen sind und notwendige Voruntersuchungen oder regelmäßige tierärztliche Kontrollen nicht stattgefunden haben. Die häufigsten Komplikationen im Zusammenhang mit der Anwendung von NSAIDs sind dabei Magenblutungen und mitunter auch Ulzera, da durch die Hemmung der Cyclooxygenase und der daraus folgenden verminderten Prostaglandinsynthese die Schutz- und Barrierefunktion der Magenschleimhaut geschwächt sein kann. In der Niere kann die gehemmte Bildung von Prostaglandinen zu einer Verminderung des renalen Blutflusses und der glomerulären Filtrationsrate (GFR) führen, vereinzelt sogar zu einem akuten Nierenversagen. Sehr selten sind ebenfalls kardiovaskuläre Begleiterkrankungen wie eine gestörte Thrombozytenaggregation oder Hypertonie sowie negative Auswirkungen auf die Leberfunktion. Prinzipiell – so die Erkenntnis der Autoren – treten bei gesunden Tieren und sachgemäßer Anwendung Nebenwirkungen nur sehr selten auf. Überdies hat sich gezeigt, dass diese in der Regel bei frühzeitiger Intervention reversibel sind. Bei einigen Patientengruppen (z.B. älteren Tieren oder Patienten mit gastrointestinalen Vorerkrankungen) kann sich jedoch die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von unerwünschten Wirkungen erhöhen. Entscheidend für Praktiker ist: Auch diese „Risikopatienten“ können häufig sicher mit NSAIDs behandelt werden. Besonders wichtig sind dann jedoch die Applikation einer möglichst geringen Dosis und eine häufigere tierärztliche Kontrolle. Langfristiges Behandlungskonzept Gewichtsreduktion, kontrollierte Bewegung und Anpassung der Umgebung des Tieres an die verminderte Beweglichkeit können hilfreich sein, um Beschwerden zu lindern. Doch zentraler Baustein des Behandlungskonzeptes bei chronischen Schmerzen des Bewegungsapparates ist (wie bei Hunden und Menschen) die Anwendung eines NSAIDs. NSAID ? NSAID Für Praktiker stellt sich natürlich nicht nur die Frage, ob ein NSAID verwendet werden sollte, sondern auch welches NSAID besonders geeignet ist bzw. die geringsten Nebenwirkungen verursacht. In dem Zusammenhang wurde in der Vergangenheit vielfach über die Unterschiede zwischen nicht selektiven NSAIDs und selektiven bzw. präferenziellen Cyclooxygenase (COX)-2-Hemmern diskutiert. Für die Katze stehen nur wenige Studien zum Thema zur Verfügung, die Verfasser des Leitfadens waren deshalb auch darauf angewiesen, entsprechende Untersuchungen an Hunden bzw. Menschen auszuwerten. Dort hat sich mittlerweile gezeigt, dass Substanzen mit einer größeren COX-2-Selektivität potenzielle Nebenwirkungen, die v.a. mit einer Hemmung der COX-1 zusammenhängen (z. B. Magenulzera oder die Hemmung der Thrombozytenaggregation), verringern können. Mit einer selektiveren Hemmung der COX-2 können unerwünschte Wirkungen jedoch nicht komplett verhindert werden. Behandlungslücken vermeiden Unter anderem können die Art der Metabolisierung, die Plasmahalbwertszeit oder Proteinbindung eines NSAIDs, aber auch Unterschiede zwischen den einzelnen Katzen die optimale Behandlungsfrequenz beeinflussen. Die tägliche Applikation hat sich jedoch in Studien als besonders effektiv erwiesen und ist in der Regel einer intermittierenden Therapie (z.B. zwei- bis dreimal pro Woche) vorzuziehen. So werden Phasen mit unzureichender Schmerzreduktion vermieden. Je stressfreier das Präparat dabei verabreicht werden kann, umso eher können Tierärzte auch auf die dauerhafte Mithilfe der Tierhalter zählen. Von Vorteil sind deshalb schmackhafte Wirkstoffe, die vom Tier freiwillig gefressen werden. Sicherheit durch Kontrolle Um potenzielle Risikofaktoren frühzeitig zu erkennen, sollten bereits vor Behandlungsbeginn eine umfassende Anamnese und eine gründliche klinische Untersuchung durchgeführt werden. Auch um Vergleichswerte für spätere Untersuchungen zu erhalten, empfiehlt sich zusätzlich eine Harnanalyse und die Erhebung hämatologischer und blutchemischer Parameter; Hämatokrit und Plasmaproteine können dabei frühzeitig Hinweise auf Magenblutungen und/ oder Mukosaschäden liefern. Die erste tierärztliche Kontrolle sollte dann bei allen Tieren bereits nach fünf bis sieben Tagen erfolgen. So können die Symptome eines zwar seltenen, aber lebensbedrohlichen akuten Nierenversagens, das meist in den ersten Tagen der Behandlung auftritt, rechtzeitig erkannt werden. Eine erneute Untersuchung wird nach zwei bis vier Wochen empfohlen und sollte je nach individuellem Risiko und Befund alle zwei bis sechs Monate wiederholt werden. gereon.viefhues@tierklinik-ahlen.de |
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