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Stammzellentherapie: Verfahren zur Behandlung von Osteoarthrosis

Regenerative Kraft voraus

Osteoarthrosis (OA) wird ­definiert als eine Gelenk­erkrankung, die durch eine Zerstörung des Gelenkknorpels Osteophytenbildung und Knochenremodeling, patho­logische Veränderungen des periartikulären Gewebes einschließlich Synovialmembran, subchondrale Knochen, ­Muskeln, Sehnen und Bänder sowie eine geringgradige nichteitrige Entzündung variablen Grades charakterisiert ist.

Die Osteoarthritis ist keine Einzelerkrankung und wird oft fälschlicherweise als ein ausschließlich den Gelenkknorpel betreffendes Krankheitsgeschehen wahrgenommen. Es handelt sich vielmehr um eine Erkrankung des ganzen Gelenkes (Diarthrose) einschließlich des (hyalinen) Gelenkknorpels, der Synovialmembran, der Synovia, des subchondralen Knochengewebes und der das Gelenk umgebenden stützenden Strukturen (Muskeln und Bänder). Das Gelenk kann in diesem Zusammenhang gewissermaßen als ein Organ aufgefasst werden, bei dem alle Komponenten in den Krankheitsprozess mit einbezogen sind. Lange Zeit wurde die Erkrankung als nicht entzündlich betrachtet. Heute weiß man jedoch, dass es sich im Wesentlichen um ein entzündliches Geschehen handelt. Allerdings wird diese Entzündung nicht auf klassische Weise durch eine erhöhte Anzahl von weißen Blutkörperchen in der Synovialflüssigkeit ermittelt, wie das bei anderen Arthritisformen der Fall ist. Die Osteoarthrosis geht mit einer Zerstörung und einem Verlust von Gelenkknorpel, einem Remodeling des Knochens und einer intermittierenden Entzündung einher. Veränderungen im Bereich des subchondralen Knochens, der Synovialmembran und der Bänder sind bereits in den frühen Stadien der Erkrankung nachweisbar. Anfangs kommt es parallel zum gesteigerten Knorpelabbau zu einem Anstieg der Synthese von Knorpelmatrix.

Eine zentrale Rolle beim Abbau der Knorpelmatrix spielen synoviale und kartilaginäre Proteasen, wobei Metalloproteinasen und Aggrecanasen offenbar die wichtigsten katabolen Substanzen sind. Dieser katabolisch-anabolische Teufelskreis wird heute noch nicht ganz verstanden. Knorpelgewebe besitzt zwar nachweislich ein endogenes Reparaturpotenzial, Knorpelschäden können jedoch irreversibel werden, wenn die kompensatorische Kapazität erschöpft ist oder ein zu großes Ungleichgewicht zwischen anabolen und katabolen Prozessen besteht. Die pathologischen Veränderungen im arthritischen Gelenk führen zu funktionellen Beeinträchtigungen und klinischen Schmerzsymptomen. Es handelt sich um ein sehr komplexes Krankheitsgeschehen, das von multiplen biochemischen und biomechanischen Interaktionen geprägt wird. Das Krankheits­geschehen scheint im Wesentlichen mechanisch vorangetrieben, aber chemisch vermittelt zu werden und geht mit endogenen, aber aberranten Reparaturversuchen einher. Hier setzt die Stammzelltherapie ein.

Häufigste Ursache chronischer Schmerzen

Osteoarthrosis betrifft eine große Zahl der Hunde über fünf Jahre. Es handelt sich um die häufigste Ursache chronischer Schmerzen bei Hunden und Katzen. Tendenziell ist die Erkrankung zwar bei älteren schweren Hunden überrepräsentiert, sie kann aber grundsätzlich bei jedem Hund zu klinisch relevanten Problemen führen. Der typische OA-Hund ist mittleren bis fortgeschrittenen Alters, gehört einer großen Rasse an und ist übergewichtig oder adipös. Häufig entsteht OA sekundär infolge der abnormen Belastung normaler Gelenke (Trauma, Instabilität) wie beim Kreuzbandriss – oder umgekehrt infolge der normalen Belastung eines „abnormen“ Gelenkes (z.B. Dysplasie, Entwicklungsstörungen). Im Falle der vor allem bei ­älteren Hunden häufig zu beobachtenden Adipositas ist die abnorme Belastung der Gelenke besonders stark ausgeprägt.

Hilfe bei Lahmheit, Gelenkstarre und Schmerzen

Durch stammzellbasierte Arthrosetherapien verbessert sich der orthopädische Score hinsichtlich Lahmheit, Schmerzreduktion und Gelenkstarre (Beweglichkeit). Dieser dauerhafte Effekt durch die immunmodulatorische Wirkung von Stammzellen beruht anscheinend auf der Sezernierung von Zytokinen, denen eine wesentliche Rolle bei Gelenkerkrankungen zugeschrieben wird. Die multipotente Fähigkeit zur insbesondere chondrogenen Ausdifferenzierung sowie der entzündungshemmenden Eigenschaften von Stammzellen machen diese zu hervorragend geeigneten Kandidaten für die Zelltherapie von Arthrose und auch rheumatoider Arthritis.

Mesenchymale Stammzellentherapie

Die Behandlung mit aus dem Fettgewebe stammenden mesenchymalen Stammzellen ist eine relativ neue Methode der OA-Therapie bei Hunden. Bislang werden MScs in der Behandlung von Sehnen und Bänderverletzungen bei Pferden und in Studien zur Untersuchung von Knorpeldefekten bei Tieren eingesetzt. Mesenchymale Stammzellen kommunizieren mit den Zellen ihrer unmittelbaren Umgebung und können Immunreaktionen supprimieren, die Apoptose hemmen und die Mitochondrienfunktion in geschädigten Zellen mit dem Ergebnis eines gesteigerten aeroben Metabolismus verbessern. Bei Patienten in unserer Klinik wurde dieses Verfahren bei Hunden mit chronischer OA des Hüftgelenkes, des Kniegelenkes und des Ellenbogengelenkes angewendet. Im Ergebnis zeigten die mit MSC (Mesenchymal Stem Cells) behandelten Tiere einen deutlich verbesserten Einzelscore für Lahmheit sowie ein verbessertes Gesamtbefinden im Hinblick auf Schmerzen und Beweglichkeit. Bei der MSC-Therapie müssen jedoch einige Vorsichtsmaßnahmen und Kontraindikationen beachtet werden. Hunde mit infektiöser oder stark entzündlicher Arthritis sollten nicht sofort behandelt werden, sondern müssen vorbereitet werden, z.B. durch gelenksarthroskopische Lavage und antibiotische Therapie bei Infektionen. Vor allem müssen sie ausreichend stabil für eine Allgemeinanästhesie zur Gewinnung von Stammzellen sein. Etwa 30?g Fett und wenige Milliliter Blut werden aspetisch aus dem Bereich des lateralen Thorax, der Inguinalregion oder des Ligamentum falciforme entnommen. In einem kommerziellen Labor wird das entnommene Fettgewebe aufbereitet, um die Stammzellen zu trennen und zu vermehren. Für jedes Gelenk wird schließlich eine geeignete Anzahl von ca. 15 Mio. Zellen für die intraartikuläre Applikation vorbereitet.

Für die Injektion der Stammzellen wird der Patient sediert. Die Injektionsstelle wird rasiert und aseptisch vorbereitet. Nach Möglichkeit soll die Injektion unter fluoroskopischer Kontrolle erfolgen, da chronisch kranke Gelenke unter Umständen zu wenig Synovialflüssigkeit enthalten, um eine ausreichende Aspiration zur Überprüfung des richtigen intraartikulären Sitzes der Kanüle zu gewährleisten (trockenes Gelenk). Nach Überprüfung des richtigen Sitzes der ­Kanüle werden die Stammzellen injiziert. Eine Besserung tritt in der Regel nach sieben bis 14 Tagen ein. Sind multiple Gelenke erkrankt, dann können Stammzellen in bestimmten Fällen ergänzend zur intraartikulären Injektion in die am stärksten betroffenen Gelenke über eine NaCl-Infusion auch intravenös verabreicht ­werden.


Hüftdisplasie
Fallbeispiel – Kuvaszhündin Laila, geb. 01.02.1999
08.02.2011 Vorbericht: Häufiges Hecheln, abnehmende
Leistungsfähigkeit, Bewegungsunlust, mag keine Treppen steigen
Allgemeine Untersuchung o.b.B. Herzauskultation o.b.B. Blutserologisch Schilddrüsenunterfunktion, die aber bereits medikamentell eingestellt ist
Röntgen hochgradig HD und geringgradig Cauda Equina wird mit Previcox behandelt. Wirkung lässt zunehmend nach
18.03.2011: Denervierung der Hüfte
30.08.2011: MSCs intravenös in 250 ml NACL (Spenderzellen)
Erholung innerhalb von acht Wochen
Besitzer spricht von Jungbrunnen und ist sehr zufrieden


Ellenbogenarthrose
Fallbeispiel – Entlebucher Sennenhund Ben, geb. 01.01.2003
Gewicht: 33 kg, Humpeln vorne rechts
Vorbehandelt mit Rimadyl
27.07.2011 gründliche allgemeine Untersuchung
Röntgen-Befund: hochgradige Ellenbogenarthrose rechts
30.08.2011: MSc i.?a. verabreicht unter Sedation
12.09.2011: Nachuntersuchung, Hund läuft beschwerdefrei
Wird jedoch weiter unter Rimadyl gehalten, der extremen
Osteophyten und Exostosen halber

take home

Seit Langem wird die regenerative Kraft der Stammzellen in der Tiermedizin genutzt. So behandelt man Gelenksprobleme und Sportverletzungen von Pferden und Hunden mit Hilfe von Stammzellen, die aus dem Fettgewebe dieser Tiere gewonnen werden. Die aus dem Eigenfett gewonnenen Stammzellen eignen sich hervor­ragend zur Regeneration geschädigter Gelenke, Knochen und Knorpel. Eine rechtzeitige Behandlung geschädigter ­Gelenke mit Stammzellen kann Schmerzfreiheit und mehr Lebensqualität produzieren und außerdem künstliche Gelenke (Prothesen) ersparen.

Foto: © istockphoto.com, Tomwang112

HKP 5 / 2015

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 5 / 2015.
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Der Autor:

Dr. Birte Reinhold, ICHTHYOL-GESELLSCHAFT
„Endlich hat sich hundkatzepferd zum Fachmagazin für den Tierarzt entwickelt. In der Ausgabe 03/12 fielen neben informativen Neuigkeiten aus dem Praxisbereich und den lustigen Nachrichten aus der Tierwelt viele anspruchsvolle und praxisrelevante Fachartikel in einem ungewöhnlich anschaulichen und erfrischenden Design auf. Auch ein Fachmagazin kann unterhaltsam sein und taugt somit auch nach einem anstrengenden Arbeitstag noch zur Feierabendlektüre im Gartenstuhl. Gefällt mir!“
Prof. Dr. Arwid Daugschies, Universität Leipzig, Veterinärmedizinische Fakultät – VMF
„hundkatzepferd serviert dem Leser den aktuellen Wissensstand in leicht verdaulicher Form. In Zeiten einer erdrückenden Informationsflut tut es gut, wenn solides Wissen auch in erfrischend entspannter Art angeboten wird.“
Dr. Anja Stahn ( Leitung der Geschäftseinheit VET in Europa und Middle East bei der Alere )
Die hundkatzepferd begleitet mich nun schon seit einigen Jahren. Nach wie vor begeistern mich
die Aufmachung, der fachliche und informative Inhalt sowie und die beeindruckenden Fotos des
Fachmagazins. Ganz deutlich ist seit einigen Monaten eine noch stärkere Ausrichtung auf die Belange
und Interessen der Tierärzteschaft zu erkennen. Dies ist sehr erfreulich. Das Magazin gehört in jede
Praxis und sollte unterhaltsame „Pflichtlektüre“ für das ganze Praxisteam sein.