21.11.2024 22:44 - Über uns - Mediadaten - Impressum & Kontakt - succidia AG - Partner
Therapie RSS > Diagnostik und Therapie des Equinen Cushing-Syndroms

Diagnostik und Therapie des Equinen Cushing-Syndroms

Update Cushing

Das Equine Cushing-Syndrom (ECS) – oder korrekt als PPID (Pituitary Pars Intermedia Dysfunction) bezeichnet – betrifft fast jedes fünfte Pferd im Alter von über 15 Lebensjahren, aber auch jüngere Pferde können daran erkranken. Besteht aufgrund der klinischen Symptomatik der Verdacht auf ECS, so ist die diagnostische Untersuchung darauf ausgerichtet, EMS (Equines Metabolisches Syndrom) als wichtigste Differenzialdiagnose auszuschließen und die Therapie zu beginnen.

Pathophysiologie des Equinen Cushing-Syndroms [1,2 und dort zitierte Lit.]
In fast allen Fällen beruhen die klinischen Symp­tome auf einer Funktionsstörung der Pars intermedia der Hypophyse, d.h. auf einem Verlust von Dopamin-produzierenden Nervenzellen in einem der Hypophyse übergeordneten Hirnabschnitt (Hypothalamus). Bei Pferden mit ECS liegen daher niedrige Dopaminkonzentrationen vor, und es kommt vor allem zu einer Erhöhung des ACTH-Blutspiegels, der jedoch nicht immer zu erhöhten Cortisolwerten führt, wodurch die Abgrenzung zum Cushing beim Menschen und Hund erfolgt.

Klinik

Auffällig ist das lange, meist gelockte Fell, das klassische und typische Anzeichen für ECS (Hirsutismus, Abb.1). Der Fellwechsel kann verzögert, langsam und unvollständig sein; teilweise bleiben dem Pferd einzelne lange harte Haare aus dem Winterfell im Sommerhaarkleid stehen. Das Erscheinungsbild des Cushing-Pferdes weist auch eine Umverteilung des Körperfettes an unphysiologischen Körperstellen auf. Auffällig ist vor allem eine supraorbitale subkutane Fetteinlagerung (Abb.2). Oftmals magern die Pferde ab, eine Atrophie der Rücken- und Kruppenmuskulatur kann beobachtet werden. Dadurch tritt häufig eine schnellere Ermüdung bei physischer Belastung auf. Als Folge des Muskelabbaus entstehen Hängebauch und Senkrücken. Häufigste Komplikation ist das Auftreten rezidivierender Hufreheschübe, vor allem beim älteren Pferd (Abb.3).


Abb.1 Lockiges Haarkleid, Vorderhand


Abb.2 Supraorbitale Fetteinlagerungen bei einem Isländer.


Abb.3 Chronische Hufrehe, Vorderhand rechts.

Diagnostik des PPID

Aus der anamnestischen und klinischen Befunderhebung ergeben sich bereits erste Hinweise für die Diagnose PPID, hierzu gehören vor allem die Haarwuchsstörungen. Durch ACTH-Basalwertmessungen im Plasma in Verbindung mit weiterführenden endokrinologischen Funktionstests (z.B. TRH-Stimulationstest mit Bestimmung von ACTH) kann die Diagnose ECS abgesichert werden. Die alleinige Cortisol-Basalwertmessung ist nicht aussagekräftig, weil der Cortisolblutspiegel beim ECS auch niedrig sein kann. Hingegen sind die ACTH-Konzentrationen der erkrankten Tiere bis zu 600-fach ­gegenüber denen gesunder Tiere erhöht. ­Allerdings ist zu berücksichtigen, dass für ACTH präanalytische Vorgaben beachtet werden ­müssen und starke saisonale Schwankungen auftreten können [3]. Zur Vorgehensweise der Blutentnahme sollten die Empfehlungen des untersuchenden Labors eingehalten werden. ACTH-Referenzwerte sind nachfolgend aufgelistet [3]:

November bis Juli <= 29pg/ml
Diagnose PPID negativ

August bis Oktober <= 47pg/ml
Diagnose PPID negativ

Weitere labordiagnostische Nebenbefunde sind meist eine Hyperglykämie und mäßige ­Hyperinsulinämie. Die alkalische Phosphatase, Leberenzyme und Triglyceride sind bei länger bestehender Erkrankung häufig ebenfalls erhöht. Besonders bei jüngeren Pferden kann ein ECS im Anfangsstadium dem Equinen meta­bolischen Syndrom (EMS) ähnlich sein. Soll zusätzlich gegen ein EMS abgegrenzt werden, ist die Bestimmung des Seruminsulinspiegels mittels des Glucose-Toleranz- oder des kombinierten Glucose-Insulin-Toleranz-Tests empfehlenswert.

Pharmakologische Therapie

Nichts Neues in der Therapie: Die Erkrankung ist nicht heilbar, aber im Hinblick auf Verbesserung der Symptomatik und damit der Lebensqualität therapierbar. Allerdings erfordert diese eine lebenslange tägliche Behandlung. Pergolid, ein Dopamin-Rezeptor-Agonist, ist ein synthetisch hergestelltes Mutterkornderivat und stimuliert Dopaminrezeptoren. Vor und während der Therapie sind endokrinologische Laboruntersuchungen (s.o.) durchzuführen. Spricht das Pferd „labordiagnostisch“ und klinisch gut auf die Behandlung an, so wird eine zweimalige halbjährliche Kontrolle des ACTH-Spiegels vorgeschlagen, wobei eine Untersuchung im Zeitraum August-Oktober erfolgen sollte. Zudem sollte der Insulinstatus erhoben werden, weil zusätzlich zu Cushing sich oftmals noch eine Insulinresistenz entwickelt.

Pergolid (Prascend®) wird initial in einer ­Tagesdosis von 1,0mg/400–600kg KGW einmal täglich oral verabreicht. Nach 30 Tagen sollte eine initiale Verbesserung der klinischen Symp­tomatik – zunehmende Leistungsfähigkeit, Verbesserung von PU/PD und der Hyperglykämie – festzustellen sein. Labordiagnostisch sollte dazu der ACTH-Plasmaspiegel herangezogen werden. Langfristig, d.h. innerhalb eines Jahres, sollte das Haarkleid verbessert, der Abbau der Muskelmasse reduziert sowie Hufreheschübe und Sohlenabszesse seltener auftreten. Bei Stabilisierung des Gesundheitszustandes kann die Dosis nach einigen Wochen auf die niedrigste noch wirksame Dosis reduziert werden, bei ausbleibender Besserung nach 30 Tagen wird die Dosis um 0,5 bis 1,0mg/Tag (für 400–600kg KGW) erhöht [4]. Bei empfohlener Dosierung treten nur selten geringe und vorübergehende Nebenwirkungen auf wie z.B. Inappetenz, ­Lethargie, leichte ZNS-Störungen. Begleitende Maßnahmen, insbesondere im Hinblick auf die Hufrehe, sind orthopädische Hufkorrekturen sowie Haltungs- und diätetisches Management. Bei Hirsutismus wird bis zum Ansprechen der Therapie vor allem in der warmen Jahreszeit das Scheren des Haarkleides empfohlen. Neben der pharmakologischen Therapie wird alternativ ­eine Behandlung mit Mönchspfeffer (Vitex ­agnus-castus L.) beschrieben [5].

take home

Die rechtzeitige Behandlung ermöglicht den erkrankten Pferden, ein nahezu normales Leben zu führen. Bei früher Erkennung der Leitsymptomatik, konsequenter Behandlung und gutem Haltungs- und Fütterungsmanagement wird die Lebensqualität deutlich verbessert. Wichtig dabei ist, den Patienten durch ein regelmäßiges ACTH-Monitoring zu überwachen und im Bedarfsfall die Dosis anzupassen.

Literatur
[1] Katja Sommer, Das Equine Cushing-Syndrom: Entwicklung eines ACTH-Bioassays für die Ermittlung des biologisch-immunreaktiven Verhältnisses von endogenem ACTH in equinen Blutproben, Inaugural Dissertation, Tierärztliche Hochschule Hannover, 2003
[2] Synlab.vet Labordienstleitsungen, ECS-Profil
[3] Endokrinopathien beim Pferd: Neues zu Cushing und EMS, Laboklin, Bad Kissingen, 2015
[4] Booklet der PPID Working Group, Diagnostics and
Treatment of PPID, 2011, Boehringer Ingelheim
[5] N. Schroer, HundKatzePferd 2012, 40–41

Fotos: © Dr. Junker-Buchheit
© f istockphoto.com, ilonmar

HKP 3 / 2015

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 3 / 2015.
Das komplette Heft zum kostenlosen Download finden Sie hier: zum Download

Der Autor:

Weitere Artikel online lesen

Dr. Birte Reinhold, ICHTHYOL-GESELLSCHAFT
„Endlich hat sich hundkatzepferd zum Fachmagazin für den Tierarzt entwickelt. In der Ausgabe 03/12 fielen neben informativen Neuigkeiten aus dem Praxisbereich und den lustigen Nachrichten aus der Tierwelt viele anspruchsvolle und praxisrelevante Fachartikel in einem ungewöhnlich anschaulichen und erfrischenden Design auf. Auch ein Fachmagazin kann unterhaltsam sein und taugt somit auch nach einem anstrengenden Arbeitstag noch zur Feierabendlektüre im Gartenstuhl. Gefällt mir!“
Prof. Dr. Arwid Daugschies, Universität Leipzig, Veterinärmedizinische Fakultät – VMF
„hundkatzepferd serviert dem Leser den aktuellen Wissensstand in leicht verdaulicher Form. In Zeiten einer erdrückenden Informationsflut tut es gut, wenn solides Wissen auch in erfrischend entspannter Art angeboten wird.“
Dr. Anja Stahn ( Leitung der Geschäftseinheit VET in Europa und Middle East bei der Alere )
Die hundkatzepferd begleitet mich nun schon seit einigen Jahren. Nach wie vor begeistern mich
die Aufmachung, der fachliche und informative Inhalt sowie und die beeindruckenden Fotos des
Fachmagazins. Ganz deutlich ist seit einigen Monaten eine noch stärkere Ausrichtung auf die Belange
und Interessen der Tierärzteschaft zu erkennen. Dies ist sehr erfreulich. Das Magazin gehört in jede
Praxis und sollte unterhaltsame „Pflichtlektüre“ für das ganze Praxisteam sein.