24.11.2024 18:05 - Über uns - Mediadaten - Impressum & Kontakt - succidia AG - Partner
Therapie RSS > Fit für’s Leben

Fit für’s Leben

Früherkennungsschema zur Erkennung von Erkrankungen des neugeborenen Fohlens innerhalb der ersten 24 Lebensstunden

Erkrankungen des neugeborenen Fohlens können sich schnell zu lebensbedrohlichen Zuständen entwickeln. Je früher ein Fohlen mit Störungen in der postnatalen Adaptationsperiode einer tierärztlichen Behandlung zugeführt wird, desto günstiger ist die Prognose für eine erfolgreiche veterinärmedizinische Intervention.

Insbesondere Hobbyzüchter haben Schwierigkeiten, Abweichungen in der frühen Lebensphase zu erkennen und diese in ihrer Bedeutung richtig einzuschätzen. Aus diesem Grunde wurde vor einigen Jahren an unserer Klinik ein Früherkennungsschema entwickelt, welches dem Züchter helfen soll, vitaldepressive Neonaten zu erkennen und bei Störungen den Tierarzt rechtzeitig zu benachrichtigen. Neben den medizinischen Vorteilen, die mit der Nutzung dieses Früherkennungsschemas verbunden sind, stellt es ein Instrument der Kundenbindung in der Pferdepraxis dar.
Erfahrungen an Hunderten von neugeborenen Fohlen sowie wissenschaftliche Untersuchungsergebnisse stellen die Grundlage für das Früherkennungsschema, welches aus zwei Teilen besteht, dar. Es dient der Erfassung von Entwicklungsstörungen bei Fohlen innerhalb der ersten 24 Lebensstunden. Aus eingehender, klinischer Beobachtung und Untersuchung an gesunden Fohlen konnte der zeitliche und ungestörte Ablauf spezieller Verhaltensweisen differenziert erfasst werden. Anhand der physiologischen, in Punkten aufgeführten Verhaltensmuster ist es den Züchtern möglich, rasch Abweichungen zu erkennen. Ein Punkteschema gibt die Möglichkeit einer objektiven Bewertung und somit der richtigen Einschätzung von eventuell vorliegenden Adaptationsproblemen.

Giessener Früherkennungsschema I

Unmittelbar nach der Geburt steht das Ingangkommen der selbständigen Atmung für das Neugeborene im Vordergrund. Hier kann somit direkt nach dem Partus eine Einschätzung der Vitalität (= Lebensfrische) des Fohlens über die Beurteilung der Atmung vorgenommen werden. Bei einem gesunden Fohlen sollten, nach anfänglich unter Umständen unregelmäßiger Atemtätigkeit, spätestens 30 bis 60 Sekunden nach der Geburt regelmäßige Atemzüge beobachtet werden können.
Zweiter Punkt ist die Wertung der körperlichen Verfassung. So werden sich Fohlen bei unauffälligem Verhalten unmittelbar nach der Geburt in Brustlage zu bringen versuchen. Darauf aufbauend, kommt es in der ersten halben Lebensstunde zu Aufstehversuchen, die nach 30 bis 60 Minuten in sicherem Stehen mit der Kontaktaufnahme zum Euter der Mutterstute enden.
Da jegliche Abweichungen vom Normalzustand in den ersten 60 Lebensminuten schon auf Auffälligkeiten im Verhalten, den Beginn oder sogar auf das Vorliegen einer krankhaften Veränderung hinweisen, wurde diese frühe Lebensphase in drei Zeitabschnitte zur besseren Bewertung unterteilt. Mittels genauer Beschreibung des Verhaltens während der ersten zwei Lebensminuten und in der Folge bis zu 30 beziehungsweise 60 Minuten ist die Vergabe von null bis zu drei Punkten gegeben. Nach Bildung der Summe aus den einzelnen, zugesprochenen Punkten ist eine Aussage hinsichtlich der Lebensfrische der Tiere möglich.
Fohlen, die in der ersten Lebensstunde 8 bis 9 Punkte zugesprochen bekommen, können bis zu diesem Zeitpunkt als gesund und lebensfrisch bezeichnet werden. Bei einer Einstufung zwischen 7 und 6 Punkten ist bereits eine genaue Kontrolle und damit gegebenenfalls eine leichte tierärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Bei Fohlen, die nach dem Gießener Monitoring-System I weniger als 6 Punkte erhalten, ist hingegen das sofortige Hinzuziehen einer Tierärztin oder eines Tierarztes geraten, da in hohem Maße eine Gefahr für das Leben besteht. Nur sofortiges Eingreifen kann dann schlimmere Folgen vermeiden.

Giessener Früherkennungsschema II

Bei diesem System kommt es zu einer Erweiterung der zu erfassenden Parameter. Neben der Beurteilung des Stehvermögens und dem Kontakt zur Mutterstute, wird auch die Funktionalität einzelner Organsysteme überprüft. Ein gesundes Fohlen muss nach einer Stunde sein Stehvermögen vollständig ausgeprägt haben und sich kontrolliert und zielgerichtet in der Box bewegen können. In sehr engem Zusammenhang dazu stehen der regelmäßige Kontakt zum Muttertier und die damit verbundene Tränkeaufnahme am Euter.
Als wichtiger, physikalisch zu ermittelnder Kontrollpunkt hat sich die Körpertemperatur der Neugeborenen erwiesen. Bei dem sehr eng gesteckten Normalbereich zwischen 38,5 °C und 38,8 °C, zeigen schon geringe Abweichungen von der physiologischen Körperinnentemperatur beginnende oder bereits ausgeprägte Erkrankungen auf.
Das Mekonium sollte acht Stunden nach der Geburt vollständig abgegangen sein. Wenn Fohlen im Anschluss an diese Zeitspanne noch ein vermehrtes Pressen auf Kot zeigen, ist dies als ein Hinweis auf eine Mekoniumverhaltung zu werten. Ebenso kann es zum Beispiel unter der Geburt oder durch Trittverletzung unerfahrener Mutterstuten zu einem Einreißen der Harnblase und einem daraus folgenden lebensbedrohlichen Zustand kommen. In diesen Fällen wird dem Züchter oder Betreuer auffallen, dass diese Fohlen häufig die Körperhaltung einnehmen, die auf ein Harn absetzen deutet, ohne dass jedoch dieses beobachtet werden kann.
Auch die vollständige Funktionalität der Lunge wird in diesem Lebensabschnitt nochmals beurteilt. Im direkten Bezug zu den Beurteilungen der einzelnen Unterpunkte ist auch im Gießener Früherkennungsschema II die Vergabe von höchstens 3 Punkten möglich. Die Einstufung in die einzelnen Vitalitätsgruppen erfolgt genau wie im ersten Schema von gesunden Fohlen bis zu hochgradig gefährdeten Tieren nach Bildung der Summe der zugewiesenen Punkte.

Axel.Wehrend@vetmed.uni-giessen.
Brit-Ragna.Richter@vetmed.uni-giessen.de

HKP 3 / 2009

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 3 / 2009.
Das komplette Heft zum kostenlosen Download finden Sie hier: zum Download

Die Autoren:

Weitere Artikel online lesen

Dr. Birte Reinhold, ICHTHYOL-GESELLSCHAFT
„Endlich hat sich hundkatzepferd zum Fachmagazin für den Tierarzt entwickelt. In der Ausgabe 03/12 fielen neben informativen Neuigkeiten aus dem Praxisbereich und den lustigen Nachrichten aus der Tierwelt viele anspruchsvolle und praxisrelevante Fachartikel in einem ungewöhnlich anschaulichen und erfrischenden Design auf. Auch ein Fachmagazin kann unterhaltsam sein und taugt somit auch nach einem anstrengenden Arbeitstag noch zur Feierabendlektüre im Gartenstuhl. Gefällt mir!“
Prof. Dr. Arwid Daugschies, Universität Leipzig, Veterinärmedizinische Fakultät – VMF
„hundkatzepferd serviert dem Leser den aktuellen Wissensstand in leicht verdaulicher Form. In Zeiten einer erdrückenden Informationsflut tut es gut, wenn solides Wissen auch in erfrischend entspannter Art angeboten wird.“
Dr. Anja Stahn ( Leitung der Geschäftseinheit VET in Europa und Middle East bei der Alere )
Die hundkatzepferd begleitet mich nun schon seit einigen Jahren. Nach wie vor begeistern mich
die Aufmachung, der fachliche und informative Inhalt sowie und die beeindruckenden Fotos des
Fachmagazins. Ganz deutlich ist seit einigen Monaten eine noch stärkere Ausrichtung auf die Belange
und Interessen der Tierärzteschaft zu erkennen. Dies ist sehr erfreulich. Das Magazin gehört in jede
Praxis und sollte unterhaltsame „Pflichtlektüre“ für das ganze Praxisteam sein.