24.11.2024 21:35 - Über uns - Mediadaten - Impressum & Kontakt - succidia AG - Partner
Parasitologie RSS > Canine granulozytäre Anaplasmose – eine vektorübertragene Erkrankung

Canine granulozytäre Anaplasmose – eine vektorübertragene Erkrankung

Zecken im Anmarsch

Vektorübertragene Erkrankungen spielen in der Kleintiermedizin eine immer größere Rolle. Nicht nur importierte Hunde aus Mittelmeerländern, die u.a. an Leishmaniose, Ehrlichiose oder Dirofilariose erkrankt sein können, stellen eine Herausforderung für den Tierarzt dar. Auch in unseren Breitengraden sind Infektionserkrankungen, die von Arthropoden übertragen werden, auf dem Vormarsch.

Abb.1 Ixodes ricinus – Überträger der caninen granulozytären Anaplasmose.

In den letzten Jahren wurde zunehmend über die Ausbreitung von Zecken und deren Erreger berichtet. Insbesondere Hunde sind gefährdet, da sie häufig einem Zeckenbefall ausgesetzt sind. Die in Deutschland am weitesten verbreitete und am häufigsten vorkommende Zeckenart ist Ixodes ricinus (Abb.1). Diese kann nicht nur den Erreger der caninen granulozytären Anaplasmose, Anaplasma phagocytophilum, übertragen, sondern auch andere Pathogene wie z.B. Babesien, Borrelien und ­Rickettsien beherbergen.

Erreger, Epidemiologie und Pathogenese

Seitdem der erste Fall von caniner Anaplasmose in Europa Anfang der 1990er-Jahre beschrieben wurde, gewinnt die Erkrankung zunehmend an Bedeutung. Der Er­reger ist Anaplasma phagocytophilum, ein Gram-negatives, obligat intrazelluläres Bakterium, das zu den Rickettsiales gehört [1]. Zur Gattung Anaplasma gehören weitere Arten, von denen Anaplasma platys bei Hunden mit Aufenthalt in Mittelmeerländern differenzialdiagnostisch zu berücksichtigen ist. Dabei handelt es sich um den Erreger der infektiösen zyklischen Thrombozytopenie (thrombozytotrope Anaplasmose). Diese gilt als Reisekrankheit und ist bisher in Deutschland nicht endemisch. Die Seroprävalenz, also das Auftreten von Antikörpern im Serum, liegt für Anaplasma phagocytophilum in Europa beim Hund zwischen 1% und 57%, in Deutschland je nach Region zwischen 19% und 50% [2–6]. Antikörper im Serum bedeuten aber nicht, dass der Hund krank ist, sondern dass er eine unter Umständen schon länger zurückliegende „Begegnung“ mit dem Erreger nach einem Zeckenbiss hatte. Je nach Wetterbedingungen kann die Zecke ganzjährig aktiv sein, d.h., Erkrankungen können ganzjährig vorkommen. Eine Häufung der Erkrankungsfälle ist im Frühsommer und Sommer zu beobachten [7]. Die Zecke muss nach dem Stich etwa 24–48 Stunden am Hund saugen, damit es zu einer Übertragung des Erregers kommen kann. Anaplasma phagocytophilum befällt neutrophile Granulozyten, seltener auch Eosinophile, in denen sich der Erreger in zytoplasmatischen Vakuolen vermehrt und Einschlusskörperchen, sog. Morulae, bildet (Abb.2). Befallene Granulozyten platzen und setzen dabei die Erreger frei, die sich über den Blut- und Lymphweg im Körper verbreiten und weitere Zellen befallen können [8]. Eine Infektion über infiziertes Hundeblut ist ebenfalls möglich. Dies wird experimentell genutzt, stellt aber auch ein Risiko bei Bluttransfu­sionen dar.


Abb.2 Morulae in den neutrophilen Granulozyten.

Klinik

Die Inkubationszeit der caninen granulozytären Anaplasmose beträgt ein bis zwei Wochen. Meistens tritt die Erkrankung akut auf. Subklinische Verlaufsformen sind möglich und scheinen aufgrund der hohen Seroprävalenz häufig zu sein [3,9]. Die klinischen Symptome sind meist unspezifisch: Apathie, Fieber und Inappetenz kommen am häufigsten vor. Abdominal- und Gelenkschmerzen können ebenso auftreten. Seltener werden Blutungen sowie gastrointestinale, neurologische oder respiratorische Symptome beobachtet. Eine typische Laborwertveränderung stellt die Thrombo­zytopenie dar, die oft von einer Anämie begleitet wird. Das Differenzialblutbild zeigt häufig eine Monozytose und Lymphopenie. Eine Erhöhung der alkalischen Phosphatase, eine Hypoalbuminämie, Hyperglobulinämie und milde Hyperbilirubinämie sind regelmäßig auftretende Abweichungen der klinischen Chemie. Bei der Röntgen- und Ultraschalluntersuchung fällt oft eine homogene Splenomegalie auf (Abb.3) [7–12].


Abb.3 Vergrößerte Milz auf dem laterolateralen Röntgenbild des Abdomens bei einem Hund mit Anaplasmose.

Diagnostik

Die Diagnose „Anaplasmose“ sollte nur gestellt werden, wenn mehrere Befunde kombiniert auftreten: Eine entsprechende Anamnese (Zeckenbefall, Bluttransfusionen) zusammen mit typischen klinischen und labordiagnostischen Befunden und dem direkten oder indirekten Erregernachweis. Der direkte Erregernachweis mittels real-time PCR (Polymerasekettenreaktion) aus EDTA-Blut ist die sicherste Methode des Erregernachweises [13,14]. Die Probennahme sollte unbedingt vor Therapiebeginn mit Antibiotika erfolgen. Ein negatives PCR-Ergebnis schließt allerdings eine Infektion mit Anaplasma phagocytophilum nicht aus. Eine weitere Möglichkeit ist der Nachweis von Morulae in den neutrophilen Granulozyten. Dazu muss ein Blutausstrich oder ein „Buffy-Coat“-Ausstrich angefertigt und angefärbt werden. Ein negativer Befund bedeutet allerdings nicht, dass keine Erkrankung vorliegt, da Morulae meist nur kurzzeitig im Blut zu finden sind. Die Anzucht des Erregers auf Spezialmedien ist zwar möglich, allerdings für die Routine­diagnostik nicht geeignet.

Der indirekte Erregernachweis mittels Nachweis von Antikörpern eignet sich nicht zur Diagnosesicherung. Zum einen können die Hunde zu Beginn der Erkrankung noch seronegativ sein, zum anderen gibt ein einmaliger positiver Antikörpernachweis zwar einen Hinweis auf einen stattgefundenen Erregerkontakt, ist aber ungeachtet der Titerhöhe wegen der hohen Seroprävalenz und der häufig klinisch inapparent verlaufenden Infektionen nicht diagnostisch für eine akute Infektion. Das heißt: Serologisch negative Hunde können an Anaplasmose erkrankt sein, bei positiven Hunden steht der serologische Nachweis nicht unbedingt im Zusammenhang mit den klinischen Symptomen. Ein 4-facher Titeranstieg innerhalb von drei bis vier Wochen kann zur Diagnosestellung herangezogen werden. Allerdings können bei importierten Hunden Kreuzreaktionen, z.B. mit Anaplasma platys, das Ergebnis verfälschen und sollten mitbedacht werden.

Therapie

Ist die Diagnose gestellt oder liegt ein begründeter Verdacht auf eine Infektion vor, wird sofort mit der Therapie begonnen. Das Antibiotikum der Wahl ist Doxycyclin 5mg/kg 2x täglich per os für zwei bis drei Wochen. Treten unerwünschte Nebenwirkungen wie gastrointestinale Symptome oder unvorhersehbare Leberwertveränderungen auf, so kann alternativ Chlor­amphenicol (15–25mg/kg 3x täglich per os für zwei bis drei Wochen) verwendet werden. Weitere therapeutische Maßnahmen hängen von den Symptomen ab und beinhalten z.B. eine Infusionstherapie, fiebersenkende Medikamente und Analgetika bei Gelenkschmerz (z.B. Metamizol) sowie evtl. Antiemetika und Protonenpumpenhemmer bei Vomitus. Bei schweren Verlaufsformen mit Thrombozytopenie und/oder Anämie kann die Verabreichung von Blutprodukten lebensrettend sein, ist aber selten nötig. In Ausnahmefällen und bei Verdacht auf immunmediierte Symptome (z.B. immunbedingte Thrombozytopenie, Polyarthritis) ist eine kurzzeitige Prednisolongabe gerechtfertigt. Die Prognose ist bei korrekter Diagnose und Therapie gut. Es ist bisher ungeklärt, ob und wie häufig es chronisches Trägertum gibt oder ob der Erreger vollständig eliminiert werden kann.

Prophylaxe

Eine Impfung gegen die canine granulozytäre Anaplasmose gibt es nicht. Die regelmäßige ganzjährige Anwendung von Ektoparasitika kann das Risiko einer Infektion, nicht nur mit Anaplasmen, sondern auch mit anderen vektorübertragenen Erregern deutlich minimieren.

Anaplasmose und Katzen

Es sind bisher nur wenige Fallberichte zu Katzen mit Anaplasmose veröffentlicht. Sie scheinen für diese Erkrankung weniger empfänglich zu sein als Hunde. Erkranken sie dennoch, treten wie beim Hund Apathie, Anorexie, Fieber und Lymphadenopathie sowie Anämie und Thrombozytopenie auf [15,16].

take home

Wird ein Hund mit unspezifischen Symptomen wie Fieber und Apathie in der Praxis vorgestellt, sollte differenzialdiagnostisch an Anaplasmose gedacht werden. Die Verdachtsdiagnose kann am sichersten mittels PCR-­Untersuchung bestätigt werden. Das Antibiotikum der Wahl ist Doxycyclin.

Literatur bei den Autorinnen und auf www.hundkatzepferd.com

Foto: www.wiki.bildungsserver.de

HKP 3 / 2014

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 3 / 2014.
Das komplette Heft zum kostenlosen Download finden Sie hier: zum Download

Die Autoren:

Weitere Artikel online lesen

Dr. Birte Reinhold, ICHTHYOL-GESELLSCHAFT
„Endlich hat sich hundkatzepferd zum Fachmagazin für den Tierarzt entwickelt. In der Ausgabe 03/12 fielen neben informativen Neuigkeiten aus dem Praxisbereich und den lustigen Nachrichten aus der Tierwelt viele anspruchsvolle und praxisrelevante Fachartikel in einem ungewöhnlich anschaulichen und erfrischenden Design auf. Auch ein Fachmagazin kann unterhaltsam sein und taugt somit auch nach einem anstrengenden Arbeitstag noch zur Feierabendlektüre im Gartenstuhl. Gefällt mir!“
Prof. Dr. Arwid Daugschies, Universität Leipzig, Veterinärmedizinische Fakultät – VMF
„hundkatzepferd serviert dem Leser den aktuellen Wissensstand in leicht verdaulicher Form. In Zeiten einer erdrückenden Informationsflut tut es gut, wenn solides Wissen auch in erfrischend entspannter Art angeboten wird.“
Dr. Anja Stahn ( Leitung der Geschäftseinheit VET in Europa und Middle East bei der Alere )
Die hundkatzepferd begleitet mich nun schon seit einigen Jahren. Nach wie vor begeistern mich
die Aufmachung, der fachliche und informative Inhalt sowie und die beeindruckenden Fotos des
Fachmagazins. Ganz deutlich ist seit einigen Monaten eine noch stärkere Ausrichtung auf die Belange
und Interessen der Tierärzteschaft zu erkennen. Dies ist sehr erfreulich. Das Magazin gehört in jede
Praxis und sollte unterhaltsame „Pflichtlektüre“ für das ganze Praxisteam sein.