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Es juckt noch immer

Eine der häufigsten Gründe, weshalb Hunde in der Kleintiersprechstunde vorstellig werden, ist der Juckreiz. In der letzten Ausgabe von hundkatzepferd berichtete Dr. Martin Bucksch über die Ursachen und die Bedeutung einer gründlichen Anamnese. Im zweiten Teil des Beitrags beleuchtet er nun die diagnostische Aufarbeitung und Therapie des Juckreizes beim Hund.

Spezielle Diagnostik

Nach Anamneseerhebung und klinischer Allgemeinuntersuchung stellt sich die Frage nach weiterführender Diagnostik. Nur wenige Krankheitsursachen können mit bloßem Auge wahrgenommen werden (Flohbefall, Nachweis von Flohkot). Jedoch stehen dem Kliniker einige einfache und schnelle Untersuchungsmethoden zur Verfügung, mittels derer sich oftmals eine Diagnose stellen lässt.

Diagnostische Therapie

Ausschlussdiät= atopische Dermatitis (ausschl. auf Nahrungsbestandteile, Synonym Futtermittelunverträglichkeit, Futtermittelallergie etc.), Nahrungsmittelintoleranzen. Antiparasitäre Therapie= Ausschluss von flohallergischer Dermatitis, Sarkoptesbefall, Insektenstichüberempfindlichkeit etc. Von entscheidender Bedeutung bei der Wahl der diagnostischen Vorgehensweise sind die Reihenfolge und der Ausschluss der zunächst wahrscheinlichsten Ursache.
Berücksichtigt werden sollte hierbei stets, dass gleichzeitig mehrere Ursachen für Juckreiz vorliegen können. So haben ca. 10 % der Hunde mit atopischer Dermatitis (Umweltallergene) gleichzeitig eine Allergie gegen Nahrungsmittelbestandteile. Praktisch jede Dermatose und besonders Allergien können durch sekundäre Haut- oder Ohrinfektionen verkompliziert werden (das gilt auch für die meisten Ektoparasiten). Vorbehandlungen beispielsweise mittels kortikosteroidhaltiger Präparate können eine „latente“ Demodikose hervorbringen usw. Bei Juckreiz (s. Kasten) sollten zunächst Ektoparasiten ausgeschlossen werden. Dies kann mittels Flohkotnachweis, Tesafilmabklatschpräparate, Trichogramme sowie durch Hautgeschabsel geschehen. Besonders von nässenden Läsionen kann leicht ein zytologisches Abklatschpräparat gewonnen werden, das Aufschluss über Infektionen mit Bakterien oder Hefepilzen (Malassezien) geben kann. Im Fall sekundärer Hautinfektionen ist es stets sinnvoll, diese zunächst zu therapieren, um zu evaluieren, wie viel Juckreiz nach erfolgreicher Behandlung noch besteht und somit der „Primärerkrankung“ zuzuordnen ist.

Vorgehensweise bei Juckreiz unbekannter Ursache

Liegt keine deutlich erkennbare Ursache – nach erfolgter Behandlung von eventuell festgestellten Parasiten und Hautinfektionen (!) – für einen bestehenden Juckreiz vor, sollte zunächst dennoch eine diagnostische antiparasitäre (flohwirksame, akarizide) Therapie eingeleitet werden. Auch ein negativer Floh- oder Sarkoptesnachweis kann keinen Befall mit einem der beiden ausschließen. Zudem sind ca. 10 % der Hunde mit Sarkoptesbefall serologisch negativ, weshalb auch ein negativer Antikörpertiter nicht zwingend eine Infestation auszuschließen in der Lage ist (ein positiver Titer gibt auf der anderen Seite ebenfalls keine diagnostische Sicherheit, da er lediglich von einer Exposition zeugt und darüber hinaus auch nach erfolgreicher Behandlung noch über ein Jahr lang bestehen bleiben kann). Bei darüber hinaus fortbestehendem Juckreiz sollte zusätzlich oder im Anschluss (zumindest bei ganzjährig bestehendem Juckreiz) eine rigorose, idealerweise hausgemachte Ausschlussdiät über einen Zeitraum von mindestens 8 Wochen durchgeführt werden. Ist dies erfolglos geschehen, können erst dann serologische oder intrakutane Allergietests herangezogen werden, um bei Verdacht auf eine atopische Dermatitis mögliche Allergene auszumachen und gegebenenfalls eine Immuntherapie als Option in Erwägung zu ziehen sowie (häufig vergessen), falls möglich, eine gezielte Allergenvermeidung zu praktizieren.
Es kann nicht oft genug betont werden, dass die Diagnose „Allergie“ bzw. atopische Dermatitis (Umweltallergene) eine klinische (Verdachts)diagnose ist, die erst bei persistierendem Juckreiz nach Ausschluss aller anderen, infrage kommenden (Juckreiz verursachenden) Erkrankungen (Parasiten, primäre und sekundäre Hautinfektionen, Nahrungsmittelallergien etc.) zu stellen ist, da eine klinische Unterscheidung vieler juckender Dermatosen aufgrund des Verteilungsmusters vorhandener Effloreszenzen/ manifestiertem Juckreiz nicht möglich ist.

Therapie

Die Behandlung Juckreiz verursachender Erkrankungen fußt auf mehreren Säulen: Hautinfektionen, Parasitenbefall, bestimmte Neoplasien etc. können unter Umständen „kurativ“ behandelt werden (Antiparasitika, topische und/oder systemische Antibiotika bzw. Antimykotika, Chirurgie etc.). Bei der Behandlung von Dermatosen allergischer Genese (selten Autoimmunerkrankungen) ist in der Regel eine kurative Therapie nicht möglich. Die Behandlungsoptionen beinhalten daher ein meist komplexes Behandlungsprotokoll, das hauptsächlich der „Kontrolle“ und weniger der kurativen Behandlung der Erkrankung dient (auch hier gibt es Ausnahmen, wie z.B. die beschriebene Remission bei atopischer Dermatitis nach erfolgter Immuntherapie über längere Zeiträume) und meist eine Kombination verschiedener Wirkstoffe/Nahrungsergänzungen bzw. systemischer und topischer Anwendungen beinhaltet. Hunde, die an Allergien auf Nahrungsbestandteile leiden, können natürlich in der Regel mittels geeigneter Diäten symptomfrei gehalten werden (auch hier keine „Heilung“).

- Antihistamine (z.B. Cetirizin) zeigen beim Hund nur etwa in 30 % der Fälle Wirkung. Da sie jedoch eine nebenwirkungsarme, kostengünstige Behandlungsoption darstellen, ist es nach Meinung des Autors stets einen „Versuch wert“, bevor auf andere Wirkstoffe wie Kortikosteroide zurückgegriffen wird.

- Kortikosteroide (Prednisolon, Prednison, etc.) können nach Meinung vieler Dermatologen besonders bei saisonaler Atopie eine vertretbare Option darstellen (Juckreiz auf einige Monate im Jahr beschränkt). Eine gleichzeitige Substitution mit mehrfach ungesättigten, „essenziellen“ Fettsäuren scheint über längere Zeiträume oftmals eine Dosisreduktion der Kortikosteroide zu ermöglichen. Zudem spielen diese eine wichtige Rolle in der Entzündungshemmung sowie beim Aufbau der protektiven Barrierefunktion der Haut. Das Verhältnis Omega-3/Omega- 6 scheint nicht die Rolle zu spielen, die diesem lange Zeit beigemessen wurde.

- Ciclosporin stellt eine anscheinend relativ nebenwirkungsarme Alternative zu Kortikosteroiden dar, wenngleich mit höheren Kosten und verzögertem Wirkungseintritt verbunden.

Die spezifische Immuntherapie ist besonders im Fall asaisonaler Allergien die Behandlung der Wahl, da sie keine oder kaum (selten allergische Reaktionen) Nebenwirkung hat und in 60 – 70 % der Fälle zu einer deutlichen Verbesserung der Symptome führt. In vielen Fällen ist eine vorübergehende oder permanente Kombination der weiteren genannten Behandlungsmethoden sinnvoll. Topische Behandlungen mit Sprays auf Basis von nicht oder nur in geringem Ausmaß transkutan resorbierbaren Kortikosteroiden und Juckreiz lindernde Shampoos (die zudem potenzielle Allergene schlicht aus dem Fell/von der Haut herunterwaschen), können selten allein, vielmals jedoch in Kombination mit den oben genannten Behandlungsmethoden erfolgreich eingesetzt werden.

Noch einmal: Sekundäre Hautinfektionen durch Bakterien, Hefepilze etc. müssen vorab/gleichzeitig therapiert werden.

Ein weiterer Aspekt bei der Behandlung allergischer Patienten ist das Ziel, sämtliche, potenziell zu einer Überschreitung der Juckreizschwelle führenden Faktoren möglichst zu unterbinden. Flohbisse können beispielsweise als auslösende/aufrechterhaltende Faktoren einer atopischen Dermatitis agieren. Daher sollte ein an AD leidender Patient idealer Weise gegebenenfalls ganzjährig mittels „repellierender“ Präparate geschützt werden. An AD (Umweltallergene) leidende Patienten, die nicht primär auf Nahrungsbestandteile reagieren, können oftmals dennoch mittels einer „hypoallergenen“, gegebenenfalls mit mehrfach ungesättigten FS angereicherten Diät unterhalb ihrer individuellen Juckreizschwelle gehalten werden.
Patienten, die an einer flohallergischen Dermatitis leiden, müssen selbstverständlich ebenfalls am besten ganzjährig und mittels „repellierender“ Präparate vor Flohbefall/- bissen geschützt werden. Hunde, die zu rezidivierenden Pyodermien neigen, können gegebenenfalls „prophylaktisch“ in regelmäßigen Intervallen mit antiseptischen
Shampoos behandelt werden. In diesen Fällen kann sogar eine orale „Pulstherapie“ mit Antibiotika erforderlich sein bzw. eine Option darstellen. Die Behandlung psychischer Störungen, die zu Juckreiz führen, sollte nach gestellter Diagnose ebenfalls gezielt durchgeführt werden.

info@tieraerztegmbh-hamburg.de

Foto: © Lobke Peers, istockphoto.com

HKP 6 / 2009

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 6 / 2009.
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