Ektoparasiten auf der Weide – Gefahren werden vielfach unterschätzt
Ektoparasiten auf der Weide – Gefahren werden vielfach unterschätzt
Gerade in den Sommermonaten werden Pferde, Kühe oder Schafe auf der Weide primär von fliegenden Insekten, aber immer mehr auch von Zecken attackiert. Diese Ektoparasiten stürzen sich dann gierig auf alles, was warmes Blut in den Adern hat und der Klimawandel mit der globalen Erwärmung führt zu einem raschen Ansteigen der heimischen Populationen und begünstigt in unseren Breiten die aus südlichen Ländern stammenden Parasiten wie bestimmte Culiciden, Tabaniden oder Zecken. Auch ein kurzer Kälteeinbruch, wie jetzt im Februar 2012 erfolgt, beeinträchtigt diese Entwicklung keineswegs.
Doch nicht genug damit, beim Saugakt können heimtückische Infektionskrankheiten übertragen werden, die unter Umständen ganze Bestände dezimieren. So wurden wir erst in jüngster Vergangenheit von der Blauzungenkrankheit überrascht und im letzten Jahr traten die ersten Fälle des Schmallenberg-Virus bei uns auf. Wieder einmal waren es Insekten, die als Vektoren auch für diese Infektionskrankheiten fungierten. Impfungen und/oder medikamentöse Therapien stehen bei Auftreten solch neuer Infektionskrankheiten nicht immer gleich zur Verfügung, sodass die Prophylaxe gegenüber Ektoparasiten nicht nur an Bedeutung gewinnt, sondern gleichfalls auch als Infektionsprophylaxe bewertet werden kann.
Veterinärmedizinisch wichtige Ektoparasiten auf der Weide
Bei den im Freiland auftretenden, veterinärmedizinisch bedeutenden Ektoparasiten handelt es sich vornehmlich um Dipteren (Zweiflügler) und Zecken (Metastigmata), die vornehmlich Wiederkäuer und Einhufer befallen. Schweine sind hier weniger betroffen, da die Auslaufhaltung eher eine Ausnahme darstellt. Tabelle 1 bietet eine Übersicht zu den wichtigsten im Freiland auftretenden Ektoparasiten, wobei das Auftreten dieser Arten in starkem Maße vom Standort der Weide abhängt. Einerseits gibt es Arten, die primär auf Weiden in Stallnähe auftreten wie beispielsweise die Stomoxys-Arten. Viele Mückenarten (Culex spp.) sind auf stehende Brutgewässer angewiesen, sodass man sie oft auf Weiden in der Nähe solcher Gewässer findet. Kriebelmücken hingegen sind an fließende Gewässer mit hohem Sauerstoffgehalt sowie an das Vorhandensein von Wasserpflanzen und Steinen gebunden. Tabaniden beispielsweise bevorzugen sonnige Weiden zur Mittagszeit und benötigen Sumpfgebiete oder feuchte Habitate zur Brutpflege. Ebenso zu den Ektoparasiten der Nutztiere zählen Räudemilben, Haarlinge und Lausfliegen, die jedoch in diesem Zusammenhang vernachlässigt werden sollen. Völlig unberücksichtigt, aber dennoch erwähnt werden muss, dass die Weidehaltung auch zu Befall von Endoparasiten führen kann.
Das Gefährdungspotenzial von auf der Weide auftretenden Ektoparasiten
In erster Linie führen die auf der Weide auftretenden Ektoparasiten in den Nutztierbeständen immer zu Unruhe und Nervosität. Gerade das tiefe markante Brummen anfliegender Bremsen bewegt viele Weidetiere oft zu panischen Fluchten. Genauso sorgen Augenfliegen durch ihr massenhaftes Auftreten an Augen, Nüstern und Maul oft für eine andauernde Unruhe. Nicht selten ist ein rasches Nachlassen der Zucht- und Wirtschaftsleistung die Folge. Ein zweites Leitsymptom ist vielfach der durch stechende Insekten bedingte, unstillbare Juckreiz, der die betroffenen Tiere zwingt, sich heftig zu scheuern und zu beißen. Folgen sind abgescheuerte Haare, Hautläsionen mit Schuppen- und Krustenbildung, oft gefolgt von Sekundärinfektionen. Gerade bei Tabaniden sind die Einstichstellen meist relativ groß und verursachen durch Verletzungen der peripheren Nerven teils massive Schmerzen. Hinzu kommt, dass Tabaniden beim Stich ein gerinnungshemmendes Sekret, das hochmolekulare Polypeptid Tabanin injizieren, weshalb die Wunden stark nachbluten und so auch nichtstechende Dipteren anlocken, die diese Wunden als Nahrungsquelle nutzen. Blutverluste sind dadurch wie auch durch den Saugakt nicht unerheblich, zumal Tabanus bovis bis zu 682 mg Blut aufnehmen kann. Bei hohen Anflugraten ergibt sich ein Blutverlust von 100 bis 300 ml pro Tier und Tag. Das Speicheltoxin von Simuliidae soll außerdem das Atemzentrum lähmen, lokal entzündungserregend sowie herz- und gefäßschädigend sein. In Abhängigkeit von der Anzahl der Stiche durch Simuliidae kommt es zu petechialen Hautblutungen, subkutanen Ödemen sowie zur erhöhten Atem- und Herzfrequenz. In schweren Fällen kann eine Simuliotoxikose mit Herz-, Kreislaufversagen innerhalb weniger Stunden zum Tode des Nutztieres führen. Insbesondere blutsaugende Insekten und Zecken fungieren dann vielfach noch als Vektoren und übertragen oft heimtückische Infektionskrankheiten. Die Tabellen 2 und 3 bieten eine Übersicht zu den von Dipteren und Zecken übertragenen pathogenen Erregern und Krankheiten. Auch der in jüngster Vergangenheit bei Rindern, Schafen und Ziegen aufgetretene Schmallenberg-Virus wird durch Gnitzen und Stechmücken übertragen.
Mit der richtigen Strategie gegen Ektoparasiten auf der Weide
Eine maßgebliche Frage, die zu Beginn einer solchen Strategie stehen sollte, ist, welche Ektoparasiten überhaupt auftreten. Daraus resultierende Gegen- und/oder Abwehrmaßnahmen stellen stets eine Einzelfalllösung dar und können, wie auch die nachfolgenden Ausführungen, nicht als allgemein verbindliche Empfehlungen bewertet werden. Die unabdingbare, exakte Bestimmung von Insekten bereitet im Freiland häufig Schwierigkeiten, sodass man oft über den Fang von Insekten an bessere Ergebnisse kommt. Eine innovative Insektenfalle, die über CO2 und natürliche Lockstoffe (Ammoniak, Milchsäure, Fettsäure) blutsaugende Insekten anlockt, kann hier gute Dienste leisten. Weidemanagement sowie hygienische Maßnahmen können die Entwicklungsmöglichkeiten vieler Ektoparasiten zumindest erschweren. So können Dungkäfer zur Austrocknung des Nutztierkotes genutzt werden, der in getrocknetem Zustand von Fliegen oder Bremsen nicht mehr zur Larvalentwicklung genutzt werden kann. Eine relativ neue, von der Uni Berlin entwickelte Zauntechnik, bei der ein mit Deltamethrin und UV-Schutzfaktor imprägniertes Netz um den Weidezaun gespannt wird, führt nach Literaturangaben zu einer 30 – 60 %igen Reduzierung von Dipteren. Ein in der Nähe von Weiden befindliches stehendes Brutgewässer von Mücken kann mit dem für Mensch, Nutztier und Umwelt völlig ungefährlichen Bacillus thuringiensis behandelt werden, deren Exotoxine die Larvalentwicklung von Mücken (Culicidae) nachhaltig stören. Fließgewässer müssen mechanisch entrümpelt und entkrautet werden, um sie als Brutgewässer für Kriebelmücken unbrauchbar zu machen. Weidepferden sollten Unterstände zur Verfügung stehen, da viele Ektoparasiten, vor allem Tabanidae und Simuliidae, den Wirtstieren nicht in geschlossene Räume folgen. Vorsicht ist zu wahren bei Repellentien, insbesondere bei solchen mit ätherischen Ölen, deren Wirkung umstritten ist und deren Nebenwirkungen vielfach nicht untersucht sind. Besser beraten ist man, wenn man sich bei Insekten abwehrenden Mitteln auf die zugelassenen Präparate konzentriert, die einer strengen Prüfung der Wirksamkeit und Verträglichkeit nach Arzneimittelgesetz unterliegen. Als Darreichungsformen sind hier der Ohrclip sowie das Pour-on-Verfahren auf dem Markt. Beiden ist gemein, dass so die Weidetiere über einen längeren Zeitraum gegen Ektoparasiten geschützt sind. Bei den Wirkstoffen dominieren hier die Pyrethroide wie Permethrin (z.B. Auriplak Ohrclip), Deltamethrin (z.B. Butox), Flumethrin (z.B. Bayticol), Cypermethrin (z.B. Flectron) und Cyfluthrin (Bayofly). Aber ebenso sind Wirkstoffe wie Doramectin, Eprinomectin, Ivermectin und Moxidectin im Einsatz. Ein Präparat, das explizit zur Bekämpfung der Gnitzen (Culicoides) als Überträger der Blauzungenkrankheit und des Schmallenberg-Virus zugelassen ist, bietet der Markt im Moment nicht. In einer Studie (G. Liebisch et al., Labor für klinische Diagnostik und Prüfung, Burgwedel, 2008) konnte nachgewiesen werden, dass Bayofly mit dem Wirkstoff Cyfluthrin auch hoch effizient gegenüber Gnitzen (Ceratopogonidae) ist. Die Empfehlung der Studie lautet, dass dieses Bekämpfungsverfahren auch bei einer Vakizinierung der Bestände sinnvoll sei. Vakzine sind hier eher die Ausnahme, man kennt sie zur Prophylaxe der Blauzungenkrankheit bei Rindern und Q-Fieber-Infektion bei Schafen.
Afrika nutzt die Natur und macht aus der Not eine Tugend
Ektoparasiten auf der Weide stellen ein weltweites Problem dar, das sich mit zunehmenden Außentemperaturen verschärft. In Afrika beispielsweise vernichten Tsetsefliegen ganze Rinderherden und ruinieren die ohnehin verarmten Bauern. Da sich teure Pestizide dort keiner leisten kann, hat sich das ICIPE-Institut (International Centre of Insect Physiology and Ecology) in Nairobi darauf spezialisiert, nach einer billigeren Variante, nämlich nach natürlichen Feinden von Schädlingen, zu forschen. Nicht wirklich wissenschaftlich spektakulär, aber dennoch hoch effizient ist die Entdeckung, dass die großen Waterbuck-Antilopen unbekümmert in Tsetse regionen grasen können, weil sie einen Geruch verströmen, der die Fliege buchstäblich umhaut. Forschern vom ICIPE ist es gelungen, die chemische Zusammensetzung dieses Duftes zu isolieren und im Labor zu synthetisieren. Seither tragen viele Rinder in Kenia ein kostengünstiges Halsband mit eben diesem Geruchsstoff, was zu einem dramatischen Rückgang der an der Schlafkrankheit verendeten Rinder geführt hat. Bleibt zu fragen, was eigentlich die deutsche Wissenschaft macht? Oder müssen wir aus Goethes Faust zitieren: „Wer nur die Chemie kennt, kennt auch die Chemie nicht.“
Um die Tabellen sehen zu können, laden Sie sich bitte das PDF (rechts oben) runter.
Foto: © Thomas F. Voigt
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