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Koiherpesviruserkrankung – Wissenswertes für die Praxis

Koiherpesviruserkrankung – Wissenswertes für die Praxis

Kranker Fisch

Im Sommer 1997 beobachteten wir erstmals in Europa eine neue Viruserkrankung bei Cyprinus carpio, zunächst bei Kois, dann auch bald bei Karpfen [1,2]. Seit 2000 wissen wir, dass es sich um eine Herpesviruserkrankung handelt [3,4]. Mittlerweile können wir eine weltweite Verbreitung annehmen, die nicht nur die typischen Koiproduzenten, sondern auch die klassischen Kar­pfenproduktionsländer betrifft [5].

Das Koiherpesvirus wird wissenschaftlich als CyHV-3 (Cyprines Herpes Virus) bezeichnet. CyHV-1 ist das Karpfenpockenherpesvirus, CyHV-2 das Goldfisch- herpesvirus. Ab dem Jahr 2006 wurde KHV in der gesamten EU als Fischseuche gelistet und ist damit anzeigepflichtig [7].

Symptome und Diagnostik

Das KH-Virus vermehrt sich in Schleimhautzellen der Haut, Kiemen und des Darms, aber auch in Leukozyten und Niere. Die Ansteckung erfolgt über die Schleimhäute und nach dem akuten Ausbruch über das stark mit Viren angereicherte Wasser und Gerätschaften oder tierische Vehikel. Die Erkrankung bricht in der Regel zwischen 16°C und 28°C aus, bei Temperaturen darunter oder darüber kommt das Krankheitsgeschehen zum Stehen. Mit einem Unterschied: Unter 16°C werden keine Antikörper gebildet, daher bricht die Krankheit bei Erwärmung des Wassers erneut aus [8]. Die Symptome umfassen akute Atemprobleme, Anorexie, Lethargie, Hautveränderungen und eingesunkene Augen. Kiemennekrosen sind zusammen mit den Hautveränderungen das Leitsymptom, wenn auch plötzliche Todesfälle entstehen können [8].

Stand der Technik ist der Nachweis von Teilen des KHV-Erbgutes mittels PCR (polymerase chain reaction) Technik. Die sensibelsten und gebräuchlichsten Methoden sind die nested PCR und die real time PCR; vorgeschrieben zum KHV-Nachweis ist die semi-nested PCR nach Gilad et al. (2004, ORF 79), modifiziert durch Bergmann et al. (2010) [9]. Der seit einem Jahr erhältliche KHV-Schnelltest FASTTest KOI HV der Firma megacor ermöglicht bei KHV-Verdacht eine schnelle und sichere KHV-Diagnostik bei Tieren mit klinischen Krankheitssymptomen. Für die Suche nach Virusträgern in Koibeständen ist er jedoch nicht ausreichend sensitiv. KHV-positiv sind Proben, in denen Teile des Virus in einer validierten PCR in einem hierfür zugelassenen Labor nachgewiesen wurden – die Seuche gilt als nachgewiesen. Der Befund „KHV-negativ“ sagt lediglich aus, dass kein Viruserbgut nachweisbar war und nicht, dass die getesteten Tiere oder gar der gesamte Bestand KHV-negativ sind. Zum Nachweis, ob Bestände “KHV-negativ” sind, müssen statis­tisch aussagekräftige Probezahlen untersucht werden, um mit einer hohen Sicherheit KHV-Virusträger („Carrier”) zu finden. Derzeit wird empfohlen, zehn Tiere in fünf Pools zu jeweils zwei Tieren pro epidemiologische Einheit (z.B. Becken) zu untersuchen [9].


Typische Hautveränderungen durch KHV-Infektion.

Stress führt zur Virusvermehrung

Virusträger können bei starkem Stress wieder Virusausscheider werden und erneut erkranken oder auch völlig gesund erscheinen [10]. Starke Stressoren sind Transport mit Abkühlung und anschließendem schnellen Aufheizen auf über 20°C, Ablaichen, schlechte Wasserwerte wie z.B. massiver Sauerstoffmangel und hohe Ammoniakwerte. Beprobt man klinisch unauf­fällige Bestände, dann sollte man 24 bis 48 Stunden vorher auf Stressausübung achten (Keschern) oder Kiemenproben von Kois direkt nach dem Import ziehen [9].

Probenahme

Verwendet werden reiskorngroße Stücke der Kiemen (von lebenden, betäubten Kois) und/oder vergleichbar große Teile der ­Niere bei gestorbenen oder euthanasierten Kois. Sie werden in 100?% Isopropanol fixiert und versandt. Untersuchungen können in den Viruslabors der Staatlichen Chemischen und Veterinär- Untersuchungsämtern der Länder, den veterinärmedi­zinischen Fakultäten und spezialisierten Privatlabors erfolgen.


Koisterben durch KHV in einer Quarantänehaltung.

Differenzialdiagnose

Kiemennekrosen entstehen auch durch ­erhöhte Ammoniakwerte im Wasser, durch Flavobacterium columnare-Infektionen und durch Fehlernährung. Daher ist eine Abklärung durch weitergehende Untersuchungen erforderlich. Aufgrund der Anzeigepflicht sollte man beim Auftreten von Kiemen­nekrosen einen KHV-Test durchführen. Ist der Verdacht z.B. aufgrund der Anamnese gegeben, dass eine KHV-Infektion vorliegt, muss der zuständige Amtstierarzt verständigt werden.

KHV Verbreitung in Zierfischbeständen

In Deutschland waren laut TSN im Jahr 2011 bei Nutzkarpfen zwölf KHV-Fälle nachgewiesen worden, bei Kois 64. Die stark rückläufige Zahl ist eine Folge des gewachsenen Bewusstseins für die Verantwortung des Koihandels. Im Großhandel gehört es zur Sorgfaltspflicht, die importierten Kois durch einen unabhängigen Tierarzt beproben zu lassen. Alle Länder mit nennenswerter Koiproduktion sind mittlerweile in großem Maße KHV-verseucht: Thailand, Malaysia, Südafrika, China, Israel und Japan haben zahlreiche KHV-Nachweise in der Vergangenheit gehabt [5]. Der Großhandel mit Kois kann sich daher nur durch eine gründliche KHV-Über­wachung, durch Tests und ausreichende Quarantänezeiten schützen. Das sind mindestens 21 Tage.


Kiemenbiopsie

Die Carrierproblematik

Geimpfte Kois, durch 30°C erhitzte und ­infizierte, immun gemachte Kois und auch die wenigen Überlebenden einer Teich­infektion tragen lebenslänglich das Virus in sich. Unter ungünstigen Umständen und in Stresssituationen kommt es vorübergehend zur Virusvermehrung, was zu Ansteckungen und (erneuten) Krankheitsausbrüchen führen kann. Vaccinierte Kois erkranken selbst nicht, sie können jedoch unerkannt Feldvirus verschleppen [8]. Es gibt Beobachtungen, dass nach sechs bis acht Jahren die erworbene Immunität gegen das KHV schwächer wird. Von den KHV-Fällen in Privatteichen sind im Einzugsgebiet der Autorin die meisten in den vergangenen Jahren auf das Vorhandensein eines Carriers zurückgeführt worden und nicht etwa auf Einschleppung mit neuen Kois aus dem Handel (eigene Beobachtungen).

Überträgerfischarten

Goldfische, Graskarpfen, Karauschen, Schleie und Störe gelten als Überträger, die selbst nicht erkranken. Sie können jedoch für ­einen gewissen Zeitraum das Virus beherbergen und für Kois und Karpfen ansteckend sein [9, 15].


Deutliche Kiemennekrose durch KHV-Infektion.

Anzeigepflicht und Bekämpfung

Wird das KH-Virus im Handel nachgewiesen, führt die tierseuchenrechtliche Sperre indirekt zur Keulung der betroffenen Koi­becken einer epidemiologischen Einheit, da der Händler vom ­Koiverkauf lebt. Wie viele Einzelbecken davon betroffen sind, wird durch den Amtstierarzt oder einen amtlichen Fachmann vor Ort entschieden. Entschädigungen erfolgen nicht. Beim Ausbruch in privaten Koiteichen erfolgt ebenfalls die Sperre des Bestandes. Es dürfen keine weiteren Koi hinzugesetzt oder abgegeben werden, jeder Todesfall muss dem Veterinäramt bekanntgemacht werden. Erst wenn alle Kois tot oder entfernt sind, kann die amtliche Desinfektion erfolgen. Hierzu werden in der Regel chlorhaltige Produkte wie Halamid® verwendet, da dieses auch auf der Liste der amtlich anerkannten Desinfektionsmittel steht [6]. Desinfektions­mittel wie Kaliumpermanganat haben sich jedoch ebenso bewährt. Wichtig ist es, den Teich für vier bis sechs Wochen vollständig fischleer zu lassen. Das KH-Virus kann sich ohne Wirt nicht lange Zeit halten, im Wasser nur vier Tage, im Schlamm und Filter sicher etwas länger [13].

Vermutlich gibt es mittlerweile eine Dunkelziffer von KHV-Fällen, die nicht angezeigt werden. Durch Aufheizen auf über 30°C werden die Kois „immun” gemacht und danach in KHV-Tauschbörsen angeboten. Viele Menschen wünschen sich, dass ihre KHV-kranken Kois überleben. Daher ist es privaten Koifreunden nicht immer verständlich zu machen, dass von den überlebenden Kois eine große Gefahr für andere Kois ausgehen kann. Die Carrier stellen natürlich auch eine große Gefahr für KHV-freie Bestände in der Natur dar, wenn sie ausgesetzt werden. Das Aussetzen ist ­daher nach Tierseuchenrecht, Tierschutzgesetz und Naturschutzrecht verboten. Solange kein Impfstoff in der EU zugelassen ist, bleibt die Impfung gegen KHV verboten, es gibt jedoch Bestrebungen zur Herstellung und Zulassung [14]. Für die in sich abgeschlossenen Koiteiche wäre ein Impfstoff eine große Verbesserung, denn in vielen Teichen leben alte Kois, deren KHV-Status nicht bekannt ist.

take home

Das Koiherpesvirus schlummert in vielen Privateichen und ist weltweit verbreitet. Es kann aus den koiproduzierenden Ländern in die EU eingeschleppt werden. Die Anzeigepflicht hat für den Bereich der Koihaltung und des Koihandels zu einem verantwortungsbewussten Umgang mit der Viruskrankheit geführt. Der Großhandel achtet sehr auf ausreichende Quarantäne und Untersuchungszahlen. Für den praktizierenden Tierarzt sind Schnelltests auf dem Markt, die akute KHV ­Infektionen sicher nachweisen können. Als anzeigepflichtige Tierseuche liegt die Bekämpfung beim zuständigen Veterinäramt. Eine Heilung der betroffenen Kois ist durch Erwärmung auf 30°C Wassertemperatur für zwei bis drei Wochen möglich, wegen der Entstehung von lebenslangen Virus­carriern und -ausscheidern jedoch nicht anzuraten. Kranke Kois und Teichfische dürfen auf keinen Fall in freie Gewässer gesetzt werden.

Literatur bei der Autorin

Foto: wikimedia.org

HKP 3 / 2014

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 3 / 2014.
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Dr. Birte Reinhold, ICHTHYOL-GESELLSCHAFT
„Endlich hat sich hundkatzepferd zum Fachmagazin für den Tierarzt entwickelt. In der Ausgabe 03/12 fielen neben informativen Neuigkeiten aus dem Praxisbereich und den lustigen Nachrichten aus der Tierwelt viele anspruchsvolle und praxisrelevante Fachartikel in einem ungewöhnlich anschaulichen und erfrischenden Design auf. Auch ein Fachmagazin kann unterhaltsam sein und taugt somit auch nach einem anstrengenden Arbeitstag noch zur Feierabendlektüre im Gartenstuhl. Gefällt mir!“
Prof. Dr. Arwid Daugschies, Universität Leipzig, Veterinärmedizinische Fakultät – VMF
„hundkatzepferd serviert dem Leser den aktuellen Wissensstand in leicht verdaulicher Form. In Zeiten einer erdrückenden Informationsflut tut es gut, wenn solides Wissen auch in erfrischend entspannter Art angeboten wird.“
Dr. Anja Stahn ( Leitung der Geschäftseinheit VET in Europa und Middle East bei der Alere )
Die hundkatzepferd begleitet mich nun schon seit einigen Jahren. Nach wie vor begeistern mich
die Aufmachung, der fachliche und informative Inhalt sowie und die beeindruckenden Fotos des
Fachmagazins. Ganz deutlich ist seit einigen Monaten eine noch stärkere Ausrichtung auf die Belange
und Interessen der Tierärzteschaft zu erkennen. Dies ist sehr erfreulich. Das Magazin gehört in jede
Praxis und sollte unterhaltsame „Pflichtlektüre“ für das ganze Praxisteam sein.