Tierärzte & Kliniken
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Dr. Elke von Heimendahl
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L-Carnitin hilft
L-Carnitin hilftZu energiereiche Fütterung und Bewegungsmangel haben auch bei Pferden zu einem Problem geführt, das bei Menschen bekannt ist. Dr. Elke von Heimendahl berichtet über das equine metabolische Syndrom (EMS). Pferde mit EMS zeigen eine zunehmende Insulinresistenz, ähnlich Diabetes Typ 2 beim Menschen. Sie weisen eine abnorme Fettspeicherung in speziellen Depots am Nacken, der Schulter und in der Kruppengegend auf. Gleichzeitig kann Adipositas auftreten, ist jedoch nicht immer zu beobachten. Zuchtstuten weisen häufig einen abnormen Östrus auf oder sind unfruchtbar. Eine Insulinresistenz wird außerdem als Risikofaktor für die Entstehung anderer Erkrankungen beim Pferd wie bestimmten Formen der Hufrehe (Laminitis), Hyperlipidämie oder auch der Osteochondrose angesehen (Jeffcott et al., 1986, Ralston et al., 1996). Die Gründe für die Entstehung von EMS sind noch nicht vollständig geklärt. Im Verlauf der Evolution hat sich das Pferd an die Nutzung energiearmer Nahrung optimal angepasst, zudem sorgten lange Wanderungen für optimale Fitness. Heutzutage ist jedoch meist das Gegenteil der Fall. Die tägliche Arbeit ist, wenn überhaupt vorhanden, eher als leicht einzustufen, die Futterration wird meist jedoch nicht entsprechend angepasst. Das Pferd wird über den Bedarf gefüttert, die überschüssige Energie in Form von Fett gespeichert. Da das Fettgewebe neben seiner Funktion als Energiespeicher jedoch auch eine hormonelle Funktion hat, kommt es zu einer verstärkten Bildung von Hormonen im Fettgewebe, unter anderem Cortisol und Leptin. Beide sind für eine verminderte Wirkung von Insulin im Muskel und Lebergewebe verantwortlich. Auch die Bildung so genannter Adipokine, spezieller im Fettgewebe gebildeter Botenstoffe wie Interleukin 6 und Tumornekrosefaktor ??spielt bei der Entwicklung der Insulinresistenz eine entscheidende Rolle (Hivert et al., 2008, Jager et al., 2006, Kloveret al., 2003, Qi & Pekala, 2000).Es kommt zur weiteren Fetteinlagerung und die Insulinresistenz wird weiter verstärkt. Studien belegen eine Reduktion der Insulinsensitivität um bis zu 80 % bei fettleibigen Pferden im Vergleich zu schlanken Pferden (Hoffmann et al., 2003, Powell et al., 2002). Für die Entstehung von EMS ist jedoch nicht nur eine Überfütterung verantwortlich, sondern vor allem auch die Form, in der die Energie dargeboten wird. Leicht verdauliche Kohlenhydrate, wie sie in der traditionellen Getreidefütterung oder bei Müslis mit hohem Melasseanteil vorkommen, haben einen sehr hohen glykämischen Index. Dies bedeutet: infolge der Fütterung kommt es zu einem starken Anstieg der Blutglucosewerte und folglich auch des Insulinspiegels. Rationen aus leicht verdaulichen Kohlenhydraten führen zudem zu unnatürlichen Schwankungen des Plasmaglucose- und Insulingehaltes und gegensätzlich wirkenden Hormonen in Abhängigkeit von der Fütterung und dem zwischenzeitlichen Fasten. Es kommt zu einer reduzierten Insulinaktivität und langfristig zur Insulinresistenz. Stärkefreie fettreiche Futtermittel haben diese stimulierende Wirkung auf die Insulinsekretion nicht, der Insulinspiegel bleibt mehr oder weniger unbeeinflusst. Pferde, die stärke- und zuckerreich gefüttert werden, weisen deshalb eine geringere Insulinsensitivität auf und haben ein höheres Risiko, eine Insulinresistenz zu entwickeln als fettund faserreich gefütterte Pferde (Hoffmann et al., 2003).
L-Carnitin hat einen entscheidenden Einfluss auf den Fett- und Kohlenhydratstoffwechsel. Nur mithilfe von Carnitin können die Fettsäuren in die Mitochondrien der Zellen eingeschleust werden, wo sie zur Energiegewinnung zur Verfügung stehen. Die Vermeidung einer Fettanreicherung in den bereits erwähnten speziellen Fettdepots und damit auch eine Veränderung des Hormonstatus ist nur möglich, wenn ausreichend L-Carnitin für den Fettsäurentransport in die Mitochondrien vorhanden ist. Beim metabolischen Syndrom kommt es aufgrund der zunehmenden Insulinresistenz zu Störungen im Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel. Die Glucoseaufnahme und Verwertung in Leber- und Muskelgewebe ist stark reduziert. Gleichzeitig kommt es zu einem Überangebot an freien Fettsäuren und weiteren Abbauprodukten aus dem Fettstoffwechsel wie Acetylgruppen, die mit dem Coenzym A (CoA) eine Verbindung eingehen. Dadurch ist freies CoA für einen einwandfrei laufenden oxidativen Glucoseabbau nicht mehr in ausreichender Menge verfügbar. Dies führt zu einer weiteren Erhöhung des Blutzuckerspiegels und einer Verstärkung der Insulinresistenz. Zahlreiche Studien aus der Humanmedizin bei Patienten mit nachgewiesener Insulinresistenz zeigen die sehr gute Wirksamkeit einer L-Carnitin- Supplementierung (Mingrone et al., 1999). Durch die Übertragung der Acetyl-Gruppe vom Acetyl-CoA auf das Carnitin lässt sich mit einer Carnitinergänzung
In der Humanmedizin hat sich der therapiebegleitende Einsatz von Carnitin bei insulinresistenten Patienten bereits bewährt und wird daher als Maßnahme zur langfristigen Reduktion der Insulinresistenz empfohlen. Da ähnliche stoffwechselphysiologische Gründe zur Entstehung des metabolischen Syndroms bzw. der Insulinresistenz bei Menschen, Pferden, aber auch anderen Tieren führen, ist es naheliegend, auch beim Pferd mittels gezielter Carnitinergänzung den gestörten Stoffwechsel zu unterstützen, um EMS sowie damit verbundene Erkrankungen langfristig in den Griff zu bekommen.
Im Falle von EMS sollte die Zufuhr von Kohlenhydraten in Form leicht verdaulicher Stärke oder Zucker reduziert werden, um den gestörten Kohlenhydratstoffwechsel nicht zusätzlich zu belasten und die Energieversorgung über fettreiche Futtermittel wie Reiskleie oder Pflanzenöle erfolgen. Damit diese Energie optimal genutzt werden kann und nicht ebenfalls in Form von Triglyceriden gespeichert wird, ist eine Carnitinzugabe unerlässlich. |
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