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Neue Wege der Bekämpfung parasitischer Nematoden

Aufschlüsseln und angreifen

Mit dem Beginn des Zeitalters der Hochleistungssequenzierungs- und Hochdurchsatz-OMICs-Technologien wurde auch das Forschungsgebiet der Veterinärparasitologie revolutioniert. Diese hochmodernen Technologien werden vermehrt eingesetzt, um Entwicklungsprozesse von Parasiten und ­deren Interaktion mit dem Wirt besser zu verstehen, neue mögliche Angriffspunkte für die Parasiten­bekämpfung zu entdecken sowie neue Strategien für eine ­effi­ziente Parasitenkontrolle zu entwickeln.

Bedeutung von parasitischen Nematoden

Parasitische Nematoden sind von enormer sozio-ökonomischer Bedeutung weltweit. Eine Infektion ist oft mit beträchtlichen wirtschaftlichen Verlusten verbunden, insbesondere bei Befall des gesamten Viehbestandes. Die Kosten, die weltweit durch verringerte Produktivität, Wachstumsstörungen, Behandlung mit Anthelminthika und Todesfälle verursacht werden, werden auf einige Milliarden Euro jährlich geschätzt.

Notwendigkeit neuer Strategien

Neue Strategien für die Entwicklung von Anthelminthika zur Bekämpfung und Kontrolle parasitischer Nematoden werden dringend benötigt, nicht nur wegen der enormen (veterinär)medizinischen und wirtschaftlichen Bedeutung dieser Parasiten, sondern auch wegen der weit verbreiteten und zunehmenden Entwicklung von Anthelminthika-Resistenzen. Die Behandlung von Infektionen mit ­Nematoden beruht hauptsächlich auf einigen wenigen Wirkstoffgruppen von Anthelminthika, den Imidazothiazolen/Pyrimidinen (Levamisol und Pyrantel), Benzimidazolen (z.B. Albendazol und Mebendazol), Aminoacetonitrilderivaten (Monepantel) und makrozyklischen Laktonen (z.B. Ivermectin und Moxidectin).

Viele parasitische Nematoden haben bereits Resistenzen gegen die wichtigsten Klassen der eingesetzten Anthelminthika entwickelt und bei etlichen Arten (v.a. jenen aus der Gruppe der Magen-Darm-Strongyliden) wird in den letzten Jahren weltweit eine Zunahme der Resistenzentwicklung gegen handelsübliche Entwurmungsmittel beobachtet.

Die Entwicklung neuer Anthelminthika-Klassen gestaltet sich zum Teil auch wegen des mangelnden Verständnisses der Mechanismen der Parasiten­entwicklung und der Parasit-Wirt-Interaktionen besonders schwierig und langwierig. Mithilfe traditioneller Screeningtechniken chemischer Substanzen konnten in den letzten beiden Jahrzehnten nur ­wenige neue Anthelminthika entdeckt werden. Eine Alternative zu den konventionellen Screeningmethoden liefern nun neuartige Technologien, die dabei helfen sollen, neue Angriffspunkte für die Parasitenbekämpfung durch die Hochdurchsatzanalyse molekularbiologischer Daten zu entdecken.

Was sind Hochdurchsatz-OMICs-Technologien?

Mittels Hochdurchsatz-OMICs-Technologien kann das genetische Material einer Parasitenart sequenziert und aufgeschlüsselt werden. Die „next-generation sequencing“-Technik ermittelt die Gesamtheit des genetischen Materials (= Genom; Studie der Genome = GenOMICs) eines Parasiten in Form seiner Basenpaarsequenz. Vergleichbar können alle Gene, die zu einem bestimmten Zeitpunkt und in einem bestimmten Organismus/Gewebe (z.B. in einem bestimmten Parasitenstadium) transkribiert werden, sequenziert werden (= Transkriptom; Studie der Transkriptome = TranskriptOMICs). Diese gewaltigen Datenmengen bilden eine breite Basis, auf der unzählige weitere Analysen und davon abgeleitete Versuche aufbauen können. Auch können mithilfe dieser Information Rückschlüsse auf die Gesamtheit der Proteine eines Organismus (Proteom; Studie der Proteome = ProteOMICs) sowie auf den Stoffwechsel des Parasiten (Metabolom; Studie der Metabolome = MetabolOMICs) gezogen werden. Die Analysen dieser Daten sollen u.a. Aufschluss über Stoffwechselwege und entwicklungs- oder artspezifische Genprodukte liefern, die es ermöglichen, Angriffspunkte für neue Chemotherapeutika zu definieren und Arzneimittel mit jeweils geeigneten biochemischen und pharmazeutischen Eigenschaften zu entwickeln.

Was bringt die Zukunft für die Entwicklung neuer Wege für die Parasitenbekämpfung?

In den letzten Jahren konnten Hochdurchsatz-OMICs-Technologien erfolgreich in das Forschungsgebiet der Veterinärparasitologie integriert werden und haben sich schon nach kürzester Zeit als äußerst nützliches und wertvolles Werkzeug etabliert. Diese hochmodernen Technologien erlauben es, immer größere Datenmengen zu verarbeiten und zu ver­knüpfen. Die größte Herausforderung besteht nun darin, aus dieser Unmenge an Information relevante Daten zu filtern und aufzuarbeiten. In Kombination mit einer Vielzahl an hoch entwickelten bioinformatischen Analysen können die Sequenzrohdaten (Genom, Transkriptom, Proteom, Metabolom) weiterverarbeitet werden (Abb.).

Für diese Analysen sind verschiedene Datenbanken, die eine Unmenge an Information beherbergen, von unschätzbarem Wert. Spezielle Datenbanken ermöglichen es, biologische Prozesse und molekularbiologische Funktionen von Gen­produkten vorherzusagen (z.B. www.geneontology.org) oder mögliche Molekülwechselwirkungen und Stoffwechselwege, die bestimmte Genprodukte einschließen, offenzulegen (z.B. www.genome.jp/kegg). Relevante Zielsequenzen können mit Sequenzen in den Datenbanken von nah verwandten Organismen verglichen werden, um fundierte Rückschlüsse auf die Funktion im Zielorganismus ziehen zu können (z.B. www.wormbase.org; www.nematode.net; http://gasser-research.vet.unimelb.edu.au/helmdb/; www.ncbi.nlm.nih.gov). Enzymdatenbanken beherbergen biochemische und molekularbiologische Daten, die es ermöglichen, Enzyme zu klassifizieren und potenzielle Bindungs- und Interaktionspartner zu definieren (http://www.brenda-enzymes.info). Mithilfe chemischer Datenbanken können letztendlich bioaktive Moleküle und Verbindungen identifiziert werden und in silico auf ihr Potenzial als Chemotherapeutika getestet werden (https://www.ebi.ac.uk/chembl). Eine kombinierte Anwendung verschiedener Datenbanken im Verlauf von bioinformatischen Analysen erlaubt eine Identifizierung, Klassifizierung und Charakterisierung von relevanten Genprodukten und legt das Fundament für nachfolgende funktionelle Studien.

Zusätzlich lässt eine tiefer gehende Analyse des Transkriptoms bzw. Proteoms erkennen, welche Genprodukte in welchen Stadien bzw. Geweben und unter welchen Bedingungen vorrangig transkribiert/exprimiert werden. Somit können Moleküle identifiziert werden, die essenzielle Rollen in verschiedensten, elementaren biologischen Vorgängen der Entwicklung und Reproduktion spielen. Dies erlaubt wiederum noch gezieltere Eingriffe in die Entwicklung der Parasiten mittels chemo­therapeutischer Intervention.


Neue Angriffspunkte für die Bekämpfung parasitischer Nematoden: von den Sequenzrohdaten zur Entdeckung neuer „drug targets“. Nach der Sequenzierung des genetischen Materials des Ziel-Parasiten und der Aufarbeitung der Rohdaten werden die umfangreichen Datensätze weiter verarbeitet. Bioinformatische Analysen verwenden verschiedene Datenbanken, um Genprodukte zu identifizieren, zu klassifizieren und zu charakterisieren und um letztendlich Rückschlüsse auf die jeweiligen Funktionen zu ziehen. Außerdem lässt eine Analyse der Transkription/Expression entwicklungs- oder artspezifische Genprodukte erkennen. Nach Aufarbeitung und Filterung der relevanten Informationen können potenzielle neue Angriffsziele (= „drug targets“) definiert und in nachfolgenden Studien experimentell validiert werden.

Vorhersage und Priorisierung von neuen „drug targets“

Das oberste Ziel besteht darin, die hoch entwickelten Hochdurchsatz-OMICs- Technologien zu nutzen, um neue Angriffspunkte für die Bekämpfung und Kontrolle von Parasiten (= „drug targets“) zu entdecken und diese in nachfolgenden Versuchen zu validieren (Abb.). Bioinformatische Analysen der umfangreichen Datensätze erlauben die Vorhersage von Genen und/oder Molekülen, deren Inaktivierung durch bestimmte Wirkstoffe den Parasiten selektiv eliminiert, ohne dabei den Säugerwirt zu beeinträchtigen.

Der Häutungsvorgang von Nematodenlarven könnte sich als ein besonders attraktives mögliches Angriffsziel erweisen, da der Übergang von einem Larvenstadium zum nächsten einerseits einen entscheidenden Schritt in der Parasitenentwicklung darstellt, in dem der Parasit gleichzeitig sehr verletzlich ist. Andererseits ist es sehr wahrscheinlich, dass jene Moleküle, die in dem Häutungsvorgang von Nematoden ­eine Rolle spielen, keine nahe Verwandtschaft zu ähnlichen Molekülen im Säugerwirt haben.

Letztendlich ermöglicht die Filterung und Aufarbeitung relevanter Daten einer bestimmten Fragestellung ein tieferes Verständnis für die molekularbiologischen Abläufe der Parasitenentwicklung sowie die Fortpflanzung und Interaktion der Parasiten mit dem Wirt und ebnet den Weg für die Entdeckung neuer Angriffsziele und die Entwicklung neuer Strategien der Para­sitenbekämpfung und -kontrolle.

take home

Hochdurchsatz-OMICs-Technologien sind optimale Werkzeuge für die Generierung fundamentaler Daten (z.T. das ­gesamte Genom, Transkriptom und/oder Proteom verschiedener Parasiten) als Grundlage für die gezielte Entwicklung neuer Anthelminthika zur verbesserten Kontrolle parasitischer Nematoden. Die größte Herausforderung besteht ­darin, aus dieser Flut an Information die biologisch bedeutsamsten und relevantesten Daten zu filtern und aufzuarbeiten, um so potenzielle neue Angriffspunkte für die Parasitenbekämpfung zu finden. Diese Datensätze und die daraus gefilterte Information sind allerdings nicht als Wunderwaffe anzusehen, sondern ihr wahrer Wert ist darin zu finden, hypothesengetriebene Forschung zu unterstützen und voranzutreiben.

Foto: www.wikipedia.org

HKP 1 / 2014

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 1 / 2014.
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