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Larvale Cyathostominose bei einer jungen Warmblutstute – ein klinischer Fall

Parasitärer Durchfall

Eine Stute (Westfale, Schimmel, 3 Jahre) wurde mit ihrer Stallgefährtin nach dem Anreiten Anfang Sommer wieder auf die Koppel gestellt, um eine weitere körperliche Reife zu erhalten. Der Stall ist ein erfolgreicher Zucht- und Ausbildungsbetrieb. Insgesamt waren auf der Koppel sechs Pferde, davon vier älter als zwölf Jahre.

Die Haltung der Jungpferde in der Aufzucht ist im Winter Laufstall mit Stroheinstreu; Fütterung mit Heu und Hafer plus Mineralfutter. Im Sommer Weide; für Stuten mit Fohlen Wechselweiden, für die Jungpferde Standweiden. Die Pferde sind in der Aufzucht gegen Tetanus geimpft, das Entwurmungsmanagement besteht aus Pyrantel und Ivermectin. Ende September fielen die beiden jungen Stuten durch Abmagerung und ein struppiges Haarkleid auf, der Kot war breiig. Initial wurden beide Stuten mit dreimaliger Gabe von Pyrantel jeweils im Abstand von vier Wochen entwurmt. Eine der beiden Stuten reagierte positiv auf diese Therapie. Die oben aufgeführte Schimmelstute reagiert nur sehr mäßig bis gar nicht. In der Kotprobe wurde ein mittel- bis hochgradiger Befall von Magendarmstrongyliden diagnostiziert, daraufhin wurde eine Gabe von Ivermectin durchgeführt. Etwa 40 Stunden später wurde die Klinik wegen einer akuten Kreislaufschwäche bei dieser Stute ambulant hinzugezogen.


Erster Besuch, hochgradige Abmagerung mit massivem Durchfall

Klinische Untersuchung

Die Stute befand sich in einem sehr mäßigen Ernährungszustand (Body-Condition-Score 2 von 10). Allgemeinbefinden mittel- bis hochgradig gestört, mit leichten Koor­dinationsstörungen. Herz-Kreislaufsystem gestört (Puls 60, regelmäßig; Schleimhäute blass, kapilläre Rückfüllzeit 5 Sekunden), Temperatur 38,8°C. Kot hochgradig wässrig mit verklebtem Schweif und beschmierten Beinen, deutlicher Tenesmus; Darmmotorik mittelgradig gesteigert, Bauchdeckenspannung ohne besonderen Befund. Initial wurde eine Therapie zur Kreislaufstabilisierung eingeleitet. Infusion mit isotoner Kochsalzlösung, Glukose 10%ig sowie Natrium­bicarbonat, Dexamethason (0,5mg/kg Körpergewicht) und Flunixin (1,1mg/kg Körpergewicht). Da eine infektiöse Genese nicht ausgeschlossen werden konnte, wurde Cefquinom (1,0mg/kg Körpergewicht) zusätzlich verabreicht. Der Wunsch der Patientenbesitzerin war es, das Pferd vor Ort zu therapieren und nicht in die Klinik zu verbringen. Das Pferd wurde daraufhin im Stall isoliert untergebracht, ­alle Hygienemaßnahmen wurden eingeleitet. Blutstatus: Hämatokrit obB, Anzahl der roten Blutkörperchen reduziert. Weißes Blutbild massiv erhöht. An diesem Tag erfolgte ein weiterer Besuch mit einer zusätzlichen Infusions­therapie.


Pferd festliegend trotz Intensivtherapie

Weiterer Verlauf

Tag 2 Weiter bestehende Kreislaufschwäche. Puls im Normbereich, Schleimhäute blass, kapilläre Rückfüllzeit 6 Sek. Die Stute war zeitweise festliegend. Temperatur unter Flunixin 37,9°C. Kot weiterhin hoch­gradig wässrig und deutlicher Tenesmus; Darmmotorik mittelgradig gesteigert, Bauchdeckenspannung ohne besonderen Befund. Hämatokrit deutlich abgefallen. Weitere Gaben von Flunixin, Dexamethason, Cefquinom. Infusion mit Glukose und Natriumbicarbonat. Zur Steigerung des Hämatokrits wurde eine Bluttransfusion durchgeführt. Zusätzlich wurden eine rektale Untersuchung und eine transrektale sowie transabdominale Sonografie durchgeführt. Es konnten hierbei keine von der Norm abweichenden Befunde erhoben werden. Der Kot war wässrig bis dünnbreiig, einzelne faserige Elemente waren zu erkennen, sonst waren keine makroskopisch auf­fälligen Befunde am Kot zu erheben. Die Faeces rochen jedoch etwas säuerlich bis muffig.


Deutlicher Tenesmus mit Rektumprolaps

Tag 3 Blutstatus: Hämatokrit im Normbereich, Anzahl der roten Blutkörperchen im Normbereich. Kot weiterhin dünnbreiig bis wässrig, Bauchdeckenspannung gesteigert, Motorik ohne besonderen Befund. Zusätzlich konnte an diesem Tag ein Unterbauch- und Euterödem beobachtet werden. Herzfrequenz lag bei 40 Schlägen pro Minute, die Schleimhäute waren blass. Temperatur 38,4°C. Medikamentation wie am Vortag, jedoch wurde nun Dexamethason ausschleichend dosiert.

Tag 4 Erneute Kreislaufschwäche und festliegend. Kot wässrig, hochgradiger Tenesmus. Futteraufnahme stark reduziert. Infusion mit Glucose, Sterofundin, isotoner Kochsalzlösung; Kontrolle des Blutstatus; Umlagerung des Pferdes in der Box alle vier Stunden. Pferd konnte mit Unterstützung stehen. Weiter bestehende Ödema­tisierung. Temperatur 38,6°C morgens, 36,4°C mittags und 37,2°C abends. Puls wieder gesteigert (64 Schläge/Minute) und geringgradig unregelmäßig, Schleimhäute blass, Kapilläre Rückfüllzeit 6 Sek.

Tag 5 Kreislaufschwäche mit Festliegen in der Box, teilweise erkennbare Apathie. Kot wässrig bis breiig, hochgradiger Tenesmus, Motorik aufgehoben. Futteraufnahme eingestellt. Infusion mit Glucose, Sterofundin; Kontrolle des Blutstatus; weitere Medikation zur Stabilisierung des Kreislaufs. Die Schleimhäute waren rot verwaschen mit petechialen Blutungen. Umlagerung des Pferdes in der Box. Pferd konnte auch mit Unterstützung nicht mehr stehen. Temperatur 36,1°C morgens, 37,2 mittags. Blutstatus: Hämatokrit im oberen Normbereich, Anzahl der roten Blutkörperchen im ­unteren Normbereich. Die Stute ist während des letzten Besuchs in Agonie verstorben. Nach dem Tod wurde eine Eröffnung der Bauchhöhle in den Hallen der Tierkörperbeseitigungsanstalt vorgenommen. Die Darmschleimhaut zeigte makroskopische dunkle bis schwarze Punkte auf der Mucosa des Darms, die palpatorisch etwas fester waren, dieses sind charakteristische postmortale Befunde einer Larvalen Cyathostominose.



Pferd in Agonie mit hochgradig verwaschenen Schleimhäuten

Diskussion

Ursachen für Durchfall beim Pferd können ernährungsbedingt, haltungsassoziiert, als Nebenwirkungen von Medikamenten, durch Vergiftungen oder von infektiöser Natur sein. Bei in Infektionen können die Erreger Viren, Bakterien oder Parasiten sein. Zu den Parasiten, genauer Endoparasiten, zählen auch die Cyathostominae. Die Infektion ist eine klassische Weideerkrankung, da die infek­tiösen Larven III (L3) beim Grasen aufgenommen werden. Auf einer Weide ist dieses Larvenstadium bis zu einem Jahr überlebensfähig. Nach der Infektion des Wirtstieres (Pferd) wandert die L3 in die Mucosa und Submucosa von Dickdarm und Blinddarm ein und wird dort von Bindegewebe umschlossen. Oberflächlich sind diese Areale durch dunkle bis schwarze Punkte auf der Darmschleimhaut zu erkennen, diese bezeichnet man als Wurmknoten [1]. In diesen Wurmknoten häutet sich die L3 in etwa ein bis zwei Monaten zur L4, diesen Vorgang bezeichnet man als histiotrope Phase. Einige Arten haben die Fähigkeit, eine Entwicklungsruhe zu durchlaufen, eine sogenannte Hypobiose, die es den Parasiten ermöglich, geschützt im Wirtstier zu überwintern. Ein biologischer Vorgang, der normalerweise für das Wirtstier nicht lebensbedrohlich ist. Gefährlich wird es für das Wirtstier erst bei einem synchronen Larvenschlupf. Hierbei kommt es zu einer massiven mechanischen Zerstörung der Darmschleimhaut in Kombination mit multifokalen Entzündungsreaktionen.

Vor allem junge Pferde bis sechs Jahre sind von dieser Erkrankung betroffen. Erkranken in einem Betrieb mehrere Tiere, sind sie für gewöhnlich in der gleichen Gruppe anzutreffen und hatten somit die gleichen Haltungsbedingungen [2]. In der hiesigen Hemisphäre kommt es insbesondere in den Wintermonaten zum Krankheitsbild der larvalen Cyathostominose [3], jedoch gibt es auch Berichte, wonach das Auftreten bis in den April und damit bis zum Frühjahr beobachtet werden kann [2]. Als Auslöser der Erkrankung zählen Stressoren wie z.B. Transport oder eine andere Erkrankung mit Störungen des Allgemeinbefinden. In den meisten Fällen wurde kürzlich zuvor eine Entwurmung verabreicht, meistens Ivermectin [2]. Das klinische Bild dieser Erkrankung ist nicht besonders spezifisch, die Tiere zeigen i.d.R. eine normale Futter- und Tränkeaufnahme, einhergehend mit einem deutlichen Gewichts­verlust. Der Durchfall kann profus bis kuhfladenartig sein. Teilweise kommt es zu Ödembildungen an Unterbauch, Präputium, Euter oder Beinen. Die Pferde können Schwäche, Fieber oder verschieden starke Koliksymptome zeigen. Eine Diagnose durch klinische und weiterführende Untersuchungen ist somit schwierig, meist wird die Diagnose erst in der Sektion gefunden [4]. Die Prognose ist vorsichtig bis schlecht, auch bei massivem therapeutischen Einsatz ist mit einer Mortalität von bis zu 70% zu rechen [2]. Grund für diese schlechte Prog­nose sind die starken Entzündungsreak­tionen in der Schleimhaut von Caecum und Colon, einhergehend mit einer deutlichen lokalen Ödembildung, die Barriere der Mukosa wird hierbei zerstört. Klinisch ist dieses an einer massiven Diar­rhoe zu erkennen, hieraus resultiert ein Elektrolyt- und Proteinverlust, der aus osmotischen Gründen einen zeitgleichen Wasserverlust bedingt. Im späteren Krankheitsverlauf kommt es zu einer Endotoxämie und Anorexie [5].

Die Diagnose ist in den meisten Fällen eine Verdachtsdiagnose und kann nur postmortal bestätigt werden. Kotuntersuchungen geben keinen Hinweis auf das Vorhandensein von intramukösen Larvenstadien. Eine Biopsie der Rektumschleimhaut ist nicht aussagekräftig genug. Um eine Diagnose am lebenden Pferd zu stellen, ist nur eine Dickdarmbiopsie, verbunden mit einer Laparotomie/Laparoskopie, möglich, die sich jedoch meist durch den allgemein schlechten klinischen Zustand und aus Kostengründen ausschließt [3]. Da die Diagnose schwer zu stellen ist und Durchfall wie oben bereits erwähnt zahlreiche Genesen haben kann, sollte zum Schutz des restlichen Bestandes und auch der Menschen (Zoonosegefahr bei Salmonellen) auf eine spezielle und gesteigerte Hygiene besonders geachtet und das Tier isoliert werden.

Prävention

Die wichtigste „Therapiemaßnahme“ ist ­allerdings die Vorbeugung. Ein entsprechendes Weide- und Entwurmungsmanagement sind hierbei sehr wichtig. Zur Weidepflege gehört die entsprechende Beseitigung von Kot, um den Infektionsdruck zu mindern. Dieses kann zusätzlich durch eine Wechselbeweidung mit Wiederkäuern positiv unterstützt werden. Eine gute Koppel für Pferde, insbesondere für Zuchtstutenherden mit Fohlen und Aufzuchtgruppen – demnach die Gruppe von Pferden mit dem höchsten Risiko der larvalen Cyathostominose – wird regelmäßig ausgemäht, gemulcht, im Frühjahr gekalkt, gedüngt und nachgesät. Durch diese Bearbeitungsprozesse wird der Infektionsdruck deutlich reduziert. Auch ist eine Standweide für diese Pferdegruppen nicht zu empfehlen, genutzt werden sollte eine Umtriebsweide mit entsprechender Weideruhe, was auch den Grasaufwuchs fördert und damit die Aufzuchtkosten reduziert. Zuchtstuten, die in einer Gruppe mit ihren Fohlen gehalten werden und Pferde im Wachstum / in der Entwicklung müssen regelmäßig entwurmt werden. Eine selektive Entwurmung ist für eine Vermeidung von Resistenzen ein guter und richtiger Ansatz, jedoch eignet er sich für die Aufzucht von Jungpferden nicht, da diese besonders anfällig sind und der Infektionsdruck konsequent niedrig gehalten werden muss. Eine viermalige Entwurmung im Jahr mit wechselnden Wirkstoffen ist sinnvoll. Hier sei auch erwähnt, dass man auf die notwendige Bandwurmbekämpfung nicht verzichten sollte. Der Zeitpunkt der Entwurmung sollte dabei so gewählt werden, dass ein bis zwei Tage vor dem Ausstallen bzw. vor dem Weidewechsel entwurmt werden sollte, um eine Kontamination der Folgeweide zu verhindern. Insbesondere im Frühjahr und im Herbst sollte ein Wirkstoff aus der Gruppe der makrozyklischen Laktone (Ivermectin und Moxidectin) gewählt werden.

Moxidectin (Equest®/Equest® Pramox) hat aufgrund seiner Molekularstruktur eine hohe Lipophilie und lagert sich deswegen bedingt im Fettgewebe ab. Durch eine langsame Abgabe in den Blutkreislauf wird eine gewisse Depotwirkung erzielt. Hierdurch wird eine Reinfektion bis zu zwei Wochen und damit die Ausscheidung neuer Larven bis zu 13 Wochen verhindert. Diese Eigenschaft der Lipophilie ermöglicht es, auch die eingekapselten Larvenstadien zu erreichen. Moxidectin ist somit das einzige zugelassene und wirksame Anthelmintikum mit einer Einmal-Anwendung zur Bekämpfung der enzystierten Cyathostominae [6]. Es ist in Deutschland für Pferde als Gel zur oralen Applikation auf dem Markt, in der Dosierung von 0,4mg/kg Körper­gewicht sollte es möglichst einmal bzw. zweimal jährlich verabreicht werden. Insbesondere bei der Herbst-/Winterentwurmung sollte man bei der Parasitenbekämpfung die eingekapselten Larvenstadien bedenken. So empfiehlt Prof. Dr. G. v. Samson-Himmelstjerna (Leiter des Instituts für Parasitologie und Tropenmedizin der FU Berlin und Vorsitzender von ESCCAP Deutschland) die Gabe von Moxidectin zumindest zu dieser Jahreszeit, um die entsprechenden Stadien zu bekämpfen, da diese Larven über eine konventionelle Kotprobe nicht diagnostiziert werden können.

Literatur beim Autor

Foto: © istockphoto.com, mari_art

HKP 7 / 2014

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