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Euthanasie bei Klein- und Heimtieren

Die Kunst des Abschieds

Schon seit der Antike ist der „gute“ oder „gnädige“ Tod angestrebtes Ziel des Menschen. In der griechischen Mythologie ist der Tod ein Gott mit dem Namen Thanatos. Seine Mutter ist Nyx, die Göttin der Nacht, und sein Zwillingsbruder ist Hypnos, der Schlaf. Allein daran ist schon zu erkennen, dass der Wunsch, schmerzlos, ruhig und entspannt zu sterben, in jedem von uns ruht.

Auch wenn Tiere sich uns in dieser Form nicht mitteilen können, so ist auch hier ein absolut stress- und schmerzfreier Tod erstrebenswert. Da die Beziehung zwischen Mensch und Tier eine sehr enge und zutiefst emotionale ist, ist auch beim Besitzer der Wunsch sehr ausgeprägt, das geliebte Familienmitglied auf diese Weise verabschieden zu können. Die psychologische Betreuung des Patientenbesitzers ist gerade beim Kleintier von immenser Bedeutung. Oft erhält man in der Praxis die Bitte, das Tier zuhause in gewohnter Umgebung zu erlösen, was erfahrungsgemäß ratsam ist. Häufig lernt der Tierarzt die todkranken Tiere erst an dem Tag kennen, an dem die Euthanasie stattfindet. Das hat den immensen Vorteil, dass das Tier gegenüber dem Tierarzt völlig neutral eingestellt ist und keinerlei Negatives mit ihm verbindet, wie es sonst durchaus in einem Arzt-Patienten- Verhältnis vorkommen kann. Ferner ist das Tier in gewohnter Umgebung deutlich stressresistenter. Für den Besitzer hat es enorme psychologische Vorteile: Er ist in seinen Räumlichkeiten, kann seinen Emotionen freien Lauf lassen, ohne sich schämen zu müssen, dass er von Fremden völlig derangiert gesehen wird und er muss sich keinen anteilnehmenden Gesprächen stellen, die dann meist auch nicht erwünscht sind.

Vorgehen

An dieser Stelle soll der genaue Ablauf des Prozesses exakt geschildert werden, was Folgendes zur Konsequenz hat: In dem Moment, in dem wir Abläufe erläutern, laufen entsprechende Bilder durch unseren Kopf, die auch mit begleitenden Emotionen beladen sind. Genau diese Bilder empfängt auch das Tier (besonders der Hund, weniger die Katze, welche eher Emotionales empfängt, sind hierfür sensibel, aber auch alle anderen Tiere). Dies bewirkt, dass sowohl Mensch als auch Tier sehr ruhig werden. Der Besitzer weiß genau, was wann kommt und dass ihm zu jedem Zeitpunkt individuell Raum bleibt, sich zu verabschieden. Beim Tier ist es nicht anders. Einige Kollegen/innen denken jetzt bestimmt, dass dies „vermenschlicht“ ist. Es ist aber ergreifend zu sehen, dass das Tier versucht, seinem Menschen in dieser Situation Kraft und Zuversicht zu übermitteln, weil Tiere den Tod völlig wertungsfrei sehen.


Abb.1: Darstellung der Punktionsvene bei der Katze


Abb.2: Fixation der Katze bei Euthanasie


Abb.3: Katzensäcke erleichtern das Handling von Katzen


Abb.4: Darstellung der Punktionsvene beim Hund

Das Recht

Tiere dürfen nach § 17 des Tierschutzgesetzes (TSG) nicht ohne vernünftigen Grund getötet werden. Aus rein ethischen Gründen verbietet sich hier schon ein qualvolles Vorgehen. Ferner darf ein Wirbeltier nur unter Betäubung getötet werden (§ 4 TSG) oder, soweit nach den gegebenen Umständen zumutbar, nur unter Vermeidung von Schmerzen. Hierzu ist im Allgemeinen die Einwilligung des Besitzers erforderlich, in Ausnahmefällen darf aber auch über den Besitzer hinweg entschieden werden, z. B. wenn ein Tier an erheblichen, nicht zu lindernden Schmerzen leidet und der Besitzer dies aber nicht einsehen möchte sowie nur eine langwierige und schmerzhafte Behandlung ein Über l eben ermöglicht. Es muss also nicht immer alles getan werden, was rein technisch möglich ist. Das bedeutet: Das Wohlbefinden des Tieres ist über den Schutz seines Leben zu stellen.

Techniken

Es stehen verschiedene Möglichkeiten der Applikation entsprechender Medikamente zur Verfügung. Da jedoch ein stressfreier und schneller Narkoseeintritt gewünscht ist, sollte immer die intravenöse Applika tion bevorzugt werden. Dies hat den Vorteil, dass besonders Katzen innerhalb von vier bis fünf Sekunden ohne Erbrechen oder Schwindel einschlafen. Bei Hunden sollte immer ein Venenverweilkatheter gelegt werden, da jederzeit sicher nachinjiziert werden kann. Bei Katzen und Heimtieren reicht die einmalige Applikation einer entsprechend dosierten Narkose.

Injektion der Narkose über die Vene

Bevorzugt werden hierbei immer die Venen der Hintergliedmaßen. Nach eigenen persönlichen Erfahrungen scheinen die Tiere hier schmerztechnisch weniger sensibel. Auch psychisch scheint diese Lokalisation sinnvoller, da es nicht zu einer AugenzuAugenPosition kommt. Diese wird von den meisten Tieren als Provokation/ Aggressionsansatz verstanden. Besonders Katzen empfinden die Injektion in die Vena caudalis femoralis prox. (Abb. 1) als stressfrei, da sie dabei meist kaum fixiert werden müssen (Abb. 2). Bei Katzen, die sich nicht oder nur unter Stress anfassen lassen, eignen sich auch sehr gut so genannte Katzensäcke, die in verschiedenen Größen bestellbar sind (z.B. von Buster® die Content´Bag Vet). Hier wird die Katze stressfrei in den Sack gesetzt und dieser verschlossen (Abb. 3). Diverse eingearbeitete Öffnungen (teils durch Reißverschlüsse variabel zu öffnen) erleichtern hier das Handling von Katzen ungemein, besonders wenn ohne Hilfsperson gearbeitet werden muss. Beim Hund bevorzugen wird die Vena saphena (Abb. 4), auch hier scheinen die Tiere weniger schmerzempfindlich zu sein. Bei Heimtieren ist die Größe des Tieres für die Injektionstechnik entscheidend, bei Kaninchen kann meist die Ohrvene verwendet werden, bei Meerschweinchen und kleineren Nagern ist die intraperitoneale Injektion am sinnvollsten. Auch hier ist eine leichte Fixation, die vom Tier nicht als stressend empfunden wird, in den meisten Fällen ausreichend. Sie kann sogar durch den Besitzer selbst erfolgen.

Injektion der Narkose über die Muskulatur

Diese Technik ist schmerzhaft und langsam. Beides Umstände, die man bei der Euthanasie vermeiden möchte. Zudem sind größere Mengen der Substanzen zu verwenden.

Injektion der Narkose intraperitoneal

Bei Heimtieren die Technik der Wahl, ausgenommen Kaninchen. Einleitung via Inhalation Erscheint nur bei Reptilien und Vögeln sinnvoll, besonders bei Vögeln, wenn sie überhaupt nicht handzahm sind.

Die Substanzen

Verwendung finden meist Ketaminhydrochlorid und Xylazinhydrochlorid als Injektionsnarkose und T61 im Anschluss bei tiefem Narkosestadium. Auch Barbiturate (Euthadorm®, Release®, Narcoren®) können verwendet werden, entweder als Einzelpräparat oder kombiniert mit T61. Hierbei wird zunächst eine ausreichende Menge Barbiturat injiziert, bis das Tier in tiefer Narkose ist und dann wird das Barbiturat erneut bis zum Herz-Atem-Stillstand nochmals injiziert oder das T61 nach Eintritt der Narkose nachgegeben. Die Dosierungen werden als bekannt vorausgesetzt.

take home

Die Euthanasie eines Tieres ist mit der sensibelste Handlungsbereich eines Tierarztes. Aus eigener Erfahrung kann gesagt werden, dass Besitzer, die sich in einer solchen Situation gut aufgehoben gefühlt haben, auch mit einem neu angeschafften Tier wieder die gleiche Praxis aufsuchen werden, selbst wenn sie eventuell näher an einer anderen Praxis wohnen. Nichts berührt die Seele eines Menschen mehr als ein Tier, ihm gegenüber sind wir schutzlos offen und werden nicht enttäuscht. Gerade deshalb ist dieser Bereich so extrem sensibel. Gleiches gilt für das Einbeziehen von Kindern und Jugendlichen, denn auch sie haben ein Recht auf Abschied in einer Form, die sie selbst mitformen sollten.

Umgang mit Kindern

Wenn eine Euthanasie überraschend notwendig wird, sollten die Besitzer immer gefragt werden, ob Kinder im Haushalt leben. Auch Kinder haben ein Recht auf Abschied, wenn sie ein Alter haben, in dem sie sich mit dem Tod auseinandersetzen können. Kleinkinder sind hiervon auszunehmen, für sie ist der Tod nicht greifbar, aber auch hier kann der Tod, sollten Kleinkinder die Eltern begleiten, altersgerecht und empathisch erklärt werden, wobei bildlich gesprochen werden sollte. Älteren Kindern sollte die Wahl freigestellt werden, ob sie der Euthanasie bewohnen wollen oder nicht und in welcher Form. Oft sind sie mit dem Tier groß geworden oder wurden zumindest eine größere Zeitspanne von Jahren vom Tier begleitet und haben ein Recht darauf, sich von ihm in angemessener Form zu verabschieden. Blockende Eltern sollten hier entsprechend aufgeklärt werden. Der Tod gehört zum Leben dazu, auch wenn er oft tabuisiert wird. Er ist Teil unseres Daseins und wir werden immer wieder im Laufe unseres Lebens mit ihm konfrontiert werden. Gerade die Bindung zwischen Kindern und Tieren ist oft eine sehr enge, auch seelisch und daher sollte ein Kappen dieser Bindung nach Wunsch des Kindes ermöglicht werden.

Bild: © istockphoto.com| 1001slide

Stichwörter:
Euthanasie

HKP 5 / 2013

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 5 / 2013.
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Dr. Birte Reinhold, ICHTHYOL-GESELLSCHAFT
„Endlich hat sich hundkatzepferd zum Fachmagazin für den Tierarzt entwickelt. In der Ausgabe 03/12 fielen neben informativen Neuigkeiten aus dem Praxisbereich und den lustigen Nachrichten aus der Tierwelt viele anspruchsvolle und praxisrelevante Fachartikel in einem ungewöhnlich anschaulichen und erfrischenden Design auf. Auch ein Fachmagazin kann unterhaltsam sein und taugt somit auch nach einem anstrengenden Arbeitstag noch zur Feierabendlektüre im Gartenstuhl. Gefällt mir!“
Prof. Dr. Arwid Daugschies, Universität Leipzig, Veterinärmedizinische Fakultät – VMF
„hundkatzepferd serviert dem Leser den aktuellen Wissensstand in leicht verdaulicher Form. In Zeiten einer erdrückenden Informationsflut tut es gut, wenn solides Wissen auch in erfrischend entspannter Art angeboten wird.“
Dr. Anja Stahn ( Leitung der Geschäftseinheit VET in Europa und Middle East bei der Alere )
Die hundkatzepferd begleitet mich nun schon seit einigen Jahren. Nach wie vor begeistern mich
die Aufmachung, der fachliche und informative Inhalt sowie und die beeindruckenden Fotos des
Fachmagazins. Ganz deutlich ist seit einigen Monaten eine noch stärkere Ausrichtung auf die Belange
und Interessen der Tierärzteschaft zu erkennen. Dies ist sehr erfreulich. Das Magazin gehört in jede
Praxis und sollte unterhaltsame „Pflichtlektüre“ für das ganze Praxisteam sein.