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Chronische Diarrhoe

Einfluss von Laborbefunden auf Therapieentscheidungen

Im Rahmen der diagnostischen Aufarbeitung von Krankheitsbildern haben labordiagnostische Untersuchungen neben klinischer und bildgebender Diagnostik sowohl bei der Etablierung der Diagnose als auch zur Erfassung des Schweregrades einer Erkrankung und zur Entscheidungsfindung kausaler und symptomatischer Therapien Bedeutung. In der klinischen Praxis sind symptomatische (empirische) Therapiemaßnahmen häufig indiziert, um die Zeit zu überbrücken, bis eine eindeutige Diagnosestellung, eine bessere Prognoseeinschätzung sowie eine gezieltere Behandlungsentscheidung möglich sind. Prof. Dr. Thomas Spillmann gibt hierzu einen Überblick für die chronische Diarrhoe bei Hunden.

Hunde mit chronischer Diarrhoe können an primär gastrointestinalen oder primär extraintestinalen Grunderkrankungen leiden, die den Verdauungsapparat sekundär negativ beeinflussen. In den Tabellen 1 und 2 sind mögliche Differenzialdiagnosen dünn- und dickdarmassoziierter Diarrhoen aufgeführt. Ausgehend von der breiten Differenzialdiagnostik chronischer Durchfallerkrankungen, umfassen labordiagnostische Untersuchungen sowohl Kotprobenanalyse als auch Hämatologie, Blutserumchemie, Funktionstests und Biopsien der intestinalen Schleimhaut. Im Folgenden wird auf die einzelnen Untersuchungsmethoden und ihren möglichen Einfluss auf Therapieentscheidungen eingegangen.

Kotuntersuchungen

Parasitologische Kotuntersuchungen sind therapeutisch relevante, diagnostische Grundmaßnahmen bei Hunden mit gastrointestinalen Störungen. So waren in einer US-amerikanischen Studie 15,6 % von 16114 symptomatischen Hunden positiv für Giardien. Jedoch auch asymptomatische Hunde können für Giardien positiv sein (Abb. 1). Eine Behandlung der Giardiose ist in jedem Fall indiziert. Experimentelle und klinische Studien haben eine Effizienz von Drontal plus/comb. vet von 62 – 75 % ergeben, wenn es in einer Dosis von 1 Tbl/10 kg KGW an drei aufeinander folgenden Tagen gegeben wurde. Experimentelle und klinische Studien mit Fenbendazol haben gezeigt, dass die orale Gabe von 50 mg/kg, 1 x tgl. an drei aufeinander folgenden Tagen eine sehr effektive Behandlung der Giardiose darstellt. Durch die hohe Gefahr der Reinfektionen ist es wichtig, auch eine Umgebungsbehandlung mit quartären Ammoniumverbindungen (z. B. Roccal-D Plus, Pfizer) durchzuführen oder in Zwingeranlagen eine Dampfstrahldesinfektion anzuwenden. Hunde mit Anorexie, chronischer Diarrhoe, Polydipsie und Polyurie aufgrund einer Infektion mit Trichuris vulpis (Peitschenwurm) können Laborbefunde eines Pseudohypoadrenokortizismus mit typischen Verschiebungen im Natrium-Kalium-Verhältnis aufweisen. Fenbendazol und Flubendazol (Flubenol) sind nachweislich effektiv zur Peitschenwurmbehandlung. Bakteriologische Kotuntersuchungen weisen meist unspezifische Befunde auf und sind daher nur sinnvoll, wenn bei chronischen Diarrhoen der Verdacht auf primär pathogene Erreger besteht wie z. B. Salmonella spp., Yersinia enterocolitica und Campylobacter jejuni. Ob eine Colitis durch Clostridien induziert ist oder nicht, beantworten eher der direkte Nachweis von Clostridienenterotoxin im Kot als der kulturelle Nachweis von Clostridien spp. oder das Auffinden von Clostridiensporen in der Kotzytologie. Die antibiotische Behandlung ist keimspezifisch ausgerichtet und beruht am besten auf einem direkt bei der Einsendung der Kotprobe mit angeforderten Antibiogramm. Rektalschleimhautproben zur Zytologie empfehlen sich bei therapieresistenten Colitiden, wenn eine Koloskopie mit Schleimhautbiopsie aus unterschiedlichen Gründen nicht durchgeführt werden kann.

Um die Tabellen sehen zu können, laden Sie sich bitte das PDF oben rechts runter. Die Probenentnahme sollte unter vorsichtiger Verwendung eines scharfen Löffels (Partsch‘ Löffel) erfolgen. Die Zytologie eines Ausstriches der Rectummucosa ermöglicht z. B. den Nachweis einer Infektion mit Prototheca spp. (Abb. 2). Bei der sehr seltenen Protothekose ist im Gegensatz zu den häufig auftretenden chronisch entzündlichen Darmerkrankungen der Einsatz immunsuppressiver Medikamente wegen der Gefahr einer systemischen Ausbreitung dieser Algeninfektion kontraindiziert. Bei der rein gastrointestinalen Form einer Infektion mit Prototheka zopfii scheint die Gabe von Nystatin (100.000 – 500.000 IU/Hund, 3x tgl. mind. 90 Tage) eine erfolgreiche Therapiemöglichkeit zu sein. Eigene Erfahrungen zeigen, dass mit der Therapie eine systemische Ausbreitung verhindert und die lokale Protothekeninfektion über Monate klinisch stabilisiert werden kann, auch wenn keine vollständige Elimination möglich ist. Tests zum Nachweis okkulten Blutes in Kotproben werden in ihrem diagnostischen Wert durch die verwendete Labormethode und die gefütterte Diät beeinflusst. Als beste Schnellmethode beim Hund hat sich der Hematest (Siemens Diagnostices) herausgestellt. Futtermittel auf Fleischbasis können ebenso zu falsch-positiven Testergebnissen führen wie Hill’s d/d (Dose) und Friskies pure beef. Vor der Testung sollte eine Umstellung auf Diäten erfolgen, die nachweislich keine falsch-positiven Testergebnisse hervorrufen wie z. B. Hill’s i/d (Dose), Hill’s canine maintenance trocken und Purina dog chow. Beim klinischen Hinweis auf Darmblutungen (Melena, Hematochezie, okkultes Blut) hängt die symptomatische Therapie vom Schweregrad einer Anämie ab. Therapiemaßnahmen (z. B. Gastroprotektiva, Transfusion) sollten so eingesetzt werden, dass sie die Diagnostik unterstützen und nicht behindern. Als initiale Therapiemaßnahme empfiehlt sich bei Blutungen im oberen Magen-Darm-Kanal der Einsatz von Ranitidin oder Famotidin in Kombination mit Sucralfat. Wenn jedoch eine Ultraschalluntersuchung oder eine Endoskopie zur Abklärung der Blutungsursache geplant ist, sollte auf schleimhautabdeckende und kontrastgebende Gastroprotektiva (z. B. Bismuthpräparate, Bariumsulfat, Sucralfat) vorerst verzichtet werden. Mögliche fäkale Marker einer intestinalen Entzündung sind alpha1-Proteinaseinhibitor und Calprotectin. Ihr diagnostischer Wert z. B. zur Indikationsstellung einer Endoskopie und zur Therapieverlaufskontrolle wurde bereits z. T. belegt. Allerdings limitieren gegenwärtige Anforderungen an den Probenversand (gefroren an das Gastrointestinale Labor der Texas A&M Universität) ihre praktische Einsetzbarkeit. Die Beurteilung der exokrinen Pankreasfunktion anhand der Ermittlung der fäkalen caninen pankreatischen Elastase (cE1) hat hauptsächlich Bedeutung zum Ausschluss einer exokrinen Pankreasinsuffizienz (EPI) durch den hohen negativen prädiktiven Wert des Parameters. Da die Sensitivität bei einer EPI allerdings 100 % ist, kann ein cE1 Wert < 20 ?g/g bei typischer klinischer Symptomatik (Polyphagie, Massenkot, Gewichtsverlust) als Indikation zum Einsatz von Pankreasenzymen gewertet werden. In jedem Fall empfiehlt sich jedoch wegen der Möglichkeit falschpositiver cE1-Testergebnisse, die EPI mittels cE1-Kontrolluntersuchung oder der Bestimmung der caninen Trypsin-like Immunoreaktivität (cTLI) im Blutserum zu bestätigen. Für beide Untersuchungen braucht eine bereits eingesetzte Enzymsubstitution nicht abgesetzt zu werden.

Blutuntersuchungen, Funktionstests und Urinanalyse

Die Hämatologie dient dem Nachweis einer Hämokonzentration (Dehydrierung) durch intestinalen Flüssigkeitsverlust oder einer Anämie durch chronische Darmblutungen (subregenerativ, mikrozytär, hypochrom). Bei einer Dehydratation ist abzuklären, ob Flüssigkeitsdefizite allein durch gastrointestinale Verluste und zu geringe Wasseraufnahme bedingt sind oder ob noch andere Symptome (z. B. Polyurie) bestehen. Das spezifische Gewicht des Urins erlaubt die Einschätzung der Nierenfunktion, wenn sich anamnestisch nicht erfahren lässt, ob der Patient vermehrt Urin absetzt. Besteht eine klinisch relevante Dehydratation, ist das Defizit durch Infusionstherapien auszugleichen. Bei der Wahl der Infusionsflüssigkeit ist auf Elektrolytverschiebungen zu achten, die auf einen Hypoadrenokortizismus hinweisen (Hyperkaliämie, Hyponatriämie). Anämische Patienten bedürfen einer Transfusion, wenn der Hämatokrit unter 20 % liegt und das klinische Allgemeinbefinden gestört ist bzw. Untersuchungen geplant sind, die eine Anästhesie erfordern. Ziel der Transfusion ist ein Hämatokritwert deutlich über 20 %. Die Entscheidung zwischen der Gabe von Erytrozythenkonzentrat und dem Einsatz einer Vollbluttransfusion hängt davon ab, ob der Patient zusätzlich an einer Hypovolämie oder Hypoproteinämie leidet. Leukozytenzahl und Differenzialblutbild sind oft von geringem diagnostischen Wert. Auf ihre Ermittlung sollte jedoch nicht verzichtet werden, da sie im Falle extremer Veränderungen auf Störungen des Immunsystems hinweisen. Sehr stark erhöhte Thrombozytenzahlen in Verbindung mit einer nichtregenerativen, hyopchrom, mikrozytären Anämie verstärken den Verdacht auf chronische Darmblutungen und somit die Indikation zur Ultraschalluntersuchung des Darmes, zur Endoskopie oder zur diagnostischen Laparotomie. Blutchemische Untersuchungen erfolgen meist unter Verwendung von metabolischen und Organprofilen (Leber, Pankreas, Niere, Endokrinium), um primär extraintestinale Ursachen einer chronischen Diarrhoe zu ermitteln oder mögliche systemische Auswirkungen einer chronischen gastrointestinalen Störung zu beurteilen.
Zur Abklärung der differenzialdiagnostisch wichtigen exokrinen Pankreasinsuffizienz eignet sich die Bestimmung der cTLI im Serum insbesondere durch ihren hohen positiven und negativen Voraussagewert. Pathologisch niedrige Werte < 2,5 ?g/l sind diagnostisch und Indikation für die Gabe von Pankreasenzympräparaten zur Substitution der eingeschränkten exokrinen Pankreasfunktion. Zur Diagnostik und Schweregradeinschätzung primär gastrointestinaler Erkrankungen sind insbesondere Gesamtprotein und Albumin, die Darmparameter Cobalamin und Folsäure sowie das Natrium-Kalium-Verhältnis von Bedeutung.

Panhypoproteinämie und Hypoalbuminämie haben eine enge Assoziation zu einer schlechteren Prognose. Sie indizieren meist die Notwendigkeit bildgebender und invasivdiagnostischer Verfahren zur Abklärung der Erkrankungsursache sowie von deutlich aufwändigeren Therapiemaßnahmen. Der Verdacht auf ein enterales Proteinverlustsyndrom stellt eine eindeutige Indikation zur Histologie von Darmbioptaten dar. Bei schwerer Hypoproteinämie ist die Endoskopie einer Laparotomie mit Darmvollschichtbiopsie vorzuziehen, wenn in der Ultraschalluntersuchung des Abdomens kein Hinweis auf eine Neoplasie oder chronische Invagination besteht. Die Endoskopie birgt im Vergleich zur Vollschichtbiopsie bei hypoproteinämischen Patienten mit bestehenden onkotischen Ödemen und Körperhöhlenergüssen ein geringeres Risiko möglicher Komplikationen wie z. B. postoperative Wundheilungsstörungen. SerumCobalamin ist ein weiterer Parameter, der bei Verminderung mit einer ungünstigeren Prognose einhergeht. Cobalamin sollte bei einem Mangel stets parenteral (subcutan) substituiert werden, da eine Hypocobalaminämie auf eine chronische Malabsorption hindeutet und zu einer gestörten Regeneration des Darmepithels beiträgt. Hypokaliämie und Hyponatriämie können Hinweise auf einen Morbus Addison oder einen Pseudohypoadrenokortizismus sein. Ein Na:K Verhältnis < 27 indiziert die Durchführung eines ACTH-Stimulationstests und einer Kotuntersuchung auf Peitschen würmer. Die Therapie ist entsprechend der Enddiagnose auszurichten. Der diagnostische Wert einer Bestimmung des Creaktiven Proteins im Serum zur Schweregradeinteilung einer chronischen Darmentzündung und zur Therapieverlaufskontrolle wird derzeit noch wissenschaftlich untersucht. Daher können noch keine Empfehlungen hinsichtlich der therapeutischen Relevanz von Erhöhungen dieses Parameters bei Hunden mit chronischer Diarrhoe gegeben werden. Tests zur intestinalen Permeabilität unter Verwendung von radioaktivem ChromEDTA, Zuckern oder Iohexol werden derzeit nur in spezialisierten Einrichtungen durchgeführt und haben eher Bedeutung in der Untersuchung der Pathophysiologie von Darmerkrankungen als in der klinischen Diagnostik. Ihr Ergebnis hat bisher keinen Einfluss auf Therapieentscheidungen. Urinanalysen dienen dem Ausschluss von Niereninsuffizienz und renalem Proteinverlust. Insbesondere bei einer Hypoalbuminämie sollte unabhängig vom Auftreten einer Diarrhoe der ProteinKreatininQuotient im Urin ermittelt werden. Ein enterales Proteinverlustsyndrom kann auch bestehen, wenn noch keine klinisch manifeste Diarrhoe vorliegt. Betroffene Patienten zeigen eine Panhypoproteinämie (Albumin und Globulin reduziert), jedoch keinen Hinweis auf eine Leberfunktionsstörung oder eine Proteinurie.

Lesen Sie in der nächsten Ausgabe die Fortsetzung zu Labor befunden aus der Histologie!

Foto 1: M. Ranta
Foto 2: P. Syrjä, Department of Veterinary Pathology,
University of Helsinki

HKP 5 / 2011

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 5 / 2011.
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Praxis und sollte unterhaltsame „Pflichtlektüre“ für das ganze Praxisteam sein.