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Diagnose, Therapie und Prognose

Tumor im Maul! – was nun?

Beim Hund sind Tumoren der Maulhöhle verhältnismäßig häufig und fallen durch eine sicht- oder fühlbare Umfangsvermehrung im Bereich des Kiefers, starken Mundgeruch, Verlust oder Lockerung von Zähnen oder (blutigen) Speichelfluss auf. Bösartige Tumoren sind beim Hund häufiger als benigne.

Die vier bedeutendsten malignen Tumoren sind in absteigender Reihenfolge der Häufigkeit das maligne Melanom, das Plattenepithelkarzinom, das Fibrosarkom und das Osteosarkom. Als benigne Neoplasien der Mundhöhle kommen vor allem die sogenannten Epuliden vor, wobei aus klinischer Sicht knocheninvasive von nicht-knocheninvasiven Formen unterschieden werden müssen.

Orale Melanome

Diese kommen gehäuft beim älteren Dackel, Cocker Spaniel und Pudel vor und können von der Gingiva, der Zunge oder der buccalen Mundhöhlenschleimhaut ausgehen. Sie können teilweise oder vollständig dunkel pigmentiert sein, daneben treten jedoch häufig auch pigmentarme oder pigmentlose „amelanotische Melanome“ auf. Fast alle oralen Melanome verhalten sich äußerst maligne und zeigen lokale Infiltration und die höchste Metastasierungsneigung von allen Maulhöhlentumoren. Selbst wenn zum Zeitpunkt der Diagnose noch keine Metastasen nachzuweisen sind, kommt es im weiteren Verlauf bei den meisten Patienten zur Tumorausbreitung. Die Lymphknoten und die Lunge sind die häufigsten Metastasierungsorgane, darüber hinaus können Metastasen aber auch in viele andere Organe auftreten, u.a. in Nieren und Gehirn. Der Zeitpunkt einer Metastasierung weist jedoch starke individuelle Unterschiede auf. Therapie der Wahl ist eine weite Resektion des Tumors (z.B. Kieferresektion) oder eine hypofraktionierte Bestrahlung (3–6 Fraktio­nen hoher Einzeldosis). Bei erfolgreicher Behandlung des Primärtumors ist oft die Metastasierung der limitierende Faktor für den Patienten.


Chondrosarkom des Oberkiefers


Fibrosarkom Oberkiefer CT


Plattenepithelkarzinom Oberkiefer
Kleiner Münsterländer CT prä OP


Plattenepithelkarzinom Oberkiefer
Kleiner Münsterländer CT 1 Jahr post OP – Neubildung der Conchen

Plattenepithel­karzinom der Gingiva

Das Plattenepithelkarzinom der Gingiva stellt sich als hellrote, häufig ulzerierte Zubildung dar, eine Invasion in den Kiefer­knochen mit Osteolyse ist die Regel und kann zu Zahnlockerungen und Zahnverlust führen. In einer Untersuchung der Tierklinik Hofheim bei 40 Hunden mit Plattenepithelkarzinomen des Kiefers konnte keine Rasseprädisposition festgestellt werden, jedoch waren Hunde mittlerer und großer Rassen überproportional vertreten. Das Durchschnittsalter der Patienten lag bei 8,6 Jahren. Gingivale Plattenepithelkarzinome metastasieren selten und auch erst spät im Verlauf der Erkrankung. Im Falle einer Metastasierung treten v.a. Lymphknoten- und nur gelegentlich Lungen- oder andere Organmetastasen auf. Es kann eine günstige Prognose gestellt werden, wenn mit einer Kieferresektion eine komplette Exzision des Tumors erreicht wird. In metastasierten Fällen werden als adjuvante Therapie eine Chemotherapie mit Platinderivaten, COX-2 Inhibitoren (NSAIDs) und der Tyrosinkinaseinhibitor Palladia® empfohlen.

Orale Fibrosarkome

Diese treten auch bei jüngeren Hunden auf und es besteht eine Prädisposition für mittlere und große Hunderassen. Der Tumor tritt bevorzugt im Bereich der gingivalen Mukosa und des harten Gaumens auf, ist schlecht umschrieben und verhältnismäßig hart. Er verhält sich extrem invasiv gegenüber dem umliegenden Gewebe und es ist stets von einer Knocheninvasion auszugehen, die sich in einem Großteil der Fälle auch als Osteolyse nachweisen lässt. Die Metastasierungsrate oraler Fibrosarkome liegt nur bei ca. 20%. Die Therapie der Wahl ist eine frühzeitige radikale Resektion. Patienten mit großen Tumoren haben aufgrund der hohen Rezidivrate eine ungünstige Prognose. Eine adjuvante Bestrahlungstherapie vermag die rezidivfreie Zeit zu verlängern, doch sind hohe Bestrahlungsdosen erforderlich. Eine Chemotherapie ist wenig erfolgversprechend.

Hoch differenzierte orale Fibrosarkome (low-grade Fibrosarkome)

Beim Hund kommt im Bereich des Kiefers die Sonderform des „hoch differenzierten Fibrosarkoms“ vor, das sich vom „klassischen“ Fibrosarkom histologisch und klinisch unterscheidet. Es weist als Charakteristikum trotz seines infiltrativen und destruktiven Verhaltens ein histologisch benignes Erscheinungsbild auf, was zur fälschlichen Diagnose eines benignen „Fibroms“ führen kann. Im angloamerikanischen Sprachgebrauch werden die Tumoren als „histologically low-grade, biologically high-grade fibrosarcomas“ bezeichnet. Der Tumor kommt vor allem bei mittleren und großen Hunden vor und es besteht eine Rassehäufung für Retriever. Das Tumorwachstum ist oft breitbasig und geht häufig lateral an der Maxilla vom Bereich des Oberkiefercaninus und der Prämolaren aus. Im späteren Stadium umfasst der Tumor als schlecht umschriebene, derbe Weichteilauftreibung die laterale Maxilla und den Nasenrücken. Seltener ist der Unterkiefer betroffen. Eine Osteolyse ist häufig, jedoch im Vergleich zum klassischen Fibrosarkom nur dezent. Im fortgeschrittenen Stadium auch Lungen- und Lymphknotenmetastasen auf. Die Prognose ist vorsichtig, da aufgrund des ausgedehnten und infiltrativen Verhaltens eine Resektion i.d.R. nicht erfolgreich ist.


Low grade Fibrosarkom an typischer Stelle im Oberkiefer bei einem Retriever

Orales Osteosarkom

Osteosarkome entstehen häufiger in der Mandibula als in der Maxilla und fallen meist als harte Schwellung mit Verdrängung und Verlust von Zähnen auf. Bei den Patienten der Tierklinik Hofheim (n=40) waren überwiegend große Hunde betroffen, nur 10% der Fälle betrafen Hunde unter 10kg Körpergewicht. Das durchschnittliche Alter lag bei zehn Jahren, allerdings waren fünf der 40 Patienten jünger als fünf Jahre. Osteosarkome der Kieferknochen verhalten sich weniger metastatisch als solche der langen Röhrenknochen. Die chirurgische Resektion ist die Therapie der Wahl, wobei aufgrund der niedrigeren Metastasierungsrate bei kompletter Resektion eine deutlich bessere Prognose zu erwarten ist als bei Osteosarkomen im Bereich der Gliedmaßen.

Epulis

Epuliden machen ca. 30% aller Maulhöhlen­neoplasien des Hundes aus und sind bei dieser Spezies die häufigste benigne Neoplasie. Der Begriff „Epulis“ ist eigentlich ein klinisch-deskriptiver und kein histologischer Terminus. Aus klinischer und therapeutischer Sicht werden knocheninvasive und nichtknocheninvasive Formen unterschieden. Die nichtknochen­invasiven Epulis-Typen werden heute als „peripheres odontogenes Fibrom“ bezeichnet und stellen solitäre oder häufig auch multiple gingivale Proliferationen dar, die die Zähne regelrecht einmauern können. Sie kommen gehäuft bei brachycephalen Rassen vor. Als knocheninvasive Form tritt die Epulis acanthomatosa auf, die nach neuer Nomenklatur als „acanthomatöses Ameloblastom“ bezeichnet wird. Sie führt in den meisten Fällen zur Invasion und Destruktion des betroffenen Kieferknochensegments und kann daher röntgenologisch den ­Anschein eines malignen Tumors erwecken, ­eine Metastasenbildung kommt jedoch nicht vor. Acanthomatöse Ameloblastome haben nach den eigenen Untersuchungen einen Anteil von ca. 20% an den Epuliden. In einer Unter­suchung der Patienten der Tierklinik Hofheim konnten 70 Hunde mit acanthomatösen Ameloblastomen ausgewertet werden. Hiernach waren die Tumoren am häufigsten in den rostralen Kieferbereichen lokalisiert. Hunde mittlerer oder größerer Rassen waren prädisponiert, eine Prädisposition für bestimmte Rassen war jedoch nicht nachzuweisen. Knapp 20% der Hunde waren unter fünf Jahre alt.


Postoperative Situation nach Resektion eines Oberkiefertumors. Defektdeckung mit einem Schleimhautlappen aus der Oberlippe


Fibrosarkom Oberkiefer (Hund aus CT-Studie)

Diagnostik von Tumoren der Maulhöhle

Außer bei multiplen Epuliden, bei denen die Diagnose auch ohne größeren Aufwand adspektorisch gestellt werden kann, ist die diagnostische Vorgehensweise bei allen Neoplasien der Maulhöhle gleich. Dabei muss die Diagnostik des Tumors bzw. die Inspektion der Maulhöhle zumeist unter Narkose durchgeführt werden. Röntgenuntersuchungen von Tumoren im Kiefer sind für eine Therapieplanung zumeist nicht ausreichend. Lediglich bei Tumoren im rostralen Unterkiefer kann, gute Lagerung und Belichtung vorausgesetzt, in Einzelfällen auf eine Schichtbilddiagnostik verzichtet werden. Bei den meisten malignen Kiefertumoren (besonders bei Tumoren des Oberkiefers) ist eine computertomographische Untersuchung für die Therapieplanung unerlässlich. Nach der röntgenologischen bzw. computertomographischen Untersuchung erfolgt immer eine Biopsieentnahme, da eine histopathologische Diagnose für das weitere Vorgehen unabdingbar ist. Auf eine ausreichend tiefe Biopsieprobe ist zu achten, da die Tumoroberfläche durch Ulzeration und Infektion häufig nur wenig diagnostisches Material liefert. Bei einem malignen Tumor sind zur Stadieneinteilung vergrößerte Lymphknoten zu biopsieren und zur Metastasensuche Röntgenaufnahmen der Lunge anzufertigen. Bei amelanotischen Melanomen ist die alleinige histologische Untersuchung zumeist nicht diagnostisch und die differenzialdiagnostische Unterscheidung zum Fibrosarkom bedarf häufig der Immunhistologie. Allerdings ist zu beachten, dass auch die Immunhistologie in einigen Fällen keine gesicherte Unterscheidung zwischen beiden Tumorarten ermöglicht.

Merke: Die bildgebende Untersuchung der Lokalausdehnung der Neoplasie zusammen mit seiner histopathologischen Diagnose sowie die Feststellung des Tumorstadiums sind die grundlegende Basis für die Planung der weiteren Therapie eines Kiefertumors. Eine „Therapie“ ohne diese Basisinformation ist nicht lege artis.

Therapie und Prognose

Orale Tumoren beim Hund zeigen eine Neigung zur Invasion des Kieferknochens, weshalb die lokale Exzision ohne Kieferresektion i.d.R. rasch zu einem Tumorrezidiv führt. Kieferresektionen (Maxillektomie oder Mandibulektomie) werden seit Jahren mit gutem Erfolg eingesetzt. Eine retrospektive Untersuchung der Tierklinik Hofheim bei 31 Hunden zeigte, dass diese Eingriffe mit guten funktionellen und kosmetischen Ergebnissen einhergehen. Eine Kieferresektion beinhaltet die Entfernung des betroffenen Kiefersegmentes einschließlich der Zähne. Die Resektionsebenen sind entsprechend der klinischen und computertomografischen Ausmaße der Neoplasie und des histologischen Tumortyps zu wählen. Nach einer Mandibulektomie ist bei jungen Tieren eine größere Beweglichkeit der verbleibenden Kieferhälfte zu erwarten, was jedoch meist nicht zu Problemen führt. Die Gelenke des Unterkiefers werden mit zunehmendem Alter straffer und führen zu einer verringerten Mobilität der Kiefernhälften. Ein Erhalt der Unterkiefer-Canini ist mit einem besseren kosmetischen Ergebnis verbunden und verhindert ein seitliches Heraushängen der Zunge. Je früher eine Operation durchgeführt wird, desto besser sind in der Regel die Aussichten auf Erfolg. Maligne Tumoren der Maulhöhle haben mit Ausnahme der Melanome eine relativ geringe Neigung zur Metastasenbildung, sodass die lokale Tumorkontrolle das oberste Ziel einer Behandlung darstellt. Weiter kaudal gelegene Neoplasien sind mit einer schlechteren Prognose behaftet als rostrale, vor allem bedingt durch die ungünstigeren Möglichkeiten der chirurgischen Intervention. Einer Untersuchung der Tierklinik Hofheim bei 40 Hunden mit einem Plattenepithelkarzinom war die Prognose nach Kieferresektion im Allgemeinen verhältnismäßig günstig. Der Anteil der Patien­ten mit einer Überlebenszeit mehr als einem, zwei, drei bzw. vier Jahren lag bei 97%, 73%, 51% bzw. 35%. Eine Strahlentherapie wird bei den Maulhöhlentumoren des Hundes als Primärtherapie v.a. bei malignen Melanomen, acanthomatösen Ameloblastomen und bei inoperablen Plattenepithelkarzinomen eingesetzt. Osteosarkome gelten als weitgehend strahlenresistent und auch orale Fibrosarkome sprechen als makro­skopische Tumoren kaum auf eine Strahlentherapie an. Im Falle mikroskopischer Tumorreste nach einer inkompletten Resektion lässt sich bei Fibrosarkomen durch eine adjuvante Bestrahlung die Zeit bis zur Rezidivbildung verlängern. Auch inkomplett resezierte orale Plattenepithelkarzinome können adjuvant bestrahlt werden.

take home

Viele Kiefertumoren des Hundes sind therapierbar und nicht selten lässt sich eine Heilung des Patienten erreichen. Grund­legende Basis für die Planung jeder Therapie ist aber die bildgebende Untersuchung der Invasion des Tumors, eine histologische Diagnose sowie die Feststellung des Erkrankungsstadiums des Patienten. Auch aus­gedehnte Kieferresektionen werden von Hunden erstaunlich gut toleriert und funktionell voll kompensiert.

HKP 5 / 2015

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 5 / 2015.
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Die hundkatzepferd begleitet mich nun schon seit einigen Jahren. Nach wie vor begeistern mich
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Fachmagazins. Ganz deutlich ist seit einigen Monaten eine noch stärkere Ausrichtung auf die Belange
und Interessen der Tierärzteschaft zu erkennen. Dies ist sehr erfreulich. Das Magazin gehört in jede
Praxis und sollte unterhaltsame „Pflichtlektüre“ für das ganze Praxisteam sein.