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Thermographie – ein Wegweiser für die Diagnose, ein neuer Weg der Gesundheitskontrolle

Auffälligkeiten sichtbar machen

Medizinische und veterinärmedizinische Thermographie ist eine wissenschaftliche Methode zur Erfassung und Beschreibung der Temperaturen und Wärmemuster der Körperoberfläche. Erstmals angewendet mit – aus heutiger Sicht – primitiver Technik in den 1970er-Jahren, stehen heute sehr genau messende und hoch auflösende Infrarot-Thermographie­kameras zur Verfügung.

Zusammen mit ausgereiften, hoch spezialisierten (veterinär)medizinischen Softwareprogrammen stellt die Thermographie eine wesentliche Erweiterung des diagnostischen Arsenals dar, allerdings, wie bei anderen Methoden auch, nur in der Hand des sachkundig ausgebildeten, trainierten und erfahrenen Experten.

Die Technik

Wärmebildkameras messen die körpereigenen Abstrah­lungstemperaturen (Infrarotstrahlung) – früher mit einer Differenzierung von mehr als 2°C, heute von ca. 0,1°C. Da sich die Anzahl der Wärmemesspunkte je Aufnahme stark erhöht hat und heute bei bis über 100.000 Messpunkten liegt, dokumentieren die Kameras feinste flächenbezogene Temperaturunterschiede (Abb.1+2). Woher kommen die Farben? Die einzelnen Temperaturwerte werden den Farben einer ausgewählten Farbskala zugeordnet. Die internationale Fachgesellschaft „Thermo­-Med – International Society of Thermography and Thermology“ (vormals Deutsche Gesellschaft für Thermographie und Regulationsme­dizin e.V.gegründet 1954) hat sich bei den Standards zur Pferdethermographie den Vorgaben der Amerikanischen Thermographischen Gesellschaft angeschlossen, die Regenbogenfarben zu nutzen, Lila und Blau stehen für Kälte, Rot und Weiß für Wärme bzw. Hitze, Grün und Gelb liegen in der Mitte. Daher ist nicht nur für den Thermographen ein Wärmebild schnell zu verstehen, sondern auch für den Tierarzt und Pferdebesitzer.


Abb.1+2 Thermographiebilder früher (Abb.1) und heute (Abb.2).

Im Vergleich zu anderen bildgebenden Methoden wie z.B. dem Röntgen oder dem Ultraschall, die Einblicke in den Körper gewähren, visualisiert die Wärme­bildkamera nur Temperaturmuster, die über die Haut nach außen dringen. Dies bedeutet, dass anhand von Wärmebildern keine Aussagen über den Zustand von möglich betroffenen Knochen, Weichteilen oder Organen gemacht werden können. Die Stärke der Thermographie liegt in der schnellen und für das Pferd schonenden Dokumentation von auffälligen Temperaturmustern, um präzise Aussagen machen zu können, ob ein Hitze- oder Kältemuster vorhanden ist, wo dieses zu lokalisieren ist, in welchem akuten Stadium sich dieses befindet und welche Bereiche vielleicht mitbetroffen oder eben nicht betroffen sind.

Einsatzbereiche

Traditionell wird die Thermographie zur Unterstützung einer medizinischen Diagnose genutzt. Sie dient als hilfreicher Wegweiser besonders bei unklaren Lahmheiten. Sicherlich ist das eine der großen Stärken der Thermographie, da sie schnell einen ganzheitlichen Eindruck vermittelt (Abb.3–6). Nämlich dann, wenn z.B. ein Röntgenbild oder die Beugeprobe keine sig­nifikanten Hinweise für eine Diagnose ergaben. Oft steht dann die Frage im Raum, ob die Lahmheit aus der Gliedmaße kommt oder vielleicht aus dem Rücken oder aus dem Genick (Abb.7+8). Über entzündeten Muskeln, Sehnen oder Gelenken sind deutlich erhöhte Abstrahlungswerte messbar. Dies sind die auffallenden Hitzemuster, die inflammatorische Veränderungen aufweisen und eingrenzen. Aber auch Kältemuster sind ein wichtiger Hinweis auf eine Unterversorgung des Gewebes. Grundvoraussetzung für jede Befundanalyse ist jedoch der Seitenvergleich unter Berücksichtigung der Temperaturmuster.


Abb.3-6 Vergleichsstudie, Vorderbein im Bereich der Röhre. Abb.3 Von links gesehen, normales Temperaturmuster; Abb.4 Von rechts gesehen, Hitzemuster unterhalb des Karpalgelenks; Abb.5 Von vorne, kleiner Wärmespot am inneren Rand des Karpalgelenks; Abb.6 Von hinten gesehen, Wärmemuster links, innen am Karpalgelenk, Wärmemuster im Bereich des linken Hufs.


Abb.7 Schulter rechts, leichtes Wärmemuster auf der Schulter.


Abb.8 Auffälliges Wärmemuster vor und auf der Schulter mit Hotspot (weiß).

Weitere Einsatzbereiche der Thermographie sind die Kontrolle der Hufe, beschlagen oder nicht, von den Seiten oder von unten, um Aussagen über die Durchblutungsmuster machen zu können und die Hufbalance, also die Gewichtsverteilung auf die Gliedmaßen. Ebenfalls bedeutend ist die Kontrolle des Rückens, insbesondere der Rückenmuskulatur und der Wirbelsäule. Gerade dieser Bereich sagt viel über falsche Belastun­gen durch den Sattel oder den Reiter aus oder über Blockaden der Wirbelsäule. Auch die Therapiekontrolle in der Rehaphase in Bezug auf Veränderungen der Temperaturmuster, in der Heilphase oder während des Aufbautrainings sind hilfreiche Dokumentationen (Abb.9+10). Ein immer wichtiger werdender Einsatzbereich ist die Trainingskontrolle des gesunden Pferdes, ob nun in der Ausbildung oder während der Saison. Bereits bevor es zu leichten funktionellen Störungen beim Pferd kommt, kann die Wärmebildkamera Fehlbelastungen lokalisieren.


Abb.9 Sattellage: nach dem Reiten mit Sattel, stärkere Erwärmung im vorderen Bereich, mit Tendenz nach links.


Abb.10 Sattel von unten nach dem Reiten, stärkere Erwärmung im vorderen Bereich und mehr Erwärmung in der linken Polsterung.

Thermographische ­Untersuchungen als Standbild oder als Video in der Bewegung

Das thermographische Standbild zeigt den aktuellen Istzustand des Pferdes. In der Ausbildung oder im Sport sollte frühzeitig dokumentierbar sein, wann ein Pferd anfängt, Probleme mit der Muskulatur zu bekommen. Bei einem gesunden Pferd verändert sich das Temperaturmuster der Muskulatur zeitgleich mit der Bewegung. So ist auf einem Thermographievideo zu erkennen, an welcher Stelle sich Muskulatur wie stark oder wie gering erwärmt. In einer Studie unter der Leitung von Petra Halder (Tierärztin und Ausbilderin) wurden gesunde Pferde im Training mit einer Videokamera und einer Wärmebildkamera mit Video parallel aufgenommen (Abb.11–14). Zu sehen sind zwei Pferde in der Piaffe. Beide Pferde beugen deutlich die Hanken und senken die Kruppe. Der Apfelschimmel erhebt die Vorder­beine in die Senkrechte, der Tigerschecke richtet sich in der Vorderhand nicht auf und schiebt das stützende Vorderbein unter den Körper. Der Apfelschimmel hat ein ausgewogenes Temperaturmuster, der Tigerschecke weist eine stärkere Erwärmung in der Hals- und Schultermuskulatur auf. Die Frage, die gestellt werden muss, lautet: Was will ich mit welchem Training erreichen und was führt zu einer Überbelastung?


Abb.11-14 In einer Studie unter der Leitung von Petra Halder (Tierärztin und Ausbilderin), wurden gesunde Pferde im Training mit einer Videokamera und einer Wärmebildkamera mit Video parallel aufgenommen.

Fachliche Ausbildung

Wie bei jeder sensiblen Technik sind auch einer thermographischen Untersuchung Grenzen gesetzt. Um diese zu kennen und zu vermeiden, ist die fachgerechte Ausbildung zum Thermographen notwendig. Die sachgemäße Hand­habung der Kamera und die Qualität der Messung nach Aufnahmestandards machen nur einen Schritt aus, um nicht zu Fehlaussagen verleitet zu werden. Vor jeder thermographischen Untersuchung müssen neben dem Ort, an dem thermographiert werden soll, auch alle Faktoren wie Einwirkungen von außen auf das Pferd oder Irritationen von Haut oder Fell begutachtet werden, damit es nicht zu Fehlinterpretationen der Temperaturmuster kommt (Abb.15+16).


Abb.15 Fellabrieb am Bauch, ein Hitzemuster, das durch den Reiter verursacht wird.


Abb.16 Feuchtigkeit (blau) als Kältemuster an einer Stelle, an der sich das Pferd kurz vorher ­geleckt hat.

take home

Als Fazit lässt sich zusammenfassen, dass die thermographische Untersuchung eine non-invasive und ganzheitliche Erfassung des Pferdes ist, die in seiner gewohnten Umgebung stattfindet. Das Pferd muss weder fixiert noch sediert werden. Die Untersuchung ist beliebig oft wiederholbar und nicht gesundheitsschädlich. Die Thermographie ist ein bildgebendes Verfahren, das schnell einen Eindruck über den Zustand des Pferdes vermittelt, auffällige Temperaturmuster lokalisiert und in Zusammenhänge stellt.

HKP 2 / 2015

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 2 / 2015.
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Dr. Birte Reinhold, ICHTHYOL-GESELLSCHAFT
„Endlich hat sich hundkatzepferd zum Fachmagazin für den Tierarzt entwickelt. In der Ausgabe 03/12 fielen neben informativen Neuigkeiten aus dem Praxisbereich und den lustigen Nachrichten aus der Tierwelt viele anspruchsvolle und praxisrelevante Fachartikel in einem ungewöhnlich anschaulichen und erfrischenden Design auf. Auch ein Fachmagazin kann unterhaltsam sein und taugt somit auch nach einem anstrengenden Arbeitstag noch zur Feierabendlektüre im Gartenstuhl. Gefällt mir!“
Prof. Dr. Arwid Daugschies, Universität Leipzig, Veterinärmedizinische Fakultät – VMF
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Dr. Anja Stahn ( Leitung der Geschäftseinheit VET in Europa und Middle East bei der Alere )
Die hundkatzepferd begleitet mich nun schon seit einigen Jahren. Nach wie vor begeistern mich
die Aufmachung, der fachliche und informative Inhalt sowie und die beeindruckenden Fotos des
Fachmagazins. Ganz deutlich ist seit einigen Monaten eine noch stärkere Ausrichtung auf die Belange
und Interessen der Tierärzteschaft zu erkennen. Dies ist sehr erfreulich. Das Magazin gehört in jede
Praxis und sollte unterhaltsame „Pflichtlektüre“ für das ganze Praxisteam sein.