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Gesundes Skelett

Wie bekommt man einen Hund optimal groß?

Gesundheitsprophylaxe beim Welpen heißt nicht nur Impfen und Entwurmen sondern auch, dass Haltung, Training und Fütterung den Anforderungen des Welpen entsprechen. Fehler bei Futterauswahl, Futtermenge oder Rationszusammenstellung wirken sich oft fatal auf das wachsende Skelett aus.

Was sind die Auslöser für Entwicklungsstörungen des Skeletts, den sogenannten „Developmental Orthopedic Diseases (DOD)“? Welche Fehlversorgungen führen zu Störungen und wie kann es ungewollt zu einer Fehlversorgung kommen?
Immer wieder ist man in der Praxis mit Skelettentwicklungsstörungen bei Welpen konfrontiert. Die bedarfsgerechte und ausgewogene Nährstoffversorgung ist ein wichtiger Bestandteil einer gesunden Aufzucht und sollte daher schon so früh wie möglich mit dem Tierhalter besprochen werden. Wer sich dafür entschieden hat, einen Welpen anzuschaffen, weiß in aller Regel um seine Verantwortung. Zusammen mit den genetischen Voraussetzungen bildet vor allem die Schaffung optimaler Aufzuchtbedingungen die Grundlage für ein langes, gesundes Hundeleben. Nutzt man bereits die ersten Besuche z. B. zum Impfen, kann vorbeugend eingegriffen werden und so Unsicherheiten und Fehlern beim Fütterungsregime zuvorgekommen werden. Viele Patientenbesitzersind überfordert und falsch informiert, halten sich an Trends und Weisheiten von Internetforen, Hundewiese, Hundeschulen, Züchtern und selbsternannten Fütterungsspezialisten, die nicht immer das Beste für das Tier sind. Als Beispiel sei nur die Rohfütterung (BARF) angeführt. Besonders während des Wachstums kann die häufig falsch dosierte Gabe der für die Skelettentwicklung relevanten Mineralstoffe wie Calcium, Phosphor, Zink und Kupfer zu irreversiblen Schäden führen, weil der Bedarf der Welpen und Junghunde besonders hoch ist und im Vergleich zu adulten Hunden hier sehr schnell klinisch relevante Symptome der Fehlversorgung entstehen. Eine Mineralstoffversorgung durch Knochen kann schlecht dosiert werden und ist oft unregelmäßig ( z. B. bei nur 1–2-maliger Gabe pro Woche) und zu hoch. Außerdem kann der Bedarf mit den meisten Elementen außer Ca und P sowie Vitaminen nicht über Knochen gedeckt werden und es kommt zu Mangelzuständen an Zink und Kupfer, die eine wichtige Rolle bei der Entwicklung des Bewegungsapparates innehaben.
Andererseits enthalten häufig genutzte Ergänzungen wie Heilerde viel zu wenig der zentralen Mengenelemente Calcium und Phosphor. Es ist zwar möglich, mit alternativen Fütterungsmethoden optimal zu füttern, aber behaftet mit einer ungleich höheren Gefahr für Fütterungsfehler und deren gesundheitlichen Konsequenzen.

Der Hund wächst durch Kalorien

Die Hitliste der Fütterungsfehler bei Welpen und Junghunden wird angeführt von der Energieüberversorgung [1]. Anders als bei erwachsenen Tieren kann eine passende Futter- sprich Kalorienmenge nicht direkt am Ernährungszustand des Welpen und Junghundes abgelesen werden. Das ansonsten sehr effektive System des sogenannten „Body Condition Scoring [2]“ kann während des Wachstums nicht grundsätzlich angewendet werden. Hat ein wachsender Hund bereits eine dickere Speckschicht auf den Rippen, kann natürlich von einer Energieüberversorgung ausgegangen werden. Das kann die Grundlage für Adipositas mit all seinen gesundheitlichen Folgen sein und sollte unbedingt vermieden werden. Schlank sein heißt aber beim Junghund nicht automatisch, dass kein Übergewicht vorliegt! Besonders bei schnellwüchsigen Rassen kommt es zu einer forcierten Entwicklung, die Tiere wachsen schneller und haben ein für ihr Alter zu hohes Gewicht trotz schlanker oder sogar dünner Erscheinung. Das höhere Gewicht – trotz altersabhängig relativ geringer Skelettentwicklung in Kombination mit hohen Spiegeln an Wachstumshormonen und - faktoren [3] aufgrund der hohen Energieaufnahme – kann zu Störungen der Skelettentwicklung führen. Der junge Hund kann also zu schwer sein und trotzdem mager und schlaksig aussehen! Bei vielen Welpenbesitzern hält sich hartnäckig das Gerücht, dass eine proteinreiche Nahrung Skelettschäden verursacht. Diese Vermutung aufgrund erster Versuche in den 70 er-Jahren ist aber eindeutig widerlegt. Stimmt die Kalorienmenge und bleibt die Proteinaufnahme in einem normalen und praxisüblichen Rahmen, sind keinerlei negative Effekte auf den Hund zu erwarten [4].

Überprüfung der Gewichtsentwicklung

Einzig die regelmäßige Überprüfung der Gewichtsentwicklung im Vergleich zu den Wachstumsempfehlungen je nach Gewichtsklasse [5] und dem entsprechenden Angleichen der täglichen Kalorienmenge garantiert eine optimale Entwicklungsgeschwindigkeit!
Liegt das aktuelle Gewicht im Normbereich, sollte nicht versucht werden, etwas auf die Rippen zu füttern. Die Hunde schießen davon meist noch mehr in die Höhe, verändern aber ihren Ernährungszustand nicht, sie bekommen also nichts zusätzlich auf die Rippen! Lassen Sie den Hundehalter einmal wöchentlich das Gewicht des Welpen überprüfen und am besten gleich in eine Wachstumskurve eintragen. Die Junghunde großer Rassen, die auch am meisten gefährdet sind, könnten die große Tierwaage in der Praxis nutzen. Vorteil: Kontrolle in der Praxis, schnelles Eingreifen und Optimieren bei Abweichungen zwischen Soll und Ist und nebenbei die Bindung der Klientel. Ziel ist es, eine zu schnelle Gewichtsentwicklung zu vermeiden, die Hunde langsam groß werden zu lassen und so die Gefahr für Skelettschäden, die den Hund sein Leben lang belasten können, zu minimieren. Das Endgewicht ist genetisch fixiert und kann nicht durch ein forciertes Wachstum erhöht werden – die Wahrscheinlichkeit für Lahmheiten, Achsabweichungen etc. schon.

Calcium und Phosphor – die Dosis ist entscheidend

Die absolute Menge an Calcium und Phosphor, die ein Hund während des Wachstums aufnimmt, entscheidet über eine ungestörte Knochenentwicklung. Dies liegt an dem hohen Bedarf für den Knochenaufbau und an der sich erst langsam entwickelnden Regulationseffizienz der Calciumretention [6].
Ein Mangel kann ebenso schädlich sein wie eine Überversorgung, wobei es rasseabhängige Unterschiede bei der Empfindlichkeit gegenüber Fehlversorgungen gibt [7]. Im Verlauf der ersten Lebensmonate ist die Calcium- und Phosphorretention noch sehr hoch, kann kaum herunterreguliert werden und bietet daher wenig Schutz gegen eine exzessive Aufnahme. Wird neben dem ausschließlichen Einsatz eines konzentrierten Alleinfutters oder Welpenaufzuchtfutters (z. B. Calciumgehalte von 1,2 % und mehr) noch ein Mineralsupplement wie Calciumcarbonat (ca. 36 % Calcium), Knochen oder ein hoch dosiertes kommerzielles Produkt in nennenswerten Mengen gegeben, kommt es schnell zu einer überhöhten Aufnahme an diesen Elementen. Bei einer Calciumversorgung von mehr als dem 1,5-fachen des Bedarfs muss schon innerhalb von einigen Wochen mit klinisch relevanten Schäden am juvenilen Skelett gerechnet werden. Im Versuch konnte selbst bei Vertretern einer kleinen bis mittelgroßen Rasse, denen normalerweise Unempfindlichkeit nachgesagt wird, ein subklinischer Effekt auf das Wachstum der langen Röhrenknochen nach Calciumexzess nachgewiesen werden [8]. Wird Calcium selektiv überversorgt, Phosphor dagegen in nicht ausreichenden Mengen angeboten (passiert z. B. bei einer Fütterung mit Fleisch und Flocken nur mit Calcium- aber ohne Phosphorsupplementierung), entsteht ein weites Ca-/P-Verhältnis über 2/1 (empfohlen: 1/1 bis max. 2/1). Hier kann der Calciumexzess in Kombination mit einem Phosphormangel die Situation verschärfen, denn die Phosphorverwertung wird bei Calciumüberhang zusätzlich verschlechtert – die Phosphorverknappung intensiviert sich. Phosphormangel kann unter anderem Schäden an den Muskeln, Sehnen und Bändern hervorrufen, die zu sich schnell entwickelnden, progredienten Achsabweichungen der Gliedmaßen führen können [9].
Auf der anderen Seite ist der Mangel an Calcium noch immer ein häufiges Problem bei der Welpenaufzucht und kann selbst bei Verwendung von speziellen Aufzuchtfuttermitteln vorkommen. Eine Versorgung von weniger als 70 % des Tagesbedarfs an Calcium wird besonders bei empfindlichen, großwüchsigen Rassen schnell zu massiven Problemen führen. Gründe für eine solche ungewollte Mangelversorgung können vielfältig sein.

- Ein unterdurchschnittlicher Energiebedarf führt zu einer geringen Futterund damit Nährstoffzuteilung. Einen Einfluss auf den Energiebedarf haben unter anderem die Rasse [10], das Aktivitätslevel zusammen mit der Haltungsform (einzeln, Gruppe, Haus, Zwinger) und der Gesundheitsstatus (z. B. weniger Energiezuteilung bei Lahmheiten).

- Häufig wird auch nicht ausschließlich das Aufzuchtfutter gegeben, sondern eine Vielzahl von Ergänzungen (Fleisch, Kauartikel, Öl, Leckerlis u.v.a.m.), die die Nährstoffdichte in der Tagesration drastisch schrumpfen lassen können.

- Selbst hergestellte Rationen – auch beim BARFen – sind oftmals nicht ausreichend mineralisiert.

Vorsicht ist hier auch bei vorübergehender Verwendung von selbst zubereiteten „Schonkostdiäten“ z. B. bei Durchfallproblemen (z. B. Hühnchen mit Reis) geboten, wenn kein adäquates Mineral-Vitamin-Supplement in ausreichenden Mengen ergänzt wird.

- Last but not least führt die Verwendung ungeeigneter kommerzieller Produkte (z. B. Futter speziell für den Erhaltungsbedarf, sogenannte Maintenanceprodukte) zu einem Mineralstoffmangel.

Die sicherste Methode zur Überprüfung der bedarfsdeckenden und ausgewogenen Versorgung mit Energie und den für eine gesunde Skelettentwicklung essentiellen Nährstoffen – allen voran Calcium und Phosphor – ist und bleibt die Rationsberechnung. Hierbei wird die tägliche Nährstoffaufnahme mit dem Bedarf des jeweiligen Tieres verglichen, denn der Bedarf des Welpen und Junghundes ist abhängig von Alter, aktuellem und erwarteten Gewicht. Bei Abweichungen muss nicht die gesamte Fütterung umgestellt sondern lediglich optimiert werden, z. B. unter Verwendung eines passenden Supplementes.

Literatur beim Autor

Dobenecker@lrz.uni-muenchen.de

HKP 2 / 2009

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 2 / 2009.
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