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Zur Entstehung von Futtermittelallergien bei Hunden

Wenn Futter krank macht

Futtermittelallergien werden bei Hunden als die statistisch dritthäufigste (nach der Flohallergie und der atopischen Dermatitis) allergische Erkrankung (bei Katzen nach der Flohallergie auf Platz 2 vor der atopischen Dermatitis) betrachtet.

Unter dem Oberbegriff adverse Reaktionen auf Futtermittel lassen sich sowohl Reaktionen mit immunologischem Hintergrund („echte“ Allergien, basierend auf einer vorausgehenden Phase der – immunologischen – Sensibilisierung) als auch klinisch kaum oder nicht von den Erstgenannten zu unterscheidende, nichtimmunologische Reaktionen (verschiedene Unverträglichkeiten, z.B. idiosynkratische Reaktionen, pharmakologische Reaktionen etc.) zusammenfassen. Aufgrund der stark eingeschränkten Aussagekraft serologischer Untersuchungsmethoden – insbesondere der positive Nachweis allergenspezifischer IgE und IG korreliert oftmals nicht oder schlecht mit der tatsächlichen Erkrankung – gilt die Eliminations- oder Ausschlussdiät (rigoros über einen Zeitraum von 6 – 12 Wochen), idealerweise in Form selbst zubereiteter Diätrationen, als Königsweg zur Feststellung bzw. zum Ausschluss der Erkrankung. Provokation und sequenzielle Provokation beziehungsweise Einzelaustestung verschiedener Zutaten/Komponenten bestätigen die (Verdachts-)diagnose und helfen bei der Erstellung einer Positiv- Negativliste vertragener bzw. nicht vertragener Nahrungsmittel. Zwischen 10 und 20 % der auf Futtermittel reagierenden Hunde sprechen nicht oder schlecht auf kommerzielle „hypo“- oder gar „an“-allergene, also hydrolysierte Proteine enthaltende Diäten an, weshalb ein „Nichterfolg“ kritisch zu betrachten und gegebenenfalls die selbst zubereitete Ausschlussdiät einer erfolglos verabreichten kommerziellen Ausschlussdiät anzuschließen ist. Im Anschluss an eine erfolgte Eliminations- und Provokationsfütterung kann versuchsweise auf kommerzielle Fertigfutter zurückgegriffen und verschiedene Sorten ausgetestet werden.
Viel wurde über die Zusammensetzung und Zubereitung von Eliminationsdiäten und die Symptome bei Futtermittelallergien (dermatologische, gastro-intestinale sowie sonstige Symptome) geschrieben. Aus diesem Grund sollen hier vor allem diejenigen Faktoren erwähnt werden, die die Entstehung von Futtermittelallergien begünstigen bzw. ursächlich an ihrer Entstehung beteiligt sind. Außerdem sollen tabellarisch die wichtigsten möglichen Unterscheidungskriterien zwischen Futtermittelallergien und anderen juckenden Dermatosen dargestellt werden, da sich bekanntermaßen verschiedene Arten von allergischen Dermatosen, besonders Atopie-Futtermittelallergie, kaum oder nicht (deutlicher im Vergleich zu Ektoparasitosen) voneinander unterscheiden lassen. In der Tat sprechen Veterinärdermatologen und Immunologen heute gar von food-induced beziehungsweise non food-induced atopic dermatitis (FIAD, NFIAD), um der Tatsache Ausdruck zu verleihen, dass beide Erkrankungen in ihrer Entstehung, ihrer Entwicklung und ihrem klinischen Erscheinungsbild (Tropho- bzw. Umweltallergene als Auslöser, ursächliche Schädigungen/Defekte der Schleimhaut- bzw. Hautbarrieren, immunologische Sensibilisierung, die unter anderem zur Produktion allergenspezifischer Antikörper – IgG, IgE – führt, dermatologische Symptome und deren Verteilungsmuster, genetische Prädisposition, multifaktorielle Genese, auslösende bzw. aufrechterhaltene Faktoren und Sekundärinfektionen) eine Vielzahl gemeinsamer Charakteristika aufweisen.

Entstehung von Futtermittelallergien und begünstigte Faktoren

Im Gegensatz zur atopischen Dermatitis (Atopie, non food-induced atopic dermatitis, NFIAD) wird eine genetische Komponente bei der Entstehung von Futtermittelallergien zwar ebenfalls – besonders für einige Rassen (z.B. Golden Retriever, Labrador Retriever, Boxer und andere) – vermutet, konnte aber bisher nicht eindeutig belegt werden. Die Fütterung fester Nahrung vor der 6. Lebenswoche scheint die Entstehung von Futtermittelallergien zu begünstigen. Vermutlich ist der Grund hierfür in der Tatsache zu finden, dass Hunde bis zu diesem Alter noch über keine vollständig ausgebildete „orale Toleranz“ verfügen, jenen Mechanismus, der dazu führt, dass Nahrungsmittelbestandteile (potenzielle Allergene) von körpereigenen Abwehrmechanismen als unschädlich eingestuft und entsprechend toleriert werden. Eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von Futtermittelallergien kommt all denjenigen Faktoren zu, die zu einer Schädigung der gastro-intestinalen Barrieren (Schleimhäute) und der daraus resultierenden Störung ihrer (Barriere-)funktion besonders im Sinne einer erhöhten Permeabilität führen.
Hierzu gehören Darmparasiten ebenso wie virale oder bakterielle Infektionen sowie weitere Faktoren (Vergiftungen, ungeeignete Zusatzstoffe etc.). Hinzu kommen Erkrankungen wie z.B. die exokrine Pankreasinsuffizienz oder auch eine bakterielle Überwucherung des Dünndarms, die zu Veränderungen des chemischen/biochemischen/biologischen Milieus des Gastrointestinaltrakts mit ähnlichen Konsequenzen führen. Aufgrund der „Lockerung“ der epithelialen Zellstrukturen und der daraus resultierenden Erhöhung der Permeabilität der Darmbarriere passieren größere Moleküle (so genannte Trophoallergene), die normalerweise nicht durch sie hindurch gelangen würden, die Darmwand und landen zunächst im darmassoziierten lymphatischen Gewebe, wo es zu einer immunologischen Reaktion kommt, die ihrerseits zur Entstehung entsprechender Abwehrmechanismen und später -reaktionen führen kann. Aus diesem Grund ist bei Durchfallerkrankungen eine 24- bis 48-stündige Nahrungskarenz bei Hunden sinnvoll und empfehlenswert. Ungeklärt ist, ob die in der Entstehung von Allergien viel diskutierte „Hygienehypothese“ eine Bedeutung für die Entstehung von Futtermittelallergien besitzt. Wir wissen, dass „steriles“, also industriell hergestelltes und haltbar gemachtes Futter, einen im Vergleich zu selbst hergestellten Futterrationen erheblich reduzierten Keimgehalt (nicht nur pathogene Keime) aufweist. Inwieweit dies jedoch eine Rolle bei der Entstehung von Allergien spielen kann, ist weitestgehend unbekannt. Die Bedeutung des Mikrobioms (Gesamtheit aller den Organismus besiedelnden Fremdorganismen) – insbesondere der gastrointestinalen Flora sowie die mögliche Bedeutung der Verabreichung von Prä- und/oder Probiotika als „Allergieprophylaxe“ – ist Gegenstand verschiedener Untersuchungen und andauernder Diskussionen. Bestimmte Nahrungsmittelallergene werden durch Herstellungsverfahren wie Erhitzen inaktiviert, andere hingegen gar „neu“ gebildet, wenn z.B. unter Hitzeeinwirkung Aminosäuren mit reduzierenden Zuckern reagieren und zur Bildung neuer Verbindungen führen („Maillard-Reaktion“). Nicht zuletzt können, wie wir heute wissen, Fütterungsfehler auch bei Selbstzubereitern (BARF oder Kochen) zu Fehl-/Über-/Unterversorgungen bestimmter Nährstoffe mit entsprechenden Auswirkungen auf die beschriebenen Haut- und Schleimhautbarrieren führen (Mineralstoffüber-
oder Unterversorgung, Mangel an essenziellen Fettsäuren, Vitaminverlust durch Erhitzen/Kochen etc.).

HKP 4 / 2012

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 4 / 2012.
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Dr. Birte Reinhold, ICHTHYOL-GESELLSCHAFT
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