Ernährung
>
Hund
>
Ernährung von Hunden und Katzen mit Mehrfacherkrankungen
Ernährung von Hunden und Katzen mit Mehrfacherkrankungen
Diätpflichtige Erkrankungen bei Hund und Katze kommen immer häufiger nicht allein: Multimorbidität ist vor allem bei älteren Tieren ein wichtiges Thema und eine therapeutische Herausforderung. Was tun, wenn mehrere Krankheiten gleichzeitig vorliegen, die unterschiedliche, z.T. sogar widersprüchliche Anforderungen an die Ernährung stellen?
Dick und krank
Übergewicht ist nicht nur die häufigste ernährungsbedingte Erkrankung bei Hund und Katze: Es begünstigt auch zahlreiche Folgeerkrankungen, die ihrerseits wieder eine besondere Ernährung erfordern. Harnsteine, Hauterkrankungen und Gelenkprobleme sind nur einige davon. Inzwischen ist beinahe jeder zweite Hund und jede zweite Katze, die in deutschen Tierarztpraxen vorgestellt wird, zu dick. Häufig muss also bei der Verordnung einer Diätnahrung unabhängig vom primären diätetischen Ziel auch eine Gewichtsreduktion angestrebt werden. Dies verbessert Prognose und Lebensqualität von Hunden und Katzen mit chronischen Erkrankungen. Eindeutig belegt ist die Bedeutung der Gewichtsreduktion in der Therapie von Diabetes mellitus [1,2] und Gelenkerkrankungen [3]. Eine gesunde Gewichtsabnahme sollte nicht mehr als 1–2% des Ausgangsgewichts pro Woche betragen. Vorsicht ist bei Patienten mit inneren Erkrankungen geboten, die besonders schnelle „Erfolge“ erzielen: Rapider Gewichtsverlust ist z.B. bei Tumor- und Herzpatienten ein ungünstiger Faktor für die Prognose quod vitam [4, 5].
Die Diätstrategie gegen Übergewicht ist ebenso einfach wie effektiv: Weniger Kalorien, also weniger Futter, lassen die Pfunde purzeln. Es ist jedoch zu beachten, dass es bei deutlicher Kürzung der Futtermenge bei der „Hauptdiät“ zu Engpässen in der Nährstoffversorgung kommen kann. So kann es z.B. bei proteinreduzierten Diäten zur Behandlung von Leber- oder Nierenerkrankungen zu einer Mangelversorgung mit essenziellen Aminosäuren kommen. Aufgrund der hohen Zahl übergewichtiger Hunde und Katzen in der Kleintierpraxis sind kommerzielle Diätnahrungen für unterschiedliche Indikationen teilweise bereits auch als kalorienreduzierte Varianten auf dem Markt. Völlig neu sind klinisch auf ihre Wirksamkeit geprüfte Reduktionsdiäten, mit denen sich gleichzeitig noch eine weitere Erkrankung gezielt diätetisch behandeln lässt (z.B. Multifunction S/O-Kcal von Royal Canin). Bei selbstgekochten Rationen kann die Kaloriendichte durch die Verwendung von mageren Fleischsorten oder von Ballaststoffen verringert werden. Hierzu sollte immer ein Experte die Ration kalkulieren (z.B. www.futtermedicus.de).
Futtermittelallergie „plus X“
Echte Futtermittelallergien sind insgesamt selten – je nach Studie sollen 1–5% aller Hunde und Katzen betroffen sein [6] – und lassen sich hervorragend diätetisch mithilfe einer Ausschlussdiät behandeln. Das betroffene Tier hat jedoch in der Regel lebenslang „etwas davon“: Ein Absetzen der passenden Nahrung führt in der Regel zu einem Rückfall. Verständlich, dass die Halter eines allergischen Tieres am liebsten lebenslang bei der einen Spezialnahrung, die funktioniert, bleiben wollen und jedem Futterwechsel äußerst kritisch gegenüberstehen. Im Laufe des Lebens könne jedoch auch Allergiker weitere Krankheiten bekommen, die diätetisch zu berücksichtigen sind. Bisher blieb da nur eine selbst zubereitete Diät, die auf die neue Erkrankung zugeschnitten ist und gleichzeitig bei der Rohstoffauswahl die Futtermittelallergie berücksichtigt. Inzwischen erweitern viele Hersteller ihr Sortiment, und es gibt seit kurzem auch kommerzielle hypoallergene Diäten, die für die Behandlung weiterer Erkrankungen geeignet sind.
Harnsteine & Co.
Harnsteinerkrankungen zeichnen sich durch eine hohe Rezidivrate aus. Insbesondere Katzen und Hunde kleiner Rassen sind häufig betroffen. Eine Harnsteindiät nach erfolgreicher Therapie abzusetzen, ist daher je nach Steinart und Begleitumständen nicht immer möglich. Hier gilt das bereits bei der Futtermittelallergie Gesagte: Im Laufe ihres Lebens können Harnsteinpatienten auch noch andere Erkrankungen entwickeln, die eine therapeutische Lösung erfordern. Die neue Diät sollte jedoch die Kriterien erfüllen, die zur Harnsteintherapie erforderlich sind: Eine Mineralstoffzusammensetzung, die möglichst geringe Konzentrationen der Harnsteinkomponenten im Harn liefert, Einstellung eines passenden Harn-pH-Wertes und Harnverdünnung über Steigerung der Flüssigkeitsaufnahme. Bei der Katze stellt die Therapie der idiopathischen Zystitis (die für etwa 60% aller Harnwegserkrankungen bei der Katze verantwortlich sein soll) einen Sonderfall dar: Die Therapie muss hier ganzheitlich erfolgen und z.B. die katzengerechte Gestaltung der Umwelt der Katze mit einbeziehen, um psychisch belastende Faktoren zu reduzieren. Hier kann die Ernährung ebenfalls einen Beitrag leisten, in dem Inhaltsstoffe mit emotional ausgleichender Wirkung verwendet werden (Alpha-Casozepin aus Casein; Tryptophan als Vorläufer der Botenstoffs Serotonin im Gehirn). Eine Kombination der diätetischen Ziele „Harnsteintherapie“ und „emotionale Ausgeglichenheit“ ist also für viele Katzen mit Harnwegserkrankungen sinnvoll.
Niere sticht
Leidet ein multimorbides Tier unter anderem an einer chronischen Nierenerkrankung (CNE), sollte diese in jedem Fall diätisch angemessen berücksichtigt werden und im Zweifelsfall Vorrang vor anderen diätetischen Zielsetzungen haben. Denn bei keiner anderen chronischen Erkrankung ist die positive Wirkung einer passenden Diät auf den Krankheitsverlauf und die Lebenserwartung und -qualität besser belegt als bei der CNE. Obligatorisch ist die Restriktion der Phosphorzufuhr in jedem Stadium, da sie besonders wichtig für eine Verlangsamung des Fortschreitens der CNE ist [7]. Die Proteinrestriktion, das zweite wichtige Merkmal einer Nierendiät, wird erst im fortgeschrittenen Stadium zur Begrenzung der Urämie bedeutsam. Gegen eine Phosphorrestriktion spricht bei einem adulten oder älteren Patienten in der Regel nichts. Auch viele Seniornahrungen sind bereits im Phosphorgehalt abgesenkt.
Schwierige Kombination
Problematisch hinsichtlich der diätetischen Behandlung sind die Kombinationen CNE und Diabetes sowie CNE und Pankreatitis. Da hier die diätetischen Empfehlungen nahezu gegenteilig sind (z.B. hoher Proteingehalt bei Diabetes), wird ein Kompromiss i.d.R. keine der beiden Erkrankungen optimal unterstützen. Fett und Protein stimulieren die Pankreassekretion am stärksten. Da bei einer Pankreatitis eine funktionelle Ruhigstellung des Organs erwünscht ist, sind fettreiche (Nierendiäten) und proteinreiche Diätnahrungen (Diabetesdiäten) weniger geeignet. Bei nierenkranken Hunden und Katzen mit Diabetes kann das Insulin passend zum Kohlenhydratanteil einer Nierendiät dosiert werden. Bei nierenkranken Pankreatitis-Patienten empfiehlt sich eine selbst zubereitete Diät mit reduziertem Fett-, Protein- und Phosphorgehalt. Hierbei kann es zu Problemen mit der Akzeptanz kommen, da tierische Proteine und Fett die Hauptgeschmacksträger sind. Bei Verwendung kommerzieller Nahrungen kann eine fettarme Magen-Darm-Schonkost in Verbindung mit einem Phosphor-Binder eine brauchbare Lösung sein, sofern das Produkt einen moderaten Phosphorgehalt hat.
Maßgeschneiderte Lösungen
Neben den hier aufgeführten sind zahlreiche weitere Kombinationen von Erkrankungen mit unterschiedlichen diätetischen Anforderungen denkbar. Das Angebot an kommerziellen Diätnahrungen wird immer präziser und bietet in vielen Fällen bereits jetzt passende diätetische Lösungen. Für Mehrfacherkrankungen, für die keine kommerzielle Diät verfügbar ist, lässt sich die Fütterung am besten an die Bedürfnisse des Patienten anpassen, wenn die Diät nach Rationsberechnung durch einen Experten vom Tierhalter selbst zubereitet wird. Dies erfordert jedoch ein hohes Maß an Motivation und Sachkunde, das nicht alle Tierhalter mitbringen. Diverse Dienstleister bieten eine fundierte Rationsberechnung an (z.B. Veterinärmedizinische Bildungsstätten, www.futtermedicus.de, www.napfcheck.de).
take home
Übergewicht ist eine Krankheit und sollte auch bei multimorbiden Tieren therapiert werden. Wird die Futtermenge der bereits verordneten Diät gekürzt, um die Energieaufnahme zu senken, muss die Deckung des Nährstoffbedarfs im Auge behalten werden, insbesondere bei deutlicher Verringerung der Tagesration. Ggf. ist ein Futterwechsel unvermeidbar. Echte Futtermittelallergien lassen sich nur über eine gezielte Ernährung (Eliminationsdiät) therapieren. Kommt eine weitere diätpflichtige Erkrankung hinzu, muss die neue Diät zusätzlich hinsichtlich der Rohstoffauswahl für den Allergiker geeignet sein. Harnsteinerkrankungen weisen eine hohe Rezidivrate auf. Erfordert eine weitere Erkrankung einen Futterwechsel, sollte die neue Nahrung hinsichtlich ihrer Wirkung auf Harnsteine überprüft werden (Effekt auf Mineralstoffzusammensetzung, pH-Wert und Verdünnung des Harns). Schwierige Kombinationen sind Nierenerkrankung und Diabetes bzw. Pankreatitis. Hier muss im Einzelfall unter Berücksichtigung der Klinik entschieden werden, was die beste Lösung für den Patienten ist.
Literatur beim Autor
Foto: © panthermedia.net, maxsheb, nickpo
|