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Adipositas beim Hund – Strategien zur Gewichtsreduktion

Viel zu fett

Adipositas betrifft bis zu 50% der in Europa gehaltenen Hunde. Bei Überschreitung des Idealgewichtes um mehr als 10% spricht man von beginnender Adipositas, bei mehr als 20% von Adi­positas. Sie ist als ein medizinisches, soziales und tierschutz­relevantes Problem anzusehen.

Die Wahrnehmung der Tierärzte und der Besitzer bezüglich des Ernährungszustandes des jeweiligen Tieres ist jedoch in vielen Fällen sehr unterschiedlich. Besitzern fällt in vielen Fällen gar nicht auf, dass ihr Hund viel zu viel Fett auf den Rippen hat. In der Regel kommen die Besitzer auch nicht wegen der Adipositas in die Sprechstunde, sondern wegen bestehender gesundheitlicher Probleme oder routinemäßig vorzunehmender Impfungen. Viele Tierärzte thematisieren in der Sprechstunde ungern das Thema Übergewicht, vielleicht auch aus Angst heraus, dass der Besitzer ablehnend oder verärgert reagiert und die Praxis zukünftig meidet. Es erfordert viel Fingerspitzengefühl, um zu vermeiden, dass beim Tierbesitzer Schuldgefühle ausgelöst werden. Wenn das Problem jedoch richtig ­angegangen wird, können durch eine erfolgreiche Reduktionsdiät der Hund, der Besitzer und der Tierarzt nur gewinnen. Bei Adipositas handelt sich zwar nicht um eine Krankheit, es werden jedoch die ­Lebensqualität der Hund und die Lebensdauer signifikant reduziert: Adipöse Hunde leben im Durchschnitt ca. zwei Jahre kürzer als schlanke Artgenossen. Zudem neigen sie vermehrt zu Krankheiten wie z.B. Diabetes, Gelenkerkrankungen, Pankreatitis, Tumoren, Erkrankungen der Harnwege und Lebererkrankungen.

Wodurch wird ein Hund dick?

Prinzipiell tritt Übergewicht auf, wenn die Energiezufuhr höher als der Energiebedarf ist. Der Energiebedarf wird von verschiedenen Faktoren wie insbesondere der körperlichen Aktivität, aber auch der Genetik bzw. der Rassezugehörigkeit beeinflusst. Zudem sinkt der Energiebedarf nach Kastration, im Seniorenalter und unter Verabreichung von bestimmten Medikamenten wie z.B. Neuroleptika oder bei bestimmten ­Erkrankungen wie z.B. Hypothyreose oder Gelenkerkrankungen infolge der verringerten körperlichen Aktivität. Wird in solchen Fällen das bisherige Futter in der gleichen Menge weitergefüttert, kommt es zu einer Gewichtszunahme. Soll ein Hund also abnehmen, muss die Energiezufuhr verringert werden und der Energieverbrauch durch vermehrte Aktivität gesteigert werden.

Ziele

// Es soll eine effektive Gewichtsreduktion erzielt werden.

// Die Muskelmasse soll erhalten bleiben.

// Die Lebensqualität soll sich verbessern.

// Das Zielgewicht sollte auf Dauer gehalten werden.

Wie kann eine Gewichtsreduktion von Hundepatienten erreicht werden?

Reduktionsdiäten erfordern in der Praxis ein langfristiges und individuell abgestimmtes Behandlungs- und Betreuungskonzept. Nur wenn die Wünsche und ­Bedürfnisse des Hundebesitzers berücksichtigt werden, kann die Reduktionsdiät erfolgversprechend sein (siehe auch nachfolgend unter Diäten). Am Beginn der Behandlung sollte immer ein ausführliches Gespräch stehen. Der Patientenbesitzer sollte einen schriftlich zu beantwortenden Fragebogen erhalten, der die genauen ­Daten zum Hund und zu den verfütterten Futtermitteln mit exakten Grammangaben abfragt – inklusive Belohnungen (z.B. für die Hundeschule oder beim Gassigehen), Beifütterung vom Tisch, Kauartikel, Zahnpflegeprodukte, Zusatzpräparate und Medikamente. Diese Komponenten zählen für Besitzer oft nicht als „Futter“, sind aber größtenteils vollkommen unterschätzte ­Kalorienbomben. Der Besitzer sollte über die hohe Energiedichte von Belohnungen und Kauartikeln aufgeklärt werden.

Punkt 1: Dem Besitzer das Problem klarmachen

Der Tierarzt kann z.B. anhand von Postern, die den Ernährungszustand, auch BCS genannt (= Body Condition Score) thema­tisieren, dem Besitzer ganz sachlich auf­zeigen, dass sein Hund ein zu hohes Körpergewicht aufweist und dass dies negative Folgen für das Tier hat. Mit einer computergestützten Rationsüberprüfung der bisher verfütterten Ration kann dem Besitzer anhand der Zahlen sehr anschaulich die Diskrepanz zwischen dem Energiebedarf seines Hundes und der tatsächlich aufgenommenen Energiemenge aufgezeigt werden.

Punkt 2: Den Besitzer aufklären, dass der Hund bei Gewichtsreduktion an Lebensqualität und Lebenszeit gewinnen wird

Nur wenn die entsprechende Compliance und Motivation vonseiten des Besitzers vorhanden ist, kann eine Reduktionsdiät Erfolg haben!

Punkt 3: Mit dem Besitzer zusammen ein Zielgewicht festlegen

Wenn der Besitzer gewillt ist, eine Reduk­tionsdiät durchzuführen, sollte ein Zielgewicht festgelegt werden. Hilfreich können dabei Rassestandards sein oder die Angabe, welches Gewicht das Tier als junges erwachsenes Tier ursprünglich hatte.

Punkt 4: Diätplan erarbeiten

Für eine erfolgreiche Gewichtsreduktion soll der Hund ca. 60% der Energiezufuhr bekommen, die er mit Idealgewicht bekäme. Ein individueller Diätplan sollte vom jeweiligen Tierarzt oder von einem auf Tier­ernährung spezialisierten Kollegen mittels computergestützter Rationsberechnung aus­gearbeitet werden. Bei den Diäten gibt es verschiedene Möglichkeiten (siehe weiter unten). Der Besitzer muss angewiesen werden, den Diätplan exakt einzuhalten. Ergibt sich innerhalb der ersten 14 Tage keine ­Gewichtsreduktion, müssen der Diätplan angepasst und die Energiezufuhr weiter abgesenkt werden.

Punkt 5: „Fitnessplan“ erarbeiten

Mit dem Besitzer sollte auch die Notwendigkeit besprochen werden, die sportliche Aktivität des Hundes zu steigern. Bei Spaziergängen sollten die Anforderungen langsam gesteigert und beispielsweise Apportierspiele mit einbezogen werden. Bei Hunden mit Gelenkproblemen kann Schwimmen eine schonende Alternative sein.

Punkt 6: Futteraufnahmezeit verlängern

Durch entsprechend gestaltete Futternäpfe oder spezielle Spielzeuge, mit denen z.B. die Trockenfutterstückchen nur einzeln abgegeben werden, wenn der Hund sich mit ihnen beschäftigt, kann die Futteraufnahme­zeit verlängert werden. Günstig ist es, wenn der Hund sich sein Futter „erarbeiten“ muss, wie dies z.B. im Zootierbereich schon länger erfolgreich praktiziert wird. Werden zwei oder mehr Hunde ein einem Haushalt gehalten, sollten diese getrennt gefüttert werden, um eine zu hastige Futteraufnahme und Futterneid zu verhindern.

Punkt 7: Regelmäßig Wiegetermine vereinbaren

Besitzer und Hund sollten ca. alle 14 Tage in die Praxis bestellt werden, damit der Hund gewogen werden kann. Auch die Messung des Brustkorbumfangs und Bauchumfanges sind in den meisten Fällen sinnvoll und können wie das Körpergewicht in entsprechenden Grafiken gut dokumentiert werden. Auch Fotos („vorher“ – „nachher“) können zur Dokumentation der erfolgreichen Gewichtsreduktion verwendet werden und den Besitzer weiter bestärken, die Diät durchzuhalten. Den meisten Besitzern fällt bereits nach wenigen Wochen nach Diätbeginn die gesteigerte Lebensfreude ihrer Vierbeiner durch die Gewichtsreduktion auf, was sie zusätzlich motiviert, die Diät weiter zu führen.

Punkt 8: Zielgewicht halten

Ist das Zielgewicht erreicht, kann die Energiezufuhr wieder etwas angehoben werden, damit der Hund das Gewicht hält. Leider ist auch der Jo-Jo-Effekt bei Hunden nicht selten. Nach erfolgreicher Gewichtsreduktion verfallen viele Besitzer wieder in die alten Gewohnheiten. Jedoch kann nur eine dauerhafte und konsequente Einhaltung der Futterpläne eine Gewichtszunahme verhindern.

take home

Adipositas sollte in der Sprechstunde vermehrt thematisiert werden. Dem Besitzer sollte vermittelt werden, dass die Gewichtsreduktion bei einem adipösen Hund die Krankheitsanfälligkeit senkt und die Lebensqualität und
Lebensdauer des Tieres signifikant steigert.

Lesen Sie in der nächsten Ausgabe: Wie sehen die richtigen Diätpläne aus?

Stichwörter:
Diabetes, Gelenkerkrankungen, Pankreatitis, Tumoren, Erkrankungen der Harnwege, Lebererkrankungen, Gewichtsreduktion, Ernährungszustand, Diätplan,

HKP 4 / 2014

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 4 / 2014.
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Dr. Anja Stahn ( Leitung der Geschäftseinheit VET in Europa und Middle East bei der Alere )
Die hundkatzepferd begleitet mich nun schon seit einigen Jahren. Nach wie vor begeistern mich
die Aufmachung, der fachliche und informative Inhalt sowie und die beeindruckenden Fotos des
Fachmagazins. Ganz deutlich ist seit einigen Monaten eine noch stärkere Ausrichtung auf die Belange
und Interessen der Tierärzteschaft zu erkennen. Dies ist sehr erfreulich. Das Magazin gehört in jede
Praxis und sollte unterhaltsame „Pflichtlektüre“ für das ganze Praxisteam sein.