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Tierarzt nicht erreichbar

Tierarzt nicht erreichbar

Im Notfalldienst

Der tierärztliche Notfalldienst stellt für viele Patientenbesitzer oftmals die einzige Rettung dar. Gerade bei einem Notfall während der Nachtzeit oder an Wochenenden bzw. Feiertagen erfordert die Angst um das geliebte Familienmitglied dringende Hilfe durch einen Tierarzt. Gibt es jedoch eine Pflicht zum Notfalldienst und was passiert, wenn man im Notfalldienst nicht erreichbar ist?

Einrichtung eines Notfalldienstes

Im tierärztlichen Bereich ist im Gegensatz zur Humanmedizin die Durchführung eines Notfalldienstes grundsätzlich keine Pflicht. Einzelne Tierärzte oder private Zusammenschlüsse von Tierärzten können daher entsprechende Dienste für ihre Patienten­be­sitzer anbieten. Für diese ist eine solche Leistung oft mehr als bloßer Service am Kunden. Die Berufsordnungen für Tierärzte der einzelnen Bundesländer sehen überwiegend einheitliche Regelungen vor. Danach können die Landestierärztekammern die Einrichtung und Durchführung eines Notfalldienstes den niedergelassenen Tierärzten überlassen, die dies in Eigenregie regeln. Die Einrichtung des Notfalldienstes ist dann der Landestierärztekammer mit­zuteilen. Bildet sich ein freiwilliger Notfalldienst nicht, so sollen die Landestierärztekammern vermitteln. Kommt ein Notfalldienst nicht zustande oder wird er auf Dauer funktionsunfähig, so kann ihn die Landes­tierärztekammer einrichten, sofern diese Maßnahme zur Sicherstellung der tierärztlichen Versorgung an Wochenenden und an Feiertagen in der betreffenden Region zwingend erforderlich ist oder von der Mehrheit der Tierärzte beantragt wird, für deren Praxiseinzugsbereich ein Notfalldienst nicht auf freiwilliger Basis zustande gekommen oder gescheitert ist. Für diesen Fall werden sämtliche im Notfalldienst­bezirk mit eigener Praxis niedergelassenen Tierärzte zum Dienst herangezogen.

Befreiung möglich

Eine Befreiung ist bei schwerwiegenden in der Person oder den Lebensumständen des Tierarztes liegenden Gründen möglich. Der Tierarzt kann sich auf Antrag ganz oder teilweise sowie vorübergehend oder auf Dauer befreien lassen. Als Gründe werden u.a. das Alter, eine körperlicher Behinderung oder belastende familiäre Pflichten angesehen. Über Umfang und Dauer der Befreiung entscheidet dann die Landestierärztekammer. Ein Tierarzt aus Chemnitz vertrat 2010 die Auffassung, als Grund für eine Befreiung müsse auch gelten, dass er die Tätigkeit nur im „Nebenerwerb“ ausübe. In Vollzeit war er als Angestellter in einem Pharmaunternehmen beschäftigt und nur in zeitlich sehr geringem Umfang in der eigenen tierärztlichen Praxis tätig. Auch gab er an, ihm entstünden durch die Teilnahme am unbeschränkten tierärztlichen Notdienst unverhältnismäßige Zusatzkosten, da er nur eine Kleintierpraxis betreibe. Das Verwaltungsgericht Chemnitz entschied gegen den Tierarzt (AZ VG Chemnitz 2 K 637/08). Das Gericht war der Auffassung, dass die Verpflichtung zum Notfalldienst an die Niederlassung gebunden sei und unabhängig vom zeitlichen Umfang der ausgeübten ­Tätigkeit sowie unabhängig vom Tätigkeitsschwerpunkt (Groß- oder Kleintiere) bestehe. Es führte aus, dass sich die tierärztlichen Berufspflichten am Berufsbild des „Vollzeit“-Tierarztes orientieren. „Alle praktizierenden niedergelassenen Tierärzte seien aufgrund ihrer Ausbildung und Approbation zur Teilnahme am tierärztlichen Notfalldienst geeignet. Derjenige, welcher fachlich nicht die Gewähr für eine ordnungsgemäße und qualifizierte Durchführung des Notfalldienstes biete, habe sich entsprechend fortzubilden oder auf eigene Kosten einen Vertreter für die Durchführung der ihm obliegenden Einsätze zu stellen. Auch ein langjährig auf Kleintiere spezialisierter Tierarzt habe deshalb keinen Anspruch auf Befreiung vom Notfalldienst“, so die Richter.

Pflichten im Notfalldienst

Wenn ein entsprechender Notfalldienst ­eingerichtet ist, dann treffen den dienst­habenden Arzt grundsätzlich dieselben Pflichten wie in seinen Sprechzeiten. Das entschied das Verwaltungsgericht Gießen mit Urteil vom 20. Oktober 2010 (Aktenzeichen: 21 K 3235/09.GI.B) für einen Fall aus der Humanmedizin. Die Richter vertraten die Auffassung, dass der Arzt auch tatsächlich und nicht nur telefonisch erreichbar sein müsse. Die Verpflichtung zur Leistung ärztlicher Fürsorge im Notdienst beinhalte jedoch nicht, so die Richter, dass der Arzt auch tatsächlich eine Heilbehandlung durchführe. Der Arzt sei nur verpflichtet, sein ärztliches Wissen und Können zur Prüfung des ihm vorgetragenen oder vor ­Augen geführten Leidens dergestalt einzusetzen, um selbst zu entscheiden, ob Behandlungs­bedürftigkeit vorliege und wie und von wem die Behandlung durchgeführt werde. Regelmäßig werde aber wohl die erforderliche Behandlung in die Wege geleitet.

Im Notfalldienst nicht erreichbar

Was geschieht jedoch, wenn der Tierarzt, der zum Notfalldienst eingeteilt war, nicht erreichbar ist? Einen solchen Fall hatte im Jahre 2006 das Verwaltungsgericht Mainz als Berufsgericht für Heilberufe zu entscheiden (VG Mainz, Az.: Kf 3/06.MZ). Dieses spezielle Gericht ist für Rheinland-Pfalz insgesamt zuständig. Es entscheidet über Maßnahmen in Fällen, in denen ein Kammermitglied seine Berufspflichten schuldhaft verletzt hat und kann Geldbußen bis zu 100.000 Euro verhängen.

Die Richter verurteilten einen Mainzer Tierarzt zu einer Geldbuße in Höhe von 5.000 Euro. Er hatte nach Ansicht des Gerichts seine Berufspflichten verletzt, als er während seines Notfalldienstes nicht erreichbar war. Der Tierarzt war für zwei Tage für den tierärztlichen Notfalldienst in Mainz bestellt worden. Im Zeitraum von zwei Stunden versuchte ein Kaninchenbesitzer mehrfach, den Arzt telefonisch zu erreichen. Als ihm dies nicht gelang, begab er sich schließlich zur Praxis und versuchte dort eine halbe Stunde lang ebenfalls erfolglos, sich bemerkbar zu machen, obwohl die Rollläden der Praxis hochgezogen und das Klingelschild beleuchtet waren. Die Richter meinten, Kern der Notfalldienstpflicht sei die ständige Erreichbarkeit des Notfallarztes für Behandlungen und zur Entgegennahme von Patientenanmeldungen während der gesamten Dienstzeit. Der zum Notdienst eingeteilte Arzt müsse sowohl telefonisch erreichbar sein als auch für unangemeldet in die Praxis kommende Notfallpatienten Vorsorge treffen. Diese Pflichten habe der Tierarzt verletzt, indem er in der besagten Zeit weder telefonisch noch in seiner Praxis erreichbar gewesen sei. Der tierärztliche Beruf, so die Richter, erleide gerade durch Fehlleistungen im Notfall- und Bereitschaftsdienst erheblichen Vertrauens- und Ansehensverlust. Bei der Geldbuße wurde auch berücksichtigt, dass der Tierarzt in der Vergangenheit bereits zweimal wegen Verletzung seiner Berufspflichten zu Geldbußen verurteilt worden war. Die hohe Geldbuße sei angemessen, um den Tierarzt anzuhalten, künftig seine Berufspflichten zu erfüllen. Ein hartes, aber nachvollziehbares Urteil.

take home

Denken Sie bitte daran: Für Sie ist der Notfalldienst sicherlich mit mehr Stress und Mühen verbunden, für den Patientenbesitzer sind Sie in der Notfallsituation aber die einzige Hoffnung auf Hilfe.

HKP 7 / 2014

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 7 / 2014.
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Dr. Birte Reinhold, ICHTHYOL-GESELLSCHAFT
„Endlich hat sich hundkatzepferd zum Fachmagazin für den Tierarzt entwickelt. In der Ausgabe 03/12 fielen neben informativen Neuigkeiten aus dem Praxisbereich und den lustigen Nachrichten aus der Tierwelt viele anspruchsvolle und praxisrelevante Fachartikel in einem ungewöhnlich anschaulichen und erfrischenden Design auf. Auch ein Fachmagazin kann unterhaltsam sein und taugt somit auch nach einem anstrengenden Arbeitstag noch zur Feierabendlektüre im Gartenstuhl. Gefällt mir!“
Prof. Dr. Arwid Daugschies, Universität Leipzig, Veterinärmedizinische Fakultät – VMF
„hundkatzepferd serviert dem Leser den aktuellen Wissensstand in leicht verdaulicher Form. In Zeiten einer erdrückenden Informationsflut tut es gut, wenn solides Wissen auch in erfrischend entspannter Art angeboten wird.“
Dr. Anja Stahn ( Leitung der Geschäftseinheit VET in Europa und Middle East bei der Alere )
Die hundkatzepferd begleitet mich nun schon seit einigen Jahren. Nach wie vor begeistern mich
die Aufmachung, der fachliche und informative Inhalt sowie und die beeindruckenden Fotos des
Fachmagazins. Ganz deutlich ist seit einigen Monaten eine noch stärkere Ausrichtung auf die Belange
und Interessen der Tierärzteschaft zu erkennen. Dies ist sehr erfreulich. Das Magazin gehört in jede
Praxis und sollte unterhaltsame „Pflichtlektüre“ für das ganze Praxisteam sein.