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Nierendiäten für Katzen mit chronischer Niereninsuffizienz

Nierendiäten für Katzen mit chronischer Niereninsuffizienz

Wenn das Futter an die Nieren geht

Beim chronischen Nierenversagen der Katze ist die Nierendiät ein zentraler Therapiebaustein in der Behandlung durch den Tierarzt. Aus diätetischer Sicht ist man unter anderem mit der Entgleisung des Mineralstoffwechsels und den Endprodukten aus dem Proteinstoffwechsel mit zwei Teufelskreisen konfrontiert. Nierendiäten können hierbei einiges leisten, um das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen.

Ernährungseinfluss auf die chronische Niereninsuffizienz

Nierendiäten müssen den Nährstoff- und Energiebedarf decken, das Fortschreiten des Funktionsverlustes der Niere verlangsamen, Urämiesymptome lindern und Störungen des Mineralstoffhaushaltes verringern. Eine Nierendiät kann die Überlebenszeit von Katzen mit chronischer Niereninsuffizienz (CNI) signifikant verlängern, die Lebensqualität verbessern und die Episoden urämischer Krisen reduzieren, wenn die Diagnose früh gestellt werden kann (optimalerweise IRIS Stadium II).

Energiebedarf decken – Fette, Kohlenhydrate und Protein

Nierendiäten sind meist sehr fettreich. Dies fördert die Akzeptanz und verringert die Futtermenge, die notwendig ist, um den Energiebedarf zu decken (Energiebedarf Katze adult 100 kcal x kg KG0,67 ± 50 %). Da nierenkranke Katzen häufig unter Anorexie, Erbrechen und Durchfall leiden, sollten der Akzeptanz, der Verträglichkeit und dem Fettgehalt besondere Beachtung geschenkt werden, um zu vermeiden, dass das Tier durch einen Energiemangel in eine katabole Stoffwechsellage kommt. Werden vermehrt Aminosäuren zur Energiegewinnung mobilisiert, steigt die Menge an N-haltigen Stoffwechselprodukten im Blut. Zusätzlich verschärfen die Besonderheiten des Proteinstoffwechsels der Katze die Situation, da die Enzyme der Gluconeogenese in der Leber in Zeiten knapper Proteinversorgung nicht wie bei anderen Tierarten gedrosselt werden und immer Aminosäuren zur Energiegewinnung oxidieren. Fette und Kohlenhydrate sind geeignete Energiequellen, da keine stickstoffhaltigen Endprodukte anfallen. Insbesondere Fette weisen eine hohe Energiedichte auf und fördern die Akzeptanz. Die Proteinzufuhr sollte unter Berücksichtigung etwaiger Verluste durch eine vorliegende Proteinurie moderat reduziert werden. Gleichzeitig sollten hochverdauliche Proteine mit hoher biologischer Wertigkeit Verwendung finden. Typische Gehalte extrudierter Futtermittel, die zu keinem Mangel bei ausgewachsenen Katzen über Monate und Jahre führten, betragen 26,5 % i. d. TM (4000 kcal ME/kg TM). Es gibt Hinweise darauf, dass sich die Zufuhr langkettiger mehrfach ungesättigter Omega-3-Fettsäuren mindernd auf Hypertonie und möglicherweise auch auf die Produktion proinflammatorischer Cytokine im Nierengewebe beim Hund auswirkt. Es gibt jedoch keine Studien, die einen Effekt bei der Katze nachweisen.

Fasern

Eine alternative Route zur N-Ausscheidung verläuft über die Bakterienmasse im Darm. Die Kohlenhydrate aus fermentierbaren Fasern (FOS, Rübentrockenschnitzel usw.) werden als Kohlenstoffgerüst von der Darmflora zur Aminosäurensynthese genutzt. Der notwendige Stickstoff kommt aus dem Harnstoff im Blut, der durch die bakterieneigene Urease bzw. aus präzekal unverdaulichem Nahrungsprotein gespalten werden kann. Kurzkettige Fettsäuren bewirken zusätzlich eine pH-Wertabsenkung, wodurch zusätzlich Ammoniak zum schlechter diffusionsfähigen Ammoniumion (NH4 +) protoniert.

Phosphor

Die chronische Niereninsuffizienz führt im Verlauf zum sekundären Hyperparathyreoidismus. Durch die stark reduzierte Nierenfunktion auf < 25 % wird weniger Phosphat filtriert als enteral absorbiert. Die Nebenschilddrüse steuert durch Parathormonausschüttung gegen den zu hohen Phosphor- und zu niedrigen Calciumspiegel an, wodurch Calcium und Phosphor aus den Knochen mobilisiert werden und beim gesunden Tier die Phosphatausscheidung über die Niere erhöht werden würde. Beim niereninsuffizienten Tier ist Letzteres nicht möglich, sodass beim Überschreiten des Löslichkeitsproduktes von Calcium und Phosphor Komplexe in Geweben, Gelenken und der Haut ausfallen. Der Calciumspiegel im Blut bleibt niedrig und der Stimulus für die PTH-Ausschüttung erhalten. Langfristig kommt es zur Entmineralisierung der Knochen, zur Hypertrophie der Nebenschilddrüse und zur Weichteilverkalkung, was wiederum die Progression der Erkrankung fördert. Ziel der diätetischen Therapie ist es daher, die intestinale Phosphatabsorption durch eine geringere, aber dennoch bedarfsdeckende orale Zufuhr drastisch zu reduzieren und so langfristig den PTH-Spiegel zu senken. Gesicherte Erkenntnisse zur vorteilhaften Verabreichung geringer Calcitriolmengen bei der Katze gibt es nicht.

B-Vitamine

Inwieweit bei der CNI wasserlösliche B-Vitamine über die Niere der Katze verloren gehen, ist nicht grundlegend erforscht. Aus der Humanmedizin ist bekannt, dass insbesondere Folsäure und Vitamin B6 durch die Dialyse ausgewaschen werden, was bei der Katze jedoch keine Standardtherapie darstellt. Bei Hunden mit Nierenerkrankungen konnten ebenfalls geringere Serumfolatspiegel gefunden werden. Die normale Exkretionsroute für Folsäure ist die Galle, sodass eine eingeschränkte intestinale Absorption oder Mobilisierung aus den Folatspeichern angenommen wird. Inwieweit dies bei der Katze zutrifft, ist nicht erforscht. Eine erhöhte Zufuhr ist nicht zuletzt auch wegen der Unbedenklichkeit der B-Vitamine empfehlenswert.

Antioxidantien

Die Niere verbraucht trotz ihres geringen Anteils an der Gesamtkörpermasse auch schon im normalen Stoffwechsel einen erheblichen Anteil des Gesamtsauerstoffs. In Studien konnte festgestellt werden, dass Katzen mit CNI bei den Parametern für oxidativen Stress signifikante Auffälligkeiten im Vergleich zu gesunden Tieren aufweisen. Die Zufuhr von wasser- und fettlöslichen Antioxidantien wie Vitamin C, Vitamin E und ?-Carotin ist empfehlenswert, da oxidativer Stress im Nierengewebe zum Fortschreiten der Erkrankung beitragen kann.

Säuren-Basen-Haushalt

Die Niere produziert durch die Hydrolyse von Glutamin Ammoniak (NH4 +), um H+- Ionen auszuscheiden. Mit Fortschreiten der Erkrankung findet eine Kompensation durch verbliebene intakte Nephrone bis zur Erschöpfung statt. Eine metabolische Azidose entwickeln aber nicht alle Katzen mit CNI, weshalb die Behandlung individuell erfolgen muss. Eine höhere NH3-Konzentration trägt auch zur Komplementaktivierung und somit zum Fortschreiten der Nierenerkrankung bei. Futtermittel mit harnansäuernder Wirkung zur Struvitsteinprophylaxe sollten wegen des Einflusses auf den Säure-Basen-Haushalt nicht verwendet werden. Bei der Verwendung von Standard-Adult-Futtern in Kombination mit Phosphatbindern kann sich dies als problematisch erweisen. Harnansäuernde Substanzen wie z.B. Methionin sind nicht unbedingt deklarationspflichtig. Informationen sollte der Hersteller auf Nachfrage bereitstellen können.

Kalium & Natrium

Der Serumkaliumspiegel sollte sorgfältig überwacht werden. Eine Korrektur muss immer individuell auf Grundlage der Serumkaliumkonzentration erfolgen und kann nicht durch ein industriell gefertigtes Futter pauschal ausgeglichen werden. Inwieweit eine deutliche Natriumrestriktion einen positiven Einfluss auf den Blutdruck bei nierenkranken Katzen hat, wird kontrovers diskutiert. Wegen der Möglichkeit einer erhöhten Kaliurese sollte auf eine stark reduzierte Natriumzufuhr verzichtet werden. Die empfohlene Zufuhr für erwachsene Katzen liegt bei 0,68 g/kg TM (4000 kcal ME/kg TM)[4], Nierendiäten enthalten typischerweise 2 – 3,5 g/kg Natrium und liegen damit über dem Bedarf, jedoch deutlich unterhalb des Gehaltes in Standard-
Adult-Futtermitteln.

Futterkonzeption

Tierische Proteinquellen sind die Hauptquelle für Phosphor, da in den marktüblichen Fleischmehlen immer mehr oder weniger große Anteile Knochen bzw. Gräten verarbeitet werden. Die Einsatzmöglichkeit solcher Fleischmehle ist äußerst begrenzt, wenn Phosphorgehalte von ca. 1 mg P/kcal erreicht werden sollen. Phosphorarme tierische Rohwaren sind z.B. reine Lebermehle, die aus wirtschaftlichen Gründen nicht in großen Mengen eingesetzt werden. Griebenmehl ist sehr gut geeignet, da es aschearm und am Markt ausreichend in hoher Qualität für eine fortwährende, qualitativ hochwertige Produktion vorhanden ist. Das Protein ist außerdem hochverdaulich und weist eine hohe biologische Wertigkeit auf. Grieben sind die proteinreichen Nebenprodukte der Fettgewinnung (Schmalz, Talg) aus dem Fettgewebe von Rind, Schwein oder Geflügel. Einige pflanzliche Proteine sind ebenfalls geeignet und können bei geschickter Kombination eine mit tierischen Rohwaren vergleichbare oder sogar höhere biologische Wertigkeit aufweisen. Akzeptanzeinbußen durch pflanzliche Proteine können zum Teil durch Proteinhydrolysate ausgeglichen werden. Da diese teilweise sehr phosphorhaltig sind, ist der Einsatz in Nierendiäten nur eingeschränkt möglich.

Diskrepanz zwischen Kundenwunsch und Therapieziel

In der Kundengunst ganz oben stehen momentan Futtermittel mit hohem Fleischanteil. Der Fleischanteil ist ernährungsphysiologisch und qualitativ jedoch ohne Aussage. Fleisch, ob roh, gekocht oder als Fleischmehl, ist protein- und phosphatreich. Die Menge sollte auf das Maß beschränkt werden, das zum Decken des Proteinbedarfs mit einem Sicherheitszuschlag ausreicht. Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass die Compliance des Patientenbesitzers für die diätetische Unterstützung bei der CNI essentiell ist. Wenn die Einsicht des Tierhalters fernab momentaner Modeerscheinungen nicht gegeben ist, können Phosphatbinder für das Tier vorteilhaft sein. Auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Katzenhalters sollten berücksichtigt werden, denn viele Tierbesitzer trauen sich nicht, beim Tierarzt den Preis des Diätfutters anzusprechen und suchen später nach Alternativen. Im Sinne des Therapiezieles sollte gemeinsam ein passendes Produkt gefunden werden, auch wenn dies evtl. ein günstigeres Produkt aus dem Fachhandel ist. Dem Tierbesitzer sollte ausführlich erklärt werden, dass die Nierendiät lebenslang gefüttert werden muss und Mischen mit anderen Futtermitteln oder die Gabe von Snackartikeln in den meisten Fällen nicht mit dem Therapieziel zu vereinbaren ist.

Literatur bei der Autorin.

Foto: © Dr. Christine Jensen

HKP 3 / 2012

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 3 / 2012.
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Dr. Birte Reinhold, ICHTHYOL-GESELLSCHAFT
„Endlich hat sich hundkatzepferd zum Fachmagazin für den Tierarzt entwickelt. In der Ausgabe 03/12 fielen neben informativen Neuigkeiten aus dem Praxisbereich und den lustigen Nachrichten aus der Tierwelt viele anspruchsvolle und praxisrelevante Fachartikel in einem ungewöhnlich anschaulichen und erfrischenden Design auf. Auch ein Fachmagazin kann unterhaltsam sein und taugt somit auch nach einem anstrengenden Arbeitstag noch zur Feierabendlektüre im Gartenstuhl. Gefällt mir!“
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