Milbenerkrankungen erkennen und bekämpfen
Milbenerkrankungen erkennen und bekämpfenRäudiger HundDie meisten der durch Milben ausgelösten Erkrankungen beim Hund äußern sich durch dermatologische Symptome. Dabei manifestiert sich die Intensität des Befalls und der Beschwerden in Abhängigkeit zum Immunstatus des Patienten. Im folgenden Artikel wird auf anamnestische Hinweise, klinische Symptomatik, Diagnostik und Therapie der unterschiedlichen milbenbedingten Parasitosen eingegangen. Herbstgrasmilben Die relative große, orangefarbene Milbe Neotrombicula autumnalis (250 bis 750 µm) löst eine streng saisonale Symptomatik von ca. Juli bis zum ersten Frost bei den betroffenen Patienten aus. Nur die sechsbeinige Larve befällt als obligater Parasit Säuger und Vögel, die adulte Milbe lebt auf Rasenflächen in Waldnähe und wird deshalb auch Grasmilbe genannt [1]. Die Larve erzeugt durch die Aufnahme von sero-hämaorrhagischem Sekret starke Reizungen auf der Haut des Wirtes. Der Juckreiz kann sehr variabel sein. Die Larven sammeln sich meist im Zwischenzehenbereich, am Kopf und an den Ohrmuscheln und sind aufgrund ihrer Größe und Farbe makroskopisch gut erkennbar. Die Diagnose erfolgt mithilfe eines makro- und mikroskopischen Nachweises (Tesa-Abklatsch, Hautgeschabsel). Therapeutisch kommen Fipronil-Spray sowie Vermeidung der betroffenen Außenbereiche infrage. Sarcoptesräude Der Befall mit der Grasmilbe Sarcoptes scabiei var. canis löst beim Hund eine stark pruriginöse Dermatitis aus. Die Infektion erfolgt durch direkten Kontakt mit einem betroffenen Tier oder durch die Umgebung. Die adulten weiblichen Milben graben zur Eiablage Tunnel in der Epidermis, der gesamte Lebenszyklus umfasst drei bis sechs Wochen. Durch die Freisetzung irritierender Substanzen kommt es nach ca. 10–15 Tagen zu allergischen Reaktionen seitens des Wirtes, die mit starkem Juckreiz einhergehen. Die Anzahl der sich auf dem befallenen Tier befindlichen Milben hängt wie auch bei anderen Parasitosen vom immunologischen Status des Wirtstieres ab und kann durch die Verabreichung von Kortikosteroiden begünstigt werden, sofern die Milben nicht erkannt und therapiert werden. Klinisch kommt es zu stark juckenden Papeln und kleinen Krusten, insbesondere an Ohrrändern, Knochenvorsprüngen wie Ellbogen und Sprunggelenken und am Bauch. Mit Fortschreiten der Erkrankung und Generalisierung können ausgeprägte Sekundärläsionen wie Alopezie, Exkoriationen und Sekundärinfektionen entstehen (Abb.1). Da es sich bei der Erkrankung um eine Zoonose handelt, können Menschen im Lebensumfeld des Patienten gleichermaßen betroffen sein. Dabei kommt es meist im Bereich des Rumpfes oder der Oberarme zu stark juckenden Papeln, die ohne Therapie abheilen, jedoch an anderen Stellen erneut auftreten können.
Abb.1 Ausgeprägte Dermatitis mit Erythem, Papeln und Alopezie bei einem Hund mit Sarcoptesräude.
Differenzialdiagnostisch kommen andere Parasitosen (z.B. Flohbefall, Cheyletiellose) und allergische Erkrankungen in Betracht. Der nicht selten schwierige mikroskopische Nachweis der recht kleinen Milben, der Eier oder auch der Kotbällchen erfolgt mittels großflächiger oberflächlicher Hautgeschabsel. Negative Befunde erlauben daher nicht den Ausschluss der Parasitose. Therapeutisch kommen zugelassene Spot-on-Präparate mit Selamectin oder Moxidectin infrage, die dreimalig in 14-tägigem Abstand appliziert werden sollten. Alternativ können bei sehr kleinen Welpen Fipronil-Spray lokal appliziert und bei adulten Tieren akarizide Lösungen wie Amitraz (0,025%) einmal wöchentlich angewandt werden [2]. Selbstverständlich sollten alle Kontakthunde mitbehandelt werden, auch wenn sie keine klinische Symptomatik zeigen. Katzen, die im selben Haushalt leben, werden selten infiziert. Da die Milben als permanent obligate Parasiten nur wenige Tage in der Umgebung überleben können, wird eine Dekontamination des Umfeldes in der Regel nicht zwingend empfohlen. Demodikose Von der durch die Milbe Demodex canis ausgelösten Erkrankung Demodikose sind meist Junghunde unter zwei Jahren betroffen. Der Parasit wird auch als Haarbalgmilbe bezeichnet, besiedelt Haarfollikel und Talgdrüsen und wird von der Hündin in den ersten Lebenstagen an die Welpen weitergegeben. Aus diesem Grund können Demodexmilben potenziell auf jedem Hund in sehr geringer Anzahl und als Zufallsbefund nachgewiesen werden. Drei verschiedene Arten von Demodexmilben sind bekannt: Demodex canis, D. injai und D. cornei, wobei alle Varianten derselben Spezies angehören könnten. Da die Milben in einem Gleichgewicht mit dem Immunsystem leben, kommt es erst bei Störungen dieser Balance zur abnormen Proliferation der Milben und zur Erkrankung, wobei zwischen einer lokalisierten (<5 betroffene Hautstellen) und generalisierten Form differenziert wird. Bei der generalisierten Form sind mehr als fünf Körperstellen oder auch alle Pfoten involviert. Die Primärläsion besteht aus der Bildung einer oder mehrerer alopezischer, nicht pruriginöser Bereiche, meist an Kopf und/oder Gliedmaßen („Mottenfraßalopezie“). Nicht selten kommt es auch zu einem mehr oder weniger ausgeprägten Erythem, daher wird die Demodikose auch als „rote Räude“ bezeichnet. Mit Fortschreiten der Erkrankung bilden sich häufig Komedonen, eine schiefergraue Hyperpigmentierung und Sekundärinfektionen (Abb.2). Der Nachweis der Milben erfolgt durch tiefe Hautgeschabsel, bei denen währenddessen die Haut gequetscht und eine leichte kapilläre Blutung erzeugt wird. Das gewonnene Material wird in Paraffinöl nativ untersucht. Eine andere, bei sensiblen Körperstellen (periokulär, Pfoten) durchführbare Technik ist das Trichogramm, bei dem Haare mit einer Klemme ausgezupft werden und ebenfalls in Paraffinöl sofort beurteilt werden können. Eher selten sind zum Nachweis der Erkrankung Gewebeproben notwendig, z.B. bei Hunderassen mit verdickter Haut. Das Auffinden einer einzigen adulten Milbe kann nicht als diagnostisch interpretiert werden. Zur Diagnosestellung sollten sowohl Adulte, Larven als auch Eier mikroskopisch zu sehen sein.
Abb.2 Alopezie, Hyperpigmentierung und Komedonen bei einem Mops mit generalisierter Demodikose.
Therapeutisch kommen sowohl zugelassene als auch für Hunde nicht zugelassene Wirkstoffe infrage. Ein Spot-on-Präparat mit Moxidectin/Imidacloprid sollte wöchentlich appliziert werden. Amitraz-Schwammbäder (0,025%) werden ebenfalls wöchentlich durchgeführt, wobei die Lösung nicht abgespült werden darf. Ausschließlich bei Therapieversagen kann nach gründlicher Aufklärung der Tierbesitzer eine orale Behandlung mit makrozyklischen Laktonen eingeleitet werden. Zu diesen Wirkstoffen gehören Avermectine (Ivermectin, Doramectin) und Milbemycine (Moxidectin, Milbemycin), die eine neuromuskuläre Blockade der Parasiten auslösen. Bei Hunden mit defekter Blut-Hirn-Schranke (Mutationen des MDR1-Gens bei Collies, Shelties, Silken Whippets, Bobtails, Australian Shepherds) können diese Wirkstoffe potenziell schwere neurologische Nebenwirkungen auslösen, aus diesem Grund sollte vor Behandlungsbeginn eine entsprechende Blutuntersuchung erfolgen, mit der die Sensibilität geprüft wird. Die Behandlungsdauer kann individuell sehr schwanken, wobei in der Regel mindestens drei Monate therapiert wird. In Fällen mit schweren Hautveränderungen und Sekundärinfektionen können bis zur Heilung viele Monate vergehen. Als Regel gilt, dass die akariziden Wirkstoffe erst dann abgesetzt werden können, wenn im Abstand von vier Wochen die tiefen Hautgeschabsel komplett negativ sind [3]. Cheyletiellose Cheyletiellen können Kaninchen, Katzen und Hunde infizieren (respektive C., parasitivorax, blakei, und yasguri) . Diese relativ großen Raub- oder auch Fellmilben genannten Parasiten leben sehr oberflächlich insbesondere im Bereich des Rückens und wandern bisweilen bis zum Kopf und den Ohrmuscheln. Die klassischen Symptome bestehen aus der Bildung großer, weißlicher, trockener Schuppen (Abb.3) und Juckreiz mit unterschiedlicher Intensität. Beim Hund existiert keine Alters-, Geschlechts- oder Rassenprädisposition, dennoch werden Cheyletiellen bei dieser Spezies meist bei Welpen oder Jungtieren nachgewiesen. Bei unentdecktem Befall kann es zu ausgeprägtem Selbsttrauma mit Exkoriationen und Sekundärinfektionen („hot-Spots“, oberflächliche Pyodermie) kommen. Diese Parasiten werden meist leicht durch Klebestreifenproben oder oberflächliche Hautgeschabsel nachgewiesen. Da es sich bei der Cheyletiellose um eine Zoonose handelt, kann es beim Menschen durch den Kontakt mit befallenen Tieren zu Dermatitiden im Bereich des Oberkörpers kommen. Die Behandlung der betroffenen Tiere ist identisch mit der gegen Sarcoptesmilben. Da die Milben nur bis zu zehn Tagen überleben [4], ist auch hier die Umgebungsdekontamination nicht zwingend erforderlich.
Abb.3 Hochgradige Schuppenbildung bei einem Hund mit Cheyletiellose.
Ohrmilben (Otodectes cynotis) Ohrmilben besiedeln die äußeren Gehörgänge und führen bisweilen zu starken Reizungen bzw. Otitis externa parasitaria. Da die Milben auch andere Körperstellen befallen können, kommt es potenziell zu Hautläsionen im Bereich des Kopfes. Diese Parasiten können leicht durch die Untersuchung mit dem Otoskop oder auch durch die mikroskopische Untersuchung des Cerumens in Paraffinöl nachgewiesen werden. Bei starken Verschmutzungen der Gehörgänge kann bisweilen ausschließlich letztere Methode diagnostisch sein. Die systemische Therapie erfolgt durch die Applikation von Spot-on-Präparaten mit Selamectin oder Moxidectin 3-mal im 14-tägigen Abstand. Da Otodectesmilben eine sehr lange Überlebenszeit (zwei bis drei Monate) außerhalb des Wirtes aufweisen können [5], sollte eine Umgebungsbehandlung erfolgen. In seltenen Fällen wird von Menschen berichtet, die nach Kontakt mit befallenen Tieren Hautveränderungen entwickeln können. take home Eine gründlich erhobene dermatologische Anamnese liefert bei vielen Patienten Hinweise auf die Ursache der Erkrankung. Da Parasitosen mit allergischen Erkrankungen überlappende Symptome aufweisen, ist es von enormer Bedeutung, einen entsprechenden diagnostischen Weg einzuschlagen, um „heilbar“ von „nicht heilbar“ abzugrenzen. Dazu bedarf es Kenntnisse des Lebensraumes der verschiedenen Milbenarten, der Untersuchungsmethoden zu deren Nachweis und der möglichen therapeutischen Maßnahmen. Literatur
[1] Schoeler et al., Multiple environmental factor analysis in habitats of the harvest mite Neotrombicula autumnalis (Acari: Trombiculidae) suggests extraordinarily high euryoecious biology. Exp Appl Acaraol. 2006;39(1):41-62 Bild: © istockphoto.com| gmutlu |
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