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Otitis media bei Hund und Katze – Teil I: Ursachen und Diagnostik

Otitis media bei Hund und Katze – Teil I: Ursachen und Diagnostik

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Erkrankungen des Gehörganges beim Kleintier werden der Dermatologie zugerechnet und gehören zu den häufigsten Vorstellungsgründen in der tierärztlichen Praxis. Das gilt zunächst für die canine Otitis externa (OE). Diese wiederum führt bei Chronizität allerdings oft zu einer absteigenden Otitis media (OM), die als ein wichtiger aufrechterhaltender Faktor der Otitis externa gilt.

Bei der Katze hingegen kommt es deutlich häufiger zu einer aufsteigenden Otitis media – und/oder im Zusammenhang mit Poly­pen des Respirationstraktes – ohne Otitis externa. Das Ohr ist ein äußerst komplex aufgebautes Organ, bestehend aus äußerem Ohr, Mittelohr und Innenohr. Das äußere Ohr optimiert die Schallwellenaufnahme und leitet den Schall im Mittelohr über die Gehörknöchelchen weiter ins Innenohr. Der Schall wird über mehrere Schritte in nervale Impulse umgesetzt, die dann in der Großhirnrinde verarbeitet werden. Der viel­schichtige Weg der Signaltransduktion geschieht auf physikalischem, elektrischem und chemischen Weg. Abbildung 1 veranschaulicht den anatomischen Aufbau des Hörorgans schematisch. Die Physiologie der Reizweiterleitung ist in Abbildung 2 dargestellt.


Abb.1 Anatomie des Ohres bei Hund und Katze (mit freundlicher Genehmigung von Frau Prof. Ch. Pfarrer, TiHo Hannover,
Proc. Ganz Ohr 2.0, Mönchengladbach 2013)


Abb.2 Reizweiterleitung beim Hören (mit freundlicher Genehmigung von Frau Prof. Huber, TiHo Hannover, Proc Ganz Ohr 3.0 Mönchengladbach 2014)

Das äußere Ohr

Beim Hund ist eine OM regelmäßig mit einer OE vergesellschaftet. Über die OE haben wir an anderer Stelle in diesem Journal ausführlich berichtet (hundkatzepferd Ausgabe 02.12). Es wurde dargelegt, dass es immer erforderlich ist, das 3-Säulen-Modell (Primärfaktoren, prädisponierende und per­petuierende Faktoren) der Diagnostik zu beachten. So gibt es Faktoren, die zu einer OE prädisponieren. Im zweiten Schritt muss Ursachenforschung (Primärfaktoren der OE) betrieben werden. Dies ist essenziell für den langfristigen Erfolg jeder OM-Therapie. Außerdem gilt es, aufrechthaltende Faktoren einer OE (hier sei vor allem die OM genannt) zu erkennen. Tabelle 1 fasst die häufigsten Faktoren und Ursachen zusammen.


Tab. 1 Primärursachen, prädisponierende Faktoren, perpetuierende Faktoren der OE (In Anlehnung an: Miller et al., 2013)


Tab. 2 Klinik der Otitis media (TerHaar: Otitis media; Proc. Ganz Ohr 2.0 Mönchengladbach 2013)

Das Mittelohr

Beim Hund folgt die OM in der Regel sekundär einer chronischen OE. Allerdings ist bei brachycephalen Hunden aufgrund veränderter Anatomie auch eine primäre OM bekannt, ebenso die primäre sekretorische OM des Cavalier Kings Charles Spaniels (PSOM). Seltener sind Cholesteatome oder vorangegangene chirurgische Interventio­nen (Ablation des äußeren Gehörganges mit lateraler Bullaosteotomie/TECA-LBO) Ursache einer OM. Bei der Katze ist neben Ohrpolypen die aufsteigende OM aufgrund viraler oder bakterieller Infektion häufiger.


Abb. 3 Grüner Nasenausfluss nach Fluoresceinapplikation in den linken äußeren Gehörgang
© C. Bouassiba


Abb. 4 Röntgen der Bulla (dorsovental), hier beim Kaninchen; Osteolyse der rechten Bulla (mit freundlicher Genehmigung der Tierärztlichen Klinik Dr. Hermann, Mönchengladbach)

Neben Anamnese und klinischer Untersuchung erfolgt bei Verdacht auf OM auch eine kurze neurologische Untersuchung der Kopfnerven. Bei Erkrankungen des Gehörganges sind immer Otoskopie/Video­otoskopie und Zytologie nötig. Bei Verdacht auf eine OM reicht das allerdings nicht aus. Die Diagnose einer OM kann in der täglichen Praxis erhebliche Schwierig­keiten bereiten. Die Klinik der OM ist nachfolgend in Tabelle 2 nach TerHaar (2013) zusammengefasst. Eine OM ist äußerst schmerzhaft; ebenso die meist chroni­sche Begleit-OE. Der Patient lässt sich nicht den Erfordernissen entsprechend gründlich klinisch untersuchen und eine Narkose oder tiefe Sedation ist zwingend nötig. Nicht selten fällt in der Praxis lediglich die schmerzhafte Mastikation auf. Das macht die Abgrenzung zu Erkrankungen des stomatognathen Organs schwierig. Auch ist das Mittelohr bei der OM schlecht oder gar nicht einsehbar. Dazu bedarf es nämlich eines Blickes auf das Trommelfell (TF), das aber nur in 25% aller Fälle von OE beurteilbar ist.


Abb. 5 CT der Bulla mit Bullaadenom (Hund) (mit freundlicher Genehmigung der Tierärztlichen Klinik vom Bökelberg, Mönchengladbach)


Abb. 6 MRT der Bulla mit Bullaempyem (Hund) (mit freundlicher Genehmigung der Tierärztlichen Klinik vom Bökelberg, Mönchengladbach)


Abb. 7 Endoskopie der Bulla (Hund)
© C. Bouassiba

Nicht nur die Klinik der OM ist also heikel, vergleichbar sind die Schwierigkeiten bei der Beurteilung der Integrität des TF. Wenn man Fluorescein (z.B. Fluorescein Ophtiole aus der Augenheilkunde) in das verdächtige äußere Ohr einbringt, kann der Abgang durch die eustachische Röhre eine Grünfärbung am Nasenspiegel herbeiführen (Abb.3). Im Rückkehrschluss ist das TF nicht intakt. Klarheit verschafft hier jedoch nur die Spülung des äußeren Gehörganges. Wenn sich während des Spülvorgangs per Videootoskopie schon früh Luftbläschen zeigen, hat man einen Hinweis auf die Ruptur, die man nach gründlicher Spülung aber auch bald visualisieren kann. Im Vorfeld weiterer Intervention sind meist auch bildgebende Verfahren indiziert, wobei der Röntgenstatus teils nicht überzeugende ­Ergebnisse zeigt. Individuelle Rasseunterschiede (Brachycephale) erschweren zudem eine korrekte radiologische Diagnose. Fortgeschrittene Befunde wie Sklerose, Lysis oder auch Weichteilveränderungen/Empyem der Bulla werden jedoch zuverlässig erhoben (Abb.4). Aussagekräftigere Ergebnisse erzielt man mit dem CT, wenn der Fokus auf knöchernen Strukturen liegt, und mit dem MRT, wenn die Weichteilstrukturen im Vordergrund stehen (Abb.5 + 6). Sehr reizvoll erscheint daher die Endoskopie der Bulla. Hier kann direkt die Situation in der Bulla angesehen werden. Bei Tieren unter 15kg KGW ist die direkte endoskopische Darstellung der Bulla derzeit aufgrund des Durchmessers des Endoskops allerdings noch schwierig. Abbildung 7 zeigt eine endoskopische Darstellung der Bulla. Die Endoskopie der Bulla setzt nach Spülung des Gehörganges ein nicht intaktes TF oder bei intaktem aber getrübtem TF eine ordnungsgemäß durchgeführte Myringotomie voraus. Abschließend sei die Möglichkeit einer Hirnstammaudiometrie (Brainstem evoked response Audiometry/BAER) zur Untersuchung des Hörvermögens genannt.

take home

Die Otitis media ist ein diagnostisch und therapeutisch schwierig anzugehender, häufiger perpetuierender Faktor einer chronischen Otitis externa. Interessant ­erscheint dabei die Endoskopie der Bulla.

Lesen Sie in der nächsten Ausgabe Teil II: Ohrreinigung und Therapie

Foto: © istockphoto.com|ivanmateev

HKP 1 / 2015

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