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Diabetes mellitus bei Hunden und Katzen

Längst nicht mehr die Ausnahme

Diabetes mellitus (DM) gehört mittlerweile vor allem bei Katzen zu den häufigsten endokrinen Erkrankungen. Ähnlich wie beim Mensch steigt die Anzahl an Neuerkrankungen stetig an. Dies wird vor allem auf die Veränderung der Lebensbedingungen (Bewegungsmangel, Überernährung) zurückgeführt. In Anlehnung an die Humanmedizin wird der DM auch bei Tieren in Typ 1, Typ 2 und andere spezifische Formen (früher sekundäre Formen genannt) eingeteilt.

Typ 1

Ursache des Typs 1, beim Menschen auch „Jugenddiabetes“ genannt, ist eine vollständige Zerstörung der Beta-Zellen im Pankreas. Bei diesen Patienten geht man von einer genetischen Prädisposition und exogenen Faktoren (virale Infektionskrankheiten, Lebensmittel) als Ursachen für die Erkrankung aus. Es kommt dann zu einer immunvermittelten Zerstörung der Beta- Zellen, was ein vollständiges Fehlen von Insulin zur Folge hat. Diese Patienten sind absolut auf exogene Insulinzufuhr angewiesen. Der Typ 1 DM ist bei den Tieren sehr selten und kommt – wenn überhaupt – fast nur beim Hund vor (Abb. 1).

Typ 2

Etwa 80 % der diabetischen Katzen leiden unter diesem Typ. Man geht heute davon aus, dass zwei Mechanismen für diesen Typ verantwortlich sind. Zum einen haben Patienten mit Typ 2 DM eine stark verminderte Funktion der Beta-Zellen und somit einen „Insulinmangel“. Zum anderen liegt eine periphere Insulinresistenz vor (verminderte Sensitivität von Muskel- und Fettgewebe sowie der Leber gegenüber Insulin). Welcher dieser beiden Mechanismen zuerst auftritt, ist unklar. Fest steht aber, dass die dadurch entstehende Hyperglykämie toxisch für die Beta-Zellen ist, somit noch mehr von diesen zu Grunde gehen und dadurch die produzierte Insulinmenge weiter abnimmt. Dieses Phänomen wird häufig unter dem Begriff Glukosetoxizität zusammengefasst (Abb. 2).

Andere spezifische Typen

Diese entstehen im Zusammenhang mit Erkrankungen oder Medikamenten, die zu einer verminderten Insulinproduktion oder verminderter Insulinwirkung führen. Dazu gehören:

- Hyperthyreose (Katze)
- Akromegalie (Hypersomatotropismus, vor allem bei der Katze)
- Diöstrus (beim Hund)
- Pankreatitis
- Pankreasneoplasien
- Hyperkortisolismus (Cushing’s disease)
- Glukokortikoid – Medikamente
- Progestagene – Medikamente

Diagnose

Bei Verdacht auf einen Diabetes mellitus zielt die diagnostische Aufarbeitung darauf ab, die Diagnose zu sichern, eventuelle begleitende Erkrankungen zu finden und auslösende Erkrankungen festzustellen. Verdacht auf einen DM besteht meistens bereits nach der Anamneseerhebung und der klinischen Untersuchung. Häufige Symptome und Befunde sind:

Anamnestische Symptome

- Polyurie/Polydipsie
- Erbrechen/Durchfall
- Gewichtsverlust bei normalem Appetit
- Ungepflegtes Haarkleid
- Anorexie
- Lethargie
- Dehydratation
- Plantigrader Gang (bei der Katze)
- Katarakt (beim Hund)

Klinische Symptome

- Lethargie
- Dehydratation
- Abmagerung

Befunde Laboruntersuchungen

- Blutchemie
// Hyperglykämie
// Hypertryglyzeridämie
// Hypercholesterolämie
// Hohes Fruktosamin
// Azotämie (prärenal)
// Erhöhung der Lebertransaminasen

-Urin
// Glukosurie

Der Nachweis einer Glukosurie oder einer Hyperglykämie alleine reicht nicht zur Diagnosestellung. Sowohl bei Hunden als auch bei Katzen gibt es verschiedene Gründe für eine Glukosurie wie z.B. tubuläre Defekte bei akuter oder chronischer Nephropathie oder Fanconi-Syndrom. Bei einem DM muss bei Vorliegen einer Glukosurie deshalb gleichzeitig auch eine Hyperglykämie vorhanden sein. Im Gegensatz zu Katzen ist beim Hund eine Hyperglykämie ein guter Hinweis für einen Diabetes mellitus. Katzen können vor allem durch Stress eine zum Teil massive Hyperglykämie zeigen. In einer Studie (Laluha et al., 2004) konnte gezeigt werden, dass Katzen unter Stress einen Blutzucker von 8,1 bis 70 mmol/l (Median, 13,2 mmol/l) haben können. Blutzuckerwerte bei Katzen mit verschiedenen Erkrankungen sind in Abbildung 1 dargestellt (Abb. 3).
Die Nierenschwelle für Glukose bei Katzen liegt bei ca. 15 mmol/l liegt, wodurch es auch bei Stress zu einer Glukosurie kommt. Da Hunde keine oder eine nur sehr geringe Stresshyperglykämie zeigen, gilt ein Blutzucker über 15 mmol/l als sicherer Hinweis für einen DM.
Aus den oben genannten Gründen sollte bei Katzen mit Verdacht auf einen DM – aber auch bei Hunden – ein Fruktosaminwert untersucht werden. Der Fruktosaminwert wird durch eine Stresshyperglykämie nicht beeinflusst. Das Fruktosamin entsteht durch Anlagerung von Glukose an Serumproteine. Diese Bindung bleibt bis zum Abbau der Proteine (1 bis 3 Wochen) bestehen und so kann durch die Messung des Fruktosamins eine Aussage über den Blutzuckerspiegel in den letzten Wochen gemacht werden. Ein Fruktosaminwert über 340 – 360 umol/l gilt als diagnostisch für einen DM. Wie erwähnt sollten begleitende Erkrankungen und eventuelle auslösende Erkrankungen bei der Diagnosestellung ausgeschlossen werden. Folgende Untersuchungen werden durchgeführt (Tab. 1).

Therapie

Orale Antidiabetika

Hunde mit DM sind fast immer von exogener Insulinzufuhr abhängig und können somit nicht mit oralen Antidiabetika behandelt werden. Anders ist die Situation bei Katzen. Da Katzen wie erwähnt meistens an Typ 2 DM leiden, ist bei ihnen noch eine schwache Insulinproduktion und Sekretion vorhanden. Deshalb ist es in einigen Fällen möglich, Katzen mit oralen Antidiabetika zu behandeln. Momentan sind fünf Klassen von oralen Antidiabetika verfügbar. Am meisten Erfahrung hat man mit den Sulfonylharnstoffen, namentlich dem Glipizid. Mit den Wirkstoffen aus den anderen Substanzklassen hat man bei Tieren noch nicht sehr viel Erfahrung gesammelt oder sie sind erwiesenermaßen unwirksam.
Glipizid fördert die Insulinausschüttung aus dem Pankreas. In Studien konnte gezeigt werden, dass das Glipizid die Ablagerung von Amylin im Pankreas fördert und somit zu einer verstärkten Zerstörung der Beta-Zellen führt. Des Weiteren ist die Chance einer diabetischen Remission mit Glipiziden deutlich geringer als mit exogenem Insulin. Neben diesen negativen Effekten der Glipizide ist die Erfolgsquote einer guten Kontrolle des DM schlecht.
Über 70 % der Katzen sprechen nicht auf die Therapie an und der Rest meistens auch nur für geringe Zeit. Aus diesen Gründen muss nach dem heutigen Wissensstand von einer Therapie mit oralen Antidiabetika abgeraten werden.

Insuline

Obwohl mit dem intermediären Insulin Caninsulin von Intervet ein sehr geeignetes Insulin für Hunde und Katzen verfügbar ist, werden in der Veterinärmedizin immer wieder andere humane Insuline eingesetzt. Bei den meisten beruht das Wissen über die Wirkdauer und andere Faktoren auf anekdotischen Berichten. Das am besten untersuchte humane Insulinpräparat ist Insulin Glargine von Lantus. Deshalb wird im Weiteren nur über Insulin Glargine und Caninsulin gesprochen.
Caninsulin ist ein so genanntes intermediäres Insulin und besteht aus hoch gereinigtem Schweineinsulin. Die intermediäre oder mittellange Wirkung dieses Insulinpräparats kommt durch die Zusammensetzung aus 30 % amorphem Insulin (semilente, kurz-wirksam) und 70 % kristallinem Insulin (ultralente, lang wirksam) zu Stande. Die Wirkung tritt bei den meisten Tieren nach etwa zwei bis drei Stunden ein. Die stärkste Wirkung wird nach 4 bis 8 Stunden beobachtet und die gesamte Wirkung dauert 8 bis 12 Stunden. Caninsulin führt jedoch zu einem relativ steilen Abfall des Blutzuckers und bei nachlassender Wirkung zu einem wiederum raschen Anstieg.
Über die optimale Dosierung bei Therapiebeginn gibt es unterschiedliche Angaben. Entgegen zum Teil anders lautenden Empfehlungen sollte Caninsulin 2-mal täglich (BID) gespritzt werden. Die von uns angewendete Anfangsdosierung bei Hunden ist 0.5 U/kg BID und bei Katzen 0.25 – 0.5 U/kg BID. Bei Katzen verwenden wir auch häufig ein vereinfachtes Schema. Katzen unter 4 kg dosieren wir mit 1 U BID und solche über 4 kg mit 2 U BID. Die benötigte Insulindosis kann individuell sehr unterschiedlich sein und muss mittels Blutzuckertageskurven ermittelt werden. Bei Bedarf wird dann die Dosis angepasst (bei Katzen in 0.5 – 1 U Schritten; bei Hunden in 1 – 5 U Schritten, je nach Größe des Hundes) (Abb. 4, 5).
Lantus ist ein humanes rekombinantes Insulin und wird aus E. coli-Bakterien gewonnen. Mittels Veränderung der Aminosäurenketten entstehen durch die pHVeränderung bei der subkutanen Applikation Mikropräzipitate, sodass das Insulin nur langsam resorbiert werden kann. Dadurch zählt Insulin – Glargine beim Menschen – zu den Langzeitinsulinen. Bei den Tieren ist die Wirkung wahrscheinlich durch den schnelleren Stoffwechsel trotzdem nur intermediär und muss deshalb wie Caninsulin 2-mal täglich injiziert werden. Der Wirkungseintritt ist hier nach 3 bis 4 Stunden, die stärkste Wirkung nach 6 bis 10 Stunden und die Gesamtwirkdauer etwa 12 Stunden. Für die Dosierung verwenden wir dasselbe Schema wie bei Caninsulin. Insulin- Glargine hat eine gleichmäßigere Wirkung als Caninsulin, d.h., dass der Abfall und der Anstieg der Blutglukose über den Tag weniger steil verlaufen. Dadurch ist die Gefahr einer Hypoglykämie geringer. Die ersten Untersuchungen bei Katzen mit diesem Insulin zeigten eine erstaunlich gute Wirkung mit Remissionsraten bis zu 100 %. Neuere Untersuchung sind weniger positiv mit Remissionsraten gleich wie mit Caninsulin. Trotzdem ist Insulin-Glargine bei Tieren eine sehr gute Alternative zum Caninsulin.

Diät

Ziele der Diät sind eine Konsistenz im Hinblick auf den Zeitpunkt der Fütterung und die Kalorienmenge, eine Reduktion der postprandialen Hyperglykämie sowie eine Gewichtsreduktion bei obesen Tieren. Die Reduktion des Übergewichts führt häufig zu einer massiven Verbesserung der Glukosekontrolle. Da die täglichen Injektionen sowohl für den Besitzer als auch für die Katze eine große Umstellung bedeutet, stellen wir das Futter erst etwa 3 Wochen nach Diagnosestellung um, damit wir die Tiere nicht überfordern.
Hunde sollten mit einer rohfaserreichen Diät gefüttert werden. Die Rohfasern erschweren die intestinale Glukoseabsorption. Lösliche Rohfasern wie Pektine hemmen die Glukoseaufnahme stärker als unlösliche und sind deshalb zur Kontrolle der Hyperglykämie besser geeignet. Verschiedene Firmen stellen Futter für diabetische Hunde her.
Katzen mit DM wurden lange ebenfalls mit rohfaserreichen Diäten behandelt. Neuere Untersuchungen zeigen, dass Diäten mit niedrigem Kohlenhydrat- und hohem Proteingehalt ideal für Katzen sind. Katzen sind reine Carnivoren und ernähren sich hauptsächlich von Protein und Fett. Da sie einige enzymatische Besonderheiten haben, können sie die in der Nahrung enthaltene Glukose nur schlecht und vor allem nur sehr langsam verstoffwechseln. In eigenen Untersuchungen konnten wir zeigen, dass durch die Reduktion der Kohlenhydrate in der Nahrung die Anzahl der Katzen mit diabetischer Remission deutlich steigt. Auch für Katzen gibt es einige kommer zielle Diäten.

Insulineinstellung

Für die Einstellung der richtigen Insulinmenge ist das Erstellen von Glukosetagesprofilen unabdingbar. Wir kontrollieren die Tiere nach folgendem Schema siehe Tab. 2. Wichtig für eine optimale Beurteilung der Tageskurven ist, dass die Tiere bereits zuhause gefüttert und gespritzt werden. So können Probleme mit der Injektion oder dem Umgang mit dem Insulin entdeckt werden.

Heimmonitoring

Bei der Kontrolle nach 6 Wochen kann geeigneten Besitzern gezeigt werden, wie sie den Blutzucker zuhause messen können. Dazu wird mit einer Stechlanzette am Ohr ein Bluttropfen gewonnen.
Mit einem geeigneten Blutzuckermessgerät kann dann der Blutzucker gemessen und in eine Grafik eingetragen werden. Achtung: Nicht alle Geräte aus der Humanmedizin geben zuverlässige Resultate bei Tieren. Im Moment werden das alte Gerät von Bayer, Ascensia Elite oder die speziell für Tiere entwickelten Geräte von Abbott (AlphaTrack) und Woodley (g-Pet) empfohlen. Andere Geräte wurden noch nicht untersucht oder erzielten schlechte Werte. Die zuhause erstellten Blutzuckerkurven können in die Praxis gefaxt und mit den Besitzern telefonisch besprochen werden.

Unkastrierte Hündinnen

Als Besonderheit kann ein DM als Folge des Diöstrus bei unkastrierten Hündinnen auftreten. Hierbei stimuliert das ausgeschüttete Progesteron die Bildung von Wachstumshormonen in der Mamma, welches als Gegenspieler von Insulin wirkt und zu peripherer Insulinresistenz führt. Obgleich diese Form des Diabetes nach Entfernung der Ovarien theoretisch reversibel ist, weisen die betroffenen Hündinnen bereits vor dem Auftreten der Symptome einen reduzierten Gehalt an Beta-Zellen auf und sind damit auch als kastrierte Tiere meistens auf exogene Insulinzufuhr angewiesen. Trotzdem ist für eine erfolgreiche Therapie die Kastration unumgänglich. Sollte eine Kastration nicht sofort möglich sein, können die Hündinnen vorübergehend mit Aglepriston (Alizine), einem Progesteronantagonisten, behandelt werden.

Gründe für „Therapieversagen“

- Probleme mit Technik
- (Mischen, Aufziehen, Injizieren, Spritze)
- Falscher Umgang mit Insulin
- (Mischen, abgelaufen, Sonnenlicht, gefroren, geschüttelt, verdünnt)
- Unterdosierung
- Somogyi Overswing
- Schlechte Resorption
- Insulin Antikörper
- Andere Krankheit, die zu erhöhter Insulinresistenz führt:
- Pankreatitis, Pankreasneoplasie
- Hypersomatotropismus
- Hyperkortisolismus
- Diabetogene Medikamente
- Adipositas
- Chronische Niereninsuffizienz
- Prinzipiell jede Erkrankung

Um die Abbildungen und Tabellen zu sehen, laden Sie bitte das PDF (rechts oben) herunter.

Foto: © panthermedia | Nicole Schröder

HKP 7 / 2012

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 7 / 2012.
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Dr. Birte Reinhold, ICHTHYOL-GESELLSCHAFT
„Endlich hat sich hundkatzepferd zum Fachmagazin für den Tierarzt entwickelt. In der Ausgabe 03/12 fielen neben informativen Neuigkeiten aus dem Praxisbereich und den lustigen Nachrichten aus der Tierwelt viele anspruchsvolle und praxisrelevante Fachartikel in einem ungewöhnlich anschaulichen und erfrischenden Design auf. Auch ein Fachmagazin kann unterhaltsam sein und taugt somit auch nach einem anstrengenden Arbeitstag noch zur Feierabendlektüre im Gartenstuhl. Gefällt mir!“
Prof. Dr. Arwid Daugschies, Universität Leipzig, Veterinärmedizinische Fakultät – VMF
„hundkatzepferd serviert dem Leser den aktuellen Wissensstand in leicht verdaulicher Form. In Zeiten einer erdrückenden Informationsflut tut es gut, wenn solides Wissen auch in erfrischend entspannter Art angeboten wird.“
Dr. Anja Stahn ( Leitung der Geschäftseinheit VET in Europa und Middle East bei der Alere )
Die hundkatzepferd begleitet mich nun schon seit einigen Jahren. Nach wie vor begeistern mich
die Aufmachung, der fachliche und informative Inhalt sowie und die beeindruckenden Fotos des
Fachmagazins. Ganz deutlich ist seit einigen Monaten eine noch stärkere Ausrichtung auf die Belange
und Interessen der Tierärzteschaft zu erkennen. Dies ist sehr erfreulich. Das Magazin gehört in jede
Praxis und sollte unterhaltsame „Pflichtlektüre“ für das ganze Praxisteam sein.