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Geriatrische Patienten
Geriatrische Patienten
Ernährungserfordernisse bei älteren Hunden und Katzen
Der Gastrointestinal (GI)-trakt geriatrischer Hunde und Katzen ist kaum von altersabhängigen Erkrankungen betroffen. Dennoch gilt es, Besonderheiten bei der Ernährung zu beachten. Im Folgenden gibt Dr. Peter Kook daher einen Überblick über Ernährungsbedürfnisse des alten Hundes und der alten Katze, die zwar alt, aber nicht zwangsläufig krank sind.
Typische altersbedingte, degenerative Erscheinungen, wie sie z.B. bei Gelenken und Knochen, Herzklappen oder Linsen zu finden sind, gibt es im Gastrointestinaltrakt nicht. Bei Hunden sind bisher nur Änderungen in der Zusammensetzung der gastro intestinalen Flora bekannt. Die Resultate dieser Untersuchungen beruhen allerdings auf älteren Methoden (mikrobiologische Kulturen) und nicht auf molekularen Tests und sind mit Vorsicht zu interpretieren. Für Katzen liegen keine Daten vor.
Energiebedürfnis
Der Erhaltungsbedarf (MER, maintenance energy requirement) ist als die Energiemenge definiert, die das Tier benötigt, um mit minimaler Aktivität zu überleben. Die individuellen MERs können infolge genetischer und hormoneller Einflüsse, des Gesundheitszustands und des Alters variieren. Es gibt Hinweise, dass die MERs beim Hund im Alter abnehmen. In einer Studie mit Englischen Settern, Zwergschnauzern und Deutschen Schäferhunden waren die MERs 11-jähriger Hunde gegenüber 3-jährigen Hunden um ca. 25 % vermindert. Andere Studien konnten eine Abnahme um 18 – 24 % bei alten Hunden in Mischpopulationen dokumentieren. Hauptursache für diese Beobachtung ist eine Abnahme der Muskulatur (größter Bestandteil der sog. Magermasse; „lean body mass“), bestehend aus Muskulatur, Parenchymen und Haut) und verminderter Aktivität. Eine Studie kalkulierte den niedrigeren Energiebedarf älterer Hunde anhand des metabolischen Körpergewichts wie folgt: ME = 90 kJ/Tag pro kg KGW0.75. Dies ist gleichbedeutend mit einem ca. 18 % geringeren täglichen Energiebedarf. Bei der Katze sind die Resultate kontroverser: Bis zu einem Alter von ca.11 Jahren sinken die Energiebedürfnisse kontinuierlich um jährlich ca. 3 %. Danach steigt der Energiebedarf aber wieder leicht an, ab 13 Jahren sogar deutlich. Dieser auffällige Anstieg im Alter kann mit einer verminderten Fähigkeit, Fett (~33 % der Katzen) oder Proteine (~20 % der Katzen) zu verdauen, erklärt werden. Es ist anzumerken, dass diese Zahlen auch mit okkulten gastro intestinalen Erkrankungen in Zusammenhang gebracht werden können. Obwohl alle Katzen in den betreffenden Studien klinisch gesund, regelmäßig labordiagnostisch kontrolliert und keine gastrointestinalen Symptome hatten, wurde ein kleinzelliges alimentäres Lymphom in diesen Studien nicht ausgeschlossen. Ursächlich für die schlechtere Fettverdauung werden eine verminderte hepatische Produktion von Gallensäuren und eine geringere pankreatische Synthese der Lipase diskutiert. Die verminderte Verdaulichkeit des Proteins könnte mit einer veränderten gastrischen Parietalzellfunktion (Pepsinogen) einhergehen, Studien hierzu fehlen allerdings.
Adipositas, Osteoarthritis und Diabetes mellitus
Wenn sich Energiebedürfnis und Energiezufuhr nicht angleichen, nimmt der Patient zu. Aus diesem Grund enthalten die meisten kommerziellen Futter für Senioren reduzierte Fett- und Energiemengen sowie teilweise erhöhte Faseranteile. Die klassischen, mit Adipositas assoziierten Gesundheitsrisiken in der Kleintierpraxis sind Osteoarthritis (OA) und Diabetes mellitus (DM), also Erkrankungen, die oft im fortgeschrittenen Alter bei Hund und Katze diagnostiziert werden. Adipositas ist ein bekannter Risikofaktor für OA und eine rechtzeitige Prävention kann deren Inzidenz samt Schweregrad reduzieren. Eine Langzeitstudie über 15 Jahre konnte zeigen, dass schlanke Hunde nicht nur später an OA erkrankten, sondern zusätzlich der Schweregrad der Arthopathien im Vergleich zu ihren schwereren Wurfgeschwistern geringer war. Ein interessanter Aspekt dieser Untersuchung war, dass selbst ein verhältnismäßig geringer Anteil zusätzlichen Körpergewichts adverse Effekte auf die Gelenkgesundheit hatte. Neben einer erhöhten physikalischen Belastung der Gelenke bei Übergewicht scheinen v.a. entzündliche Prozesse ausschlaggebend zu sein. Fettgewebe ist ein aktives Gewebe, das eine Vielzahl pro-inflammatorischer Zytokine produziert, die offenbar aktiv an der Modulation von Gelenksentzündungen beteiligt sein können. Eine Vielzahl an Studien konnte belegen, dass sich eine alleinige Gewichtsreduktion auf den klinischen Verlauf der OA günstig auswirkt. Trotzdem sind nicht alle alten Patienten übergewichtig. Obwohl bereits „mittelalte“ Hunde und Katzen tendenziell zu Übergewicht neigen, ist eine überwiegende Anzahl der über 12-jährigen Hunde und Katzen eher untergewichtig, verglichen mit jüngeren Altersgruppen. Dies gilt v.a. für die Katze. Lange war aus Studien zur digestiven Funktion lediglich bekannt, dass ältere Katzen eine geringgradig erhöhte Kohlenhydratverdaulichkeit haben. Jüngste Daten zeigen, dass ca. ein Drittel der über 12-jährigen Katzen eine verminderte Fettverdaulichkeit und ca. 20 % der über 14-jährigen Katzen eine reduzierte Proteindigestion haben. Diese Patienten scheinen von einer energiedichteren und hoch verdaulichen Diät zu profitieren, um diese altersassoziierten Veränderungen zu kompensieren. Vor diesem Hintergrund erscheint im Einzelfall eine vollständige Diätanamnese sinnvoll anstatt anzunehmen, dass alle älteren Patienten (v.a. geriatrische, klinisch gesunde Katzen) energiereduziert gefüttert werden sollten.
Protein
Proteinreduzierte Diäten wurden in der Vergangenheit oft für ältere Hunde in dem Glauben propagiert, diese Ernährungsweise hätte protektive renale Effekte. Mittlerweile ist bewiesen, dass Proteinrestriktion beim gesunden alten Hund unnötig ist. Im Gegenteil scheinen die Proteinbedürfnisse zur Aufrechterhaltung eines intakten Eiweiß/Aminosäurenstoffwechsels (sog. „Proteinturnover“, bestehend aus Katabolismus endogener Proteine und Synthese neuer Proteine [Hormone, Enzyme]) im Alter eher erhöht. Bei ungenügender Proteinzufuhr kompensiert der Körper durch reduzierten Proteinstoffwechsel und mobilisiert Proteine aus der Muskulatur. Eine Metaanalyse aller publizierten Arbeiten konnte zeigen, dass 85 % der Studien eine altersabhängige Abnahme des sog. Protein-Turnover fanden. Damit haben diese Tiere auch eine schlechtere Immunabwehr. Experimentell wurde festgestellt, dass selbst geringe Proteindefizienzen signifikante Auswirkungen auf das Immunsystem haben können. Es scheint nachvollziehbar, dass diese Effekte bei geriatrischen Tieren mit geringerer Muskelmasse ausgeprägter auftreten können. Es ist wichtig zu bedenken, dass die kalorische Versorgung den Proteinbedarf direkt beeinflusst: Bei niedrig-kalorischer Versorgung müssen mehr Kalorien über Proteine aufgenommen werden, um die Gesamtproteinaufnahme zu garantieren. Diäten für alte Hunde sollten mindestens 25 % der Gesamtkalorien aus Protein enthalten. Bei der Katze existieren weniger Daten zu diesem Aspekt. Grundsätzlich ist der Proteinbedarf der Katze hoch. Basierend auf der Magermasse („lean body weight“) brauchen Katzen mindestens 5 g Protein/kg Körpergewicht bzw. 34 % ihrer täglichen Kalorien- menge sollten aus Proteinen bestehen.
Evaluation der Ernährung bei alten Hunden und Katzen
Diät
Eine vollständige Evaluation der Diät umfasst die Marke (Hersteller können kontaktiert werden, um die energetische Dichte zu erfragen, sie wird in der Regel nicht angegeben), die Menge sowie zusätzliche Leckerchen. Werden ferner Supplemente (Vitamine etc.) gefüttert? Werden bei mehreren Tieren im Haushalt alle zusammen gefüttert? Wird ad libitum oder abgemessen gefüttert? Bei fehlenden energetischen (kalorischen) Informationen auf der Verpackung gibt es Methoden, den metabolisierbaren Energiegehalt (ME) zu kalkulieren. Da das Gros der Besitzer mit solchen Produkten aufwartet, ist es sinnvoll, die Energiedichte einschätzen zu können. Es gilt zu beachten, dass diese Methode bei einigen Produkten ungenaue Resultate liefern kann. Die angeführte Kalkulation überschätzt den wahren kalorischen Gehalt eines minderwertigen Futters und unterschätzt (bis 20 %) hochverdauliche, sog. „Premium“-Futter.
- Rohprotein (%) x 3.5
- Rohfett (%) x 8.5
- Addieren Sie die %-Gehalte von Rohprotein, Rohfett, Rohfaser, Feuchtigkeit, Rohasche und subtrahieren diese Zahl von 100. So erhalten Sie den N2-freien Gehalt (in %) (= Kohlenhydrate)
- Multiplizieren Sie den Nicht-Stickstoffgehalt (in %) x 3.5
- Addieren Sie die Resultate von Schritt 1, 2 und 4 und multiplizieren Sie die Summe mit dem Faktor 10. Sie erhalten den kalorischen Gehalt in kcal ME/kg Futter.
- Um die Kalorien/Trockensubstanz (TS) zu erhalten: Teilen Sie das Resultat aus Schritt 5 durch die TS [(100 - % Feuchtigkeit)/100]
Beispiel
- Rohprotein 24 % x 3.5 = 84
- Rohfett 10 % x 8.5 = 85
- (Rohfaser 3 %. Feuchtigkeit 10 %, Rohasche 5 %)
- 24 % + 10 % + 3 % + 10 % + 5 % = 52 % (N2-freier Gehalt)® ? 100 – 52 = 48
- 48 x 3.5 = 168
- (84 + 85 + 168) x 10 = 337 x 10 = 3370 kcal ME/kg Futter
- 3370/(100-10/100) = 3744 kcal ME/kg TS
Evaluation des Patienten
- Anamnese
- Klinische Untersuchung inklusive Gewicht und Einteilung in Body Condition Score (BCS, siehe Nestlé Purina Homepage; die Betonung, das Gewicht zu kontrollieren resp. zu erfassen, mag selbstverständlich klingen, aber die tägliche Erfahrung lehrt, dass bei den wenigsten Patienten anamnestisch ein Gewichtsverlauf nachzuvollziehen ist). Der zusätzliche Sinn in der Verwendung des BCS liegt darin, dass zwischen den einzelnen Stufen eine Gewichtsdifferenz von 10 – 15 % liegt. Ein Hund mit einem BCS von 6/9 sollte also 10 % Gewicht verlieren
- Maulhöhlenuntersuchung
Gewichtsverlust
Bei Gewichtsverlust stellt sich die Frage nach der täglichen kalorischen Aufnahme (siehe Diätanamnese). Gewichtsverlust bei adäquatem Appetit und adäquater Diät ist verdächtig für einen erhöhten Energieverbrauch (z.B. Hyperthyreose [Katze], Neoplasie), inadäquate Aufnahme (gastrointestinales Problem) oder erhöhte Verluste (Nieren- und Darmerkrankungen, Diabetes mellitus). Bei mit Anorexie assoziiertem Gewichtsverlust wären die entsprechend zu bedenkenden Kategorien: gastrointestinal, metabolisch und neuro logisch. Wenn ein Patient z.B. nach einer Narkose schlecht oder gar nicht frisst oder wiederholt Anzeichen macht zu fressen, aber sich dann schlussendlich abwendet, sollte eine Refluxösophagitis in Betracht gezogen und eine Therapie mit Protonenpumpenhemmern (z.B. Omeprazol 1 mg/kg SID) versucht werden (H2-Blocker wie Ranitidin senken den intragastrischen pH-Wert beim Hund so effektiv wie NaCl). Zur Erinnerung: Eventuell leidet eine von drei geriatrischen Katzen unter Fettmalabsorption, eine von fünf geriatrischen Katzen unter Proteinmalabsorption. Gewichtsverlust ist ein wesentlicher und früher Indikator für chronische Erkrankungen bei alten Katzen. In einer retrospektiven Studie begann der Gewichtsverlust bei Katzen mit Hyperthyreose, Nieren insuffizienz oder Neoplasie bereits 2½ Jahre vor ihrem Tod. Wenn keine spezifische Diagnose gefunden werden kann, dann bleibt nur eine symptomatische Behandlung mit einem hochkalorischen Futter. Höhere Fettgehalte machen das Futter schmackhafter und sind eine Kalorienquelle. Bei schlechtem Appetit kann die Futteraufnahme weiter durch Erwärmen des Futters unterstützt werden. Wenn eine kranke Katze mehrere Tage nicht frisst, braucht sie zur Überbrückung (oder bis zur Diagnosestellung) eine Ernährungssonde. Einfache erste Maßnahmen hier sind nasoösophageale Sonden, die in der Regel ohne Sedation gelegt werden können. Ideale Sondennahrung sind Produkte (wie beispielsweise Clinicare von Abbott; 1 kcal/ml), die aufgrund ihrer Konsistenz die Sonden nicht verstopfen. Ösophagussonden sind ebenfalls verhältnismäßig einfach in 15-minütiger Propofolnarkose zu legen. Idealerweise wird mit einem Viertel des basalen Energiebedarfs gestartet und in den nächsten Tagen auf 100 % dieses Bedarfs gesteigert. Grundumsatz/RER (resting energy requirement) = 70 (KG(kg)0.75) beim Hund und = 70 (KG (kg)0.67) bei der Katze (Als Faustregel können 200 bis 250 kcal/Tag bei der anorektischen Katze angestrebt werden.). Wenn kein Taschenrechner zur Hand ist, so funktioniert bei Tieren > 2 kg auch die lineare Formel: RER= (30 x KG(kg)) + 70.
Literatur beim Autor
Foto: istockphoto.com | druvo
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