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Arzneimittelabgabe

Was ist eine „ordnungsgemäße Behandlung“?

In der modernen Tiermedizin ist eine veterinärmedizinische Behandlung bzw. Therapie ohne den Einsatz von Arzneimitteln kaum denkbar. Somit kann davon ausgegangen werden, dass nahezu alle Tierärzte aufgrund des ihnen eingeräumten eingeschränkten Dispensierrechts Arzneimittel beziehen und abgeben. Das Dispensierrecht ist deshalb eingeschränkt, weil Tierärzte es nur unter Einhaltung strenger Vorschriften ausüben dürfen und sich bei deren Nichtbeachtung strafbar machen. Jürgen Althaus schaut auf die rechtlichen Aspekte.

In der juristischen Praxis kommt es aktuell immer wieder zu strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen Tierärzte. Dabei wird gegen die betroffenen Tierärzte häufig der Vorwurf erhoben, Arzneimittel entgegen den Vorschriften des Arzneimittelgesetzes (AMG) abgegeben zu haben, wenn z.B. Medikamente „auf Vorrat“ an Tierhalter abgegeben sein sollen. Häufig wird allerdings der Vorwurf erhoben, Arzneimittel an einen Tierhalter abgegeben zu haben, ohne vorher eine ordnungsgemäße Untersuchung/Behandlung des Tieres bzw. der Tiere durchgeführt zu haben. Diese Vorwürfe bergen ein erhebliches strafrechtliches Risiko in sich, das Kleintierpraktiker und Großtierpraktiker gleichermaßen betreffen kann, wenngleich richtigerweise darauf hingewiesen werden muss, dass im Großtierbereich tätige Tierärzte im Verhältnis zu Kleintierpraktikern überproportional von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren betroffen sind.

Behandlung

Die Rechtsgrundlage für eine Abgabe von Arzneimitteln durch einen Tierarzt findet sich in § 56 a Abs. 1 Nr. 1 AMG. Dort ist vorgesehen, dass ein Tierarzt für den Verkehr außerhalb der Apotheken nicht freigegebene Arzneimittel dem Tierhalter nur verschreiben oder an diesen nur abgeben darf, wenn die Arzneimittel für „die von ihm behandelten Tiere“ bestimmt sind. Die Rechtmäßigkeit der Medikamentenabgabe richtet sich somit insbesondere danach, ob die Medikamente zur Behandlung von Tieren abgegeben werden, die von dem Tierarzt „behandelt“ wurden. Die gesetzliche Bestimmung der „von ihm behandelten Tiere“ ist zunächst relativ ungenau und bedarf daher einer Konkretisierung. Eine nähere Begriffsbestimmung findet sich in § 12 Tierärztliche Hausapotheken-Abgabeverordnung (TÄHAV). Dort heißt es: „Arzneimittel, die für den Verkehr außerhalb der Apotheken nicht freigegebene Stoffe … enthalten oder aufgrund ihres Verabreichungsweges oder ihrer Indikation apothekenpflichtig sind, dürfen von Tierärzten an Tierhalter nur im Rahmen einer ordnungsgemäßen Behandlung von Tieren oder Tierbeständen abgegeben werden. Eine Behandlung im Sinne des Absatzes 1 schließt insbesondere ein, dass nach den Regeln der tierärztlichen Wissenschaft 1. die Tiere oder der Tierbestand in angemessenem Umfang untersucht worden sind und 2. die Anwendung der Arzneimittel und der Behandlungserfolg vom Tierarzt kontrolliert werden.“

Ordnungsgemäßheit der Behandlung

Die Begriffsbestimmung einer „ordnungsgemäßen Behandlung“ wirft in praktischer Hinsicht eine Reihe von Fragen auf: Was genau sind die Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Behandlung? Welche Voraussetzungen bestehen, wenn der Tierarzt das Tier oder den Tierbestand kennt? Unter welchen Voraussetzungen ist eine telefonische Beratung zulässig? Darf ein Wundmittel ohne Vorstellung des Tieres an den Tierhalter abgegeben werden? Wie genau muss eine Bestandsuntersuchung durchgeführt werden? Müssen sämtliche Tiere eines Bestandes untersucht werden? Welche Besonderheiten gelten bei der Abgabe vorbeugender Mittel? Kann bei Vorliegen eines Sektionsberichts eines Tieres auf die Untersuchung weiterer Tiere verzichtet werden? Welche Besonderheiten gelten bei einer beabsichtigten metaphylaktischen Behandlung? Nach einem älteren Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit des Deutsches Bundestages vom 05.06.1974 (Drucks. 7/1845) muss unter dem Begriff „behandeln“ eine „umfassende Bezeichnung für alle Maßnahmen, die ein Tierarzt bei ordnungsgemäßer Ausübung seines Berufs und unter Berücksichtigung aller gesundheitlichen und wirtschaftlichen Aspekte hinsichtlich Zweck und Erfolg der Behandlung in einem Tierbestand glaubt, ergreifen zu müssen, und die nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft zu rechtfertigen sind“, verstanden werden. Nach den einschlägigen Kommentierungen zu § 12 TÄHAV stellt § 12 Abs. 2 TÄHAV gewisse Kriterien auf, wann eine Behandlung ordnungsgemäß ist. Von besonderer Bedeutung ist danach die Bestimmung „in angemessenem Umfang“. Dieser angemessene Umfang kann je nach Lage des Falles verschieden sein, er muss aber zumindest eine einwandfreie Diagnose und damit eine exakte Indikation für den Einsatz des Arzneimittels ermöglichen.

Umstände des Einzelfalls entscheidend

Es kommt somit entscheidend auf die Umstände des Einzelfalls an. Über die Notwendigkeit, die Art und den Umfang der Untersuchung hat dabei stets der Tierarzt nach veterinärmedizinischen Grundsätzen zu entscheiden. So kann etwa bei der Abgabe vorbeugender Mittel sogar eine telefonische Beratung eine ordnungsgemäße Behandlung insbesondere in den Fällen sein, in denen die Diagnose problemlos möglich ist und eine Untersuchung nutzlos erscheint. Auch eine fernmündliche Beratung kann hinsichtlich vorliegender Krankheitsfälle bereits eine „Behandlung“ i.S.v. § 56 a Abs. 1 AMG i.V.m. § 12 TÄHAV sein.

Behandelnder/abgebender Tierarzt

Wer muss eine Behandlung als Voraussetzung einer Medikamentenabgabe durchführen? Wer ist „behandelnder Tierarzt“ und wer ist „abgebender Tierarzt“? In einem Urteil vom 25.07.1983 hat das Bayerische Oberlandesgericht deutlich gemacht, dass „behandelnde Tierärzte“ nur diejenigen Tierärzte sind, die selbst unmittelbar an der Behandlung beteiligt sind. Dies gilt somit nicht für alle Mitglieder einer tierärztlichen Kooperation, beispielsweise einer tierärztlichen Gemeinschaftspraxis. „Abgebender Tierarzt“ ist im Einzelfall danach der die Abgabe anweisende Tierarzt, nicht allerdings der ausführende Tierarzt. Dies wird damit begründet, dass eine Behandlung im Sinne der arzneimittelrechtlichen Vorschriften dann gegeben ist, wenn die angeordnete Arzneimittelanwendung auf einer durch den Tierarzt gewonnenen Erkenntnis, der im Einzelfall eine angemessene wissenschaftliche Methode der Untersuchung zu Grunde liegt, beruht. Es kommt somit nach dem Wortlaut und dem Sinn des Gesetzes entscheidend darauf an, ob der Tierarzt selbst behandelt, also in seiner Person die tatsächlichen Voraussetzungen erfüllt sind.

Besonderheiten bei Tierbeständen

Während sich die Untersuchung/Behandlung und die sich daran anschließende Abgabe eines Arzneimittels bei einem Einzeltier (etwa bei der Abgabe eines Medikaments aufgrund einer Lahmheitserkrankung eines Pferdes) meist unproblematisch darstellt, wirft die Betreuung von Tierbeständen und die dort erforderliche Arzneimittelabgabe regelmäßig Fragen auf, denen sich ein Kleintierpraktiker in der Regel nicht ausgesetzt sieht. So spielt bei der Behandlung eines Einzeltiers der Begriff des „angemessenen Umfangs“ eine wichtige, jedoch möglicherweise andere Rolle. Der „angemessene Umfang“ ist im Regelfall anders zu bewerten, wenn es sich um eine Bestandsdiagnose handelt. In diesem Fall wird der Tierarzt den Gesamtbestand einer Adspektion die klinisch erkrankten Tiere einer individuellen Kontrolle im Sinne einer klinischen Untersuchung unterwerfen müssen, um sich einen Überblick über das Krankheitsgeschehen im Bestand zu verschaffen. Soweit es sich um Tiergroßbestände handelt, wird der Tierarzt vor Abgabe von Arzneimitteln sich über die Größe des Bestandes zu informieren haben; sofern er diesen noch nicht kennt, ist auf alle Fälle eine vorherige Besichtigung des Bestandes notwendig. Hier wird generell festzuhalten sein, dass die Anforderungen an eine „Untersuchung in angemessenem Umfang“ im Sinne einer ordnungsgemäßen „Behandlung“ steigen, je weniger der Tierarzt den Tierhalter, den Tierbestand und ein eventuell vorangegangenes Krankheitsgeschehen des Tierbestandes kennt. Je besser diesallerdings der Fall ist, desto geringer können im Einzelfall die Anforderungen sein, sodass in einzelnen Fällen bereits eine telefonische Besprechung mit dem Tierhalter eine ausreichende „Behandlung“ als Voraussetzung einer Medikamentenabgabe darstellt.

Anwendungskontrolle und Kontrolle des Behandlungserfolges

Gemäß der oben dargestellten Regelung des § 12 Abs. 2 Nr. 2 TÄHAV schließt eine „Behandlung“ zum einen eine Kontrolle der Anwendung des Arzneimittels und zum anderen eine Kontrolle des Behandlungserfolges durch den Tierarzt ein. Ein Tierarzt kann sich also nicht alleine darauf berufen, dass er entsprechend dem Stand der veterinärmedizinischen Wissenschaft das Tier vor Abgabe des Medikaments an den Tierhalter untersucht hat. Er muss sich darüber hinaus auch vergewissern, dass der Tierhalter das Medikament in der vorgesehenen Art und Weise (Dosierung, Anwendungsdauer, Anwendungsfrequenz u. Ä.) angewendet hat. Schließlich muss der Tierarzt im Anschluss an die medikamentöse Behandlung den Behandlungserfolg kontrollieren. Erst wenn diese Voraussetzungen kumulativ vorliegen, kann von einer „ordnungsgemäßen Behandlung“ im Sinne der Arzneimittelvorschriften ausgegangen werden.

HKP 6 / 2011

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 6 / 2011.
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Dr. Birte Reinhold, ICHTHYOL-GESELLSCHAFT
„Endlich hat sich hundkatzepferd zum Fachmagazin für den Tierarzt entwickelt. In der Ausgabe 03/12 fielen neben informativen Neuigkeiten aus dem Praxisbereich und den lustigen Nachrichten aus der Tierwelt viele anspruchsvolle und praxisrelevante Fachartikel in einem ungewöhnlich anschaulichen und erfrischenden Design auf. Auch ein Fachmagazin kann unterhaltsam sein und taugt somit auch nach einem anstrengenden Arbeitstag noch zur Feierabendlektüre im Gartenstuhl. Gefällt mir!“
Prof. Dr. Arwid Daugschies, Universität Leipzig, Veterinärmedizinische Fakultät – VMF
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