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Haarausfall bei Tieren

Hilfe – mein Tier verliert sooo viele Haare

Tierhaare sind überall, auf Boden, Autositzen und Kleidung. Manchmal steckt hinter Haarverlust eine behandlungswürdige Störung. Doch auch wenn das Tier im normalen Rahmen haart, kann dies den Besitzer dennoch stören. Die richtige Fellpflege hilft, dazu muss man aber zunächst verstehen, wie Tierhaare wachsen und wann und wie sie ausfallen. Gezielte Pflegemaßnahmen können das Haaren dann deutlich minimieren. Zudem bringt die regelmäßige Fellpflege noch weitere Vorteile – für die Gesundheit und das Wohlergehen sowohl der zwei- als auch vierbeinigen Hausbewohner.

Lang, kurz, gelockt, drahtig, seidig oder Stockhaar – eines haben alle Felltypen gemeinsam: Während aus jedem Follikel der menschlichen Haut nur ein Haar wächst, unterscheidet man bei Hunden und Katzen zwischen Woll- und Grannenhaaren, die gemeinsam aus einem Follikel wachsen, wobei jeweils ein Grannenhaar von mehreren Wollhaaren umgeben ist. Das Wollhaar bildet das Unterfell – es liegt der Haut am dichtesten an, ist besonders weich und dünn und isoliert aufgrund seiner Dichte besonders gut. Das Grannenhaar bildet das Deckhaar, hat eine härtere Struktur, ist dicker und länger und liegt dem Unterfell auf. Es schützt das Tier vor Hautverletzungen, bildet eine zusätzliche Isolationsschicht und trägt aufgrund der individuellen Färbung wesentlich zum äußeren Erscheinungsbild bei. Je nach Genetik einer Rasse wird kein, wenig oder viel Unterfell gebildet.
Generell wird das Wachstum eines Haares in vier Phasen eingeteilt: In der anagenen (Wachstums-) Phase wird das Haar gebildet [1]. Dazu wird es über Blut gefäße an der Haarwurzel mit Nährstoffen versorgt; Nährstoffmängel (z.B. Imbalanzen im Futter) wirken sich jetzt aus. Daraus entstandene Fehler wie z.B. eine verminderte Pigmentierung infolge eines Zinkmangels können auch erst beim nächsten Fellwechsel „ausgebessert“ werden. Nachdem das Haar seine genetisch festgelegte Länge erreicht hat, wird das Wachstum eingestellt (Übergangs- oder katagene Phase) [2]. In der Ruhephase (telogene Phase) wird das Haar nicht länger mit Nährstoffen versorgt, ist jedoch noch im Follikel verankert [3]. Erst im nächsten vegetativen Zyklus wird es durch Nachschieben eines neuen Haares endgültig gelöst und fällt schließlich aus (exogene Phase) [4], der Wachstumszyklus schließt sich.
Bei einigen wenigen Hunderassen wie Pudel, Bichon frisé oder Bedlington Terrier sind die Haarbälge größtenteils in der aktiven, anagenen Phase, das heißt, das Haar wächst dauerhaft – vergleichbar dem Haar des Menschen. Durch den ausbleibenden Fellwechsel haaren diese Tiere deutlich weniger, müssen dafür aber regelmäßig zum Haareschneiden. Bei den meisten Säugetierarten sind Anagen- und Katagenphase allerdings nur sehr kurz, das bedeutet: Die Haare befinden sich die meiste Zeit in der Ruhephase. Würde man sie scheren, käme es aufgrund eines schneller nachwachsenden Unterfells zu einer unerwünschten Verwollung der Tiere, bei der das schützende Deckhaar seine Funktion nicht mehr erfüllen kann und sich die Haarstruktur verändert. Ein Scheren (z.B. im Sommer) kann daher meist nicht empfohlen werden.

Haaren – je nach Rasse unterschiedlich

Die Intensität des Haarens ist je nach Rasse, aber auch individuell unterschiedlich. Die meisten Tierarten durchlaufen im Frühjahr und Herbst einen kompletten Fellwechsel (saisonbedingtes Haaren). Der Zeitpunkt wird durch Tages(licht)länge und Temperatur bestimmt, ist aber auch abhängig vom Hormonstatus. Daher haaren Wohnungskatzen im Unterschied zu Freigängern das ganze Jahr über, Hündinnen häufig vor der Läufigkeit, kastrierte Tiere das ganze Jahr über.
Bei Jagdterriern (wie Airedale, Irish und Fox) wurde der saisonale Fellwechsel herausgezüchtet. Es bilden sich zwar neue Haare, diese vermögen jedoch das alte Haar nicht vollständig herauszuschieben, sodass das Fell durch die abgestorbenen Haare verblasst. Die Tiere versuchen, den alten, juckenden Pelz durch Scheuern loszuwerden, wodurch „kahle“ Stellen entstehen. Totes Haar muss bei ihnen daher regelmäßig durch Trimmen entfernt, also per Hand oder durch geeignete Fellpflegewerkzeuge regelrecht „herausgezogen“ werden, um dem neuen Haar Platz zu machen.
Im Unterschied zu Hunden pflegen Katzen ihr Fell selbst. Dabei schlucken sie jedoch bis zu 60 % der Haare ab. Diese müssen – sehr zum Leidwesen ihrer Besitzer – wieder ausgewürgt werden. Komplikationen entstehen, wenn sich die Haare im Magen zu einem „(Tricho)bezoar“, einem Haarballen, zusammenknäueln und nicht mehr hervorgewürgt werden können. Sie können den Magenausgang blockieren oder einen Darmverschluss verursachen – beide Notfälle sind lebensbedrohlich! Auch Kaninchen schlucken bei der Fellpflege viele Haare ab, können sie aber im Unterschied zu Katzen nicht erbrechen, so dass die Haare mit dem Kot ausgeschieden werden müssen. Daher sollten bei Katzen und Kaninchen lose Haare auch aus gesundheitlichen Gründen regelmäßig entfernt werden.

Fellpflege – unerlässlich für Gesundheit und Wohlbefinden

Eine regelmäßige Fellpflege stärkt die Bindung zum Tier, ermöglicht einen allgemeinen Gesundheitscheck (kleine Verletzungen, Ektoparasiten, Knoten in der Unterhaut etc. lassen sich erkennen und behandeln) und dient nicht zuletzt der Gesunderhaltung von Haut und Haar: Neben einer gründlichen Reinigung des Fells werden Verknotungen und Verfilzungen herausgebürstet und abgestorbene, lose Haare entfernt. Zudem wird die Haut massiert und gut durchblutet, die Talgdrüsen werden angeregt, schützendes Fett zu produzieren – das Haar wird glänzend und weich. Bei der Produktwahl gilt: Für Menschen konzipierte Bürsten und Kämme eignen sich absolut nicht für die Fellpflege bei Tieren. Der Abstand der Borsten und Zinken ist ebenso unpassend wie das Material und die Verarbeitung. Felltyp und -länge bestimmen die Auswahl der geeigneten Grooming-Werkzeuge. Der Fachhandel hält eine große Auswahl an Bürsten, Kämmen und Striegeln bereit. Zusätzlich werden so genannte DeShedding Tools angeboten, deren spezieller Aufbau ein leichtes Herausziehen bereits abgestorbener, loser Haare ermöglicht. Die Anwendung erfolgt ohne Ziepen, sodass auch sensible Tiere an empfindlichen Stellen behandelt werden können. Der regelmäßige (wöchentliche) Gebrauch reduziert das Haaren der Tiere drastisch.

Foto: © Dr. Claudia Westfahl

HKP 7 / 2012

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 7 / 2012.
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Dr. Birte Reinhold, ICHTHYOL-GESELLSCHAFT
„Endlich hat sich hundkatzepferd zum Fachmagazin für den Tierarzt entwickelt. In der Ausgabe 03/12 fielen neben informativen Neuigkeiten aus dem Praxisbereich und den lustigen Nachrichten aus der Tierwelt viele anspruchsvolle und praxisrelevante Fachartikel in einem ungewöhnlich anschaulichen und erfrischenden Design auf. Auch ein Fachmagazin kann unterhaltsam sein und taugt somit auch nach einem anstrengenden Arbeitstag noch zur Feierabendlektüre im Gartenstuhl. Gefällt mir!“
Prof. Dr. Arwid Daugschies, Universität Leipzig, Veterinärmedizinische Fakultät – VMF
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Die hundkatzepferd begleitet mich nun schon seit einigen Jahren. Nach wie vor begeistern mich
die Aufmachung, der fachliche und informative Inhalt sowie und die beeindruckenden Fotos des
Fachmagazins. Ganz deutlich ist seit einigen Monaten eine noch stärkere Ausrichtung auf die Belange
und Interessen der Tierärzteschaft zu erkennen. Dies ist sehr erfreulich. Das Magazin gehört in jede
Praxis und sollte unterhaltsame „Pflichtlektüre“ für das ganze Praxisteam sein.